Jean-Pierre Kermanchec

Der Tote von Trévarez


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Courtain stammten. Er verließ den Raum und ging auf den zweiten Raum direkt daneben zu. Der Raum schien sein Schlafzimmer zu sein. Ein großes Bett stand mitten im Raum. Das Fenster reichte bis zur Deck und ließ viel Licht herein. Für Ewen stand fest, dass Courtain sein Haus nach seinen eigenen Vorstellungen umgebaut hatte. Das Gebäude schien deutlich älter zu sein als die Fensteröffnungen. Ewen trat an den großen Wandschrank und schob die Schiebetür auf. Fein säuberlich hingen circa zehn verschiedene Jacketts und zahlreiche Anzüge auf der Stange. Entgegen seines ersten Eindrucks aus der Bibliothek war das Schlafzimmer in einem aufgeräumten und ansprechenden Zustand.

      „Ewen“, rief Paul aus dem gegenüber liegendem Zimmer.

      Ewen ging zu Paul, um zu sehen was er wohl gefunden haben konnte.

      „Sieh dir das an! Im Papierkorb habe ich dieses Schreiben gefunden.“

      Paul reichte es Ewen und der las:

       Ich erwarte die nächste Zahlung von 10.000 € am Samstagabend. Ort der Übergabe erfahren Sie noch. Seien Sie pünktlich und keine Verzögerungen wie beim letzten Mal.

      „Mir scheint unser Toter hat jemanden erpresst und der Erpresste hat sich des Erpressers entledigt“, meinte Paul, nachdem auch Ewen die wenigen Zeilen gelesen hatte.

      „Könnte sein, aber wieso wirft der Mann den Erpresserbrief in den Papierkorb? Ich würde ein solches Beweisstück niemals behalten.“ Ewen war verunsichert über den Fund.

      „Vielleicht war es nur der erste Entwurf, und er hat danach einen zweiten geschrieben der ihm besser gefallen hat und ist nicht mehr zum Entleeren des Papierkorbes gekommen.“

      „Hast du seinen Computer gefunden? Der Brief ist auf einem Computer geschrieben und danach ausgedruckt worden.“

      „Hier auf dem Schreibtisch steht ein Notebook. Wir nehmen es mit und lassen es untersuchen. Vielleicht findet sich ja die Datei. Robert findet bestimmt etwas, auch wenn es gelöscht worden ist.“

      Robert Gallic war ihr Experte für alles was mit Elektronik zu tun hatte. Robert Gallic gehörte zum Urgestein der police judiciaire von Quimper. Er leitete die Abteilung seit 15 Jahren und kannte sich mit technischen Fragestellungen bestens aus. Wenn es etwas zu finden gab, dann würde er es finden.

      Es klingelte an der Haustür, während die beiden Kommissare immer noch im Büro standen und den Brief aus dem Papierkorb betrachteten.

      Paul ging zur Tür und öffnete den Kollegen. Dustin und seine Mannschaft waren eingetroffen und begannen mit ihrer akribischen Arbeit, der Suche nach Fingerabdrücken, verräterischen Unterlagen, Waffen und was eben sonst alles eine Rolle spielte bei der Lösung eines Mordes.

      Ewen begrüßte seinen Freund Dustin Goarant.

      „Dustin, so wie es aussieht, könnte unser Opfer ein Erpresser gewesen sein. Seht euch bitte alles an, was uns hier weiterbringen kann. Ich denke vor allem an Zeitungen, aus denen Buchstaben ausgeschnitten worden sind, Mails, Kontoauszüge und so weiter. Auch wenn dieser Entwurf“, Ewen hob den Plastikbeutel in den er den Brief gesteckt hatte hoch, „mit dem Computer geschrieben worden ist, so könnte es ja vielleicht auch andere Erpresserbriefe gegeben haben. Aber du weißt ja wonach du suchen musst.“

      „Nett von dir, Ewen, dass du mir das zutraust. Ich habe schon gedacht, dass du vergessen hast, dass ich seit vielen Jahren meinen Beruf ausübe.“

      „Ich kann es einfach nicht lassen, Dustin, immer wieder ertappe ich mich dabei dich belehren zu wollen. Nimm mich einfach nicht so ernst wenn ich dir solche Belehrungen gebe.“

      Dustin musste grinsen, nickte Ewen aber zu und meinte dann nur noch:

      „Das kostet dich beim nächsten Mal trotzdem ein Glas Wein, mein Lieber.“ Dann machte er sich an die Arbeit.

      Paul hatte sich das Notebook unter den Arm geklemmt, nachdem er sich vorsichtig in den weiteren Räumen umgesehen hatte und verließ nun mit Ewen das Haus.

      „Wenn Courtain wirklich jemanden erpresst hat, dann müssten wir doch entweder in seinen Mails oder in der Liste seiner gewählten Telefonnummern einen Hinweis auf die Übergabe finden und damit auf den, der von ihm erpresst worden ist, hingewiesen werden.“

      „Könnte sein, Paul, was aber, wenn Courtain die Information von einer öffentlichen Telefonzelle aus, oder mit einem durch die Post übermittelten Brief, oder eine direkt in den Briefkasten des Empfängers eingeworfene Nachricht, dem Erpressten zukommen gelassen hätte? Dann würden wir nichts finden. Als Erpresser mit etwas Überlegung würde ich niemals eine solche Benachrichtigung elektronisch übermitteln. Es sei denn aus einem Internet-Café.“

      „Du denkst schon wieder an deinen alten Möwenspur Fall?“

      „Kam mir jetzt nur so in den Sinn. Ein Internet-Café wäre schon etwas anonymer, als das eigene Telefon oder der eigene Computer. Der Zufall müsste schon sehr groß sein, wenn dort jemand einem über die Schulter sieht und die Nachricht liest.“

      Ewen und Paul trafen im Kommissariat ein und gingen in Ewens Büro. Paul machte noch einen Abstecher zu Robert Gallic und übergab ihm das aus dem Haus von Courtain mitgenommene Notebook. Als er zu Ewen ins Büro kam hatte der die Erkenntnisse des Tages bereits an seiner Pinnwand angebracht und das Kennzeichen des BMW von Robert Courtain herausgesucht.

      „Was ist denn mit dem Hinweis von Thierry Guillem, dass sein Freund auf der Île-de-Bréhat gewesen ist? Ich habe mir das notiert, weil mir ein Bericht im Ouest France in Erinnerung ist. Wenn ich mich richtig erinnere, dann ist ein Mädchen auf der Insel vor einigen Wochen ums Leben gekommen. Die Polizei ist von einem Unfall ausgegangen. Wenn aber jetzt Courtain jemanden erpresst hat, dann könnte es schon sein, dass er etwas gesehen hat.“

      „Wir können zweierlei machen“, meinte Ewen und schien zu überlegen.

      „Wir sollten uns die Protokolle von dem Vorfall auf Bréhat kommen lassen und das Datum des Vorfalls mit der Zeit des Aufenthaltes von Courtain vergleichen. Schließlich wäre es noch interessant zu wissen wer sonst seinen Aufenthalt auf der Insel verbracht hat. Das werden zwar eine Menge Leute gewesen sein, aber wenn gleichzeitig mit Courtain andere Einwohner aus dem Großraum von Quimper auf der Insel gewesen wären, dann könnten wir uns diejenigen doch ansehen. Was meinst du dazu?“

      „Finde ich grundsätzlich gut, aber du bist dir darüber im Klaren, dass wir vielleicht viele Personen überprüfen müssen?“

      „Bin ich mir, Paul, aber das machen wir erst morgen. Ich mache jetzt Schluss für Heute.“

      Paul sah auf die Uhr und stellte fest, dass sie schon wieder bis kurz vor 20 Uhr im Büro waren. Ihn erwartete niemand, aber Carla wäre bestimmt erfreut, wenn sie Ewen noch vor dem Schlafengehen zu Gesicht bekäme.

      „Bis Morgen, Ewen“, sagte Paul und verabschiedete sich von seinem Kollegen.

      Kapitel 5

      Ewen Kerber fühlte sich ausnahmsweise entspannt, obgleich er seinen Fall noch nicht gelöst hatte. Ruhig lenkte er seinen Citroën durch den Verkehr von Quimper. Der übliche Feierabendstau war schon vorbei und er kam gut durch die Innenstadt. Er stellte seinen Dienstwagen in der Einfahrt ab und ging gemütlich zur Eingangstür. Bevor er seinen Hausschlüssel aus der Tasche ziehen konnte, wurde die Tür bereits von Carla geöffnet.

      „Guten Abend, Liebling“, begrüßte sie ihren Mann. Ich war gerade dabei ein paar frische Blumen zu schneiden. Ich bin sofort bei dir.“

      Sie gab Ewen einen Kuss und ging an ihm vorbei in den Vorgarten zu den langen Reihen der Rosen, die schon seit vielen Jahren hier wuchsen und bereits von Ewens erster Frau gepflanzt worden waren. Carla hegte und pflegte die Rosen sorgfältig und die Rosen dankten es ihr, mit ihrem betörenden Geruch und ihrer fast ununterbrochenen Blütezeit. Nach wenigen Minuten kehrte sie ins Haus zurück und hatte fünf Rosen in der Hand.

      Nie war es eine gerade Zahl an Blumen, stellte Ewen immer wieder fest. Schon seine erste Frau hielt sich an