Wolfgang Dieter Schreyer

Etwas abseits von der Norm.


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      deren Pubertät und die neuen Umstände ergaben insgesamt eine recht schwierige Zeit.

      Es stand an, das Haus vorerst einmal gründlich zu renovieren;

      ich riss zwar die Tapeten von den Wänden herunter, doch mir ging nichts von der Hand,

      ich war schwer für irgendetwas zu motivieren.

      Ich drückte meine Verzweiflung darüber auf meine Art aus,

      ich lachte und weinte, sang fortwährend meine Lieblingslieder und randalierte manchmal im Haus.

      In der Folge wollten alle, auch ein Arbeitskollege in der Bank, mich darüber belehren,

      doch einzusehen, dass ich krank sei, und ich ließ mich schließlich bekehren.

      Diesmal kam ich in eine Klinik, die in Berlin überall wohl bekannt, in die Bonhoeffer Heilstätten, im Volksmund auch ´Bonheil` oder ´Bonnys Ranch` genannt.

      Alles war hier sehr modern eingerichtet, das muss ich wohl loben, und ich war dort recht gut aufgehoben.

      Die Ärzte experimentierten mit diversen Tabletten und Tropfen,

      dass mein Körper sich verkrampfte und mein Herz anfing stark zu klopfen.

      Schließlich man auf die Vermutung, meine Krankheit werde

      verursacht durch Lithium-Mangel beim Gehirnstoffwechsel, kam, und dass dadurch ausgelöst werden könnte der manisch- depressive Wahn.

      Man verabreichte mir Mengen von Lithium in Tablettenform, die drückten mein Verrücktsein

      langsam wieder zurecht in die allgemein geduldete Norm.

      Nach ein paar gefühlsmäßig recht durchwachsenen Wochen,

      bin ich dann als geheilt, doch von ein paar unangenehmen Nebenwirkungen beeinträchtigt, wieder zurück nach Hause gekrochen.

      Mit diesen neuen Tabletten, die ich seitdem nehme, statt der alten,

      hat mein einigermaßen stabiler Zustand etwa zwölf Jahre lang durchgehalten.

      Für mich persönlich erklären sich diese Krankheitsausbrüche immer

      wieder als eine unbewusste Flucht,

      in der mein Körper (oder Geist) durch eine unwillkürliche Abwehrreaktion gegen unüberwindlich scheinende Probleme, gegen Überforderung und der Angst vor Versagen einen Ausweg sucht.

      Damals war die Situation für mich bedrückend und durch und durch beschissen,

      so habe ich instinktiv aus Selbstschutz mein Heil wieder in der Flucht in die Krankheit gesehen und bin vor der Verantwortung ausgerissen.

      WS 042007

      Teneriffa

      Im Urlaub auf Teneriffa geschah es nach vielen Jahren wieder einmal,

      dass das Zusammensein mit mir wurde für meine Frau zur Qual.

      Ich fühlte mich losgelöst, von allen häuslichen und beruflichen Zwängen frei,

      mit dem innersten Wunsch, dass das möglichst immer so sei.

      Hier könnte man nach den Sternen streben,

      und hier könnte man seine restlichen Jahre ohne Sorgen verleben.

      Die Insel nahm mich sehr gefangen, die Wärme brachte mich ins Schwitzen,

      und es machte mir unheimlich Spaß, viel herum zu palavern, und es fiel mir schwer,

      lange Zeit ruhig und still zu sitzen.

      Dann gab es das Problem mit dem nächtlichen Schlafen wieder,

      ich lag nachts stundenlang wach, war voll von Phantasie, im Hotel war es unruhig, und man hörte laute Lieder.

      So trat allmählich der ´man-dep-man` wieder in Aktion, so wie ich ihn bei mir kannte von früher her schon.

      Ich brauchte keinen Schlaf mehr und auch keinen Wecker,

      ich war redegewandt und selbstbewusst und fühlte mich als blonder Held, wie der frischgebackene Wimbledon-Sieger >Bumbum< Boris Becker.

      Bei einem Ausflug auf die Nachbarinsel La Palma zeigte sich dann offenbar,

      dass das Wölfchen in seinem Wesen vollkommen verändert war.

      Mir machte am Steuerrad die Autofahrt durch die Insel viel Vergnügen, ohne Frage,

      doch meine Tante, mein Onkel und meine Frau hatten wegen meiner rasanten Fahrweise

      anscheinend Grund zur Klage.

      So haben die drei zusammen beschlossen, sofort wieder einen Flug nach Teneriffa zurück zu buchen,

      um dort schnell einen Arzt zu finden, der mich sollte untersuchen.

      Ein Arzt erschien, er konnte nicht viel tun, gab mir zur Beruhigung eine Spritze schnell

      und empfahl, mich ins Krankenhaus zu bringen, und zwar in die Clinica St. Miguel.

      Dort konnte ich meine Manie ganz frei ausleben,

      ich konnte laut singen, schreien und lachen und mich ohne Einschränkung frei bewegen.

      Ich fühlte mich dort sehr wohl, für meine Frau war die Situation sicher schlimmer,

      doch sie durfte mit mir zusammen verbringen im selben Zimmer.

      Manches Mal bereitete ihr der Gedanke an den verrückten Mann sicher Höllenqualen,

      auch das Problem, wie die Unterkunft und die Behandlung in der Klinik zu bezahlen.

      Die drei Euroschecks, die wir noch hatten, würden nicht reichen, konstatierten wir verstört,

      doch mein Vater war bereit, uns den notwendigen Betrag zu überweisen, als er von dem Malheur gehört.

      Aber meine Tante, ausgestattet mit viel Beziehungen, wusste einen besseren Rat,

      sie kannte eine Stewardess der Fluggesellschaft, die bereit war, das Geld durch ihren Dienstflug uns persönlich zu übermitteln, was sie dann auch tat.

      Der Umschlag mit dem Geld meines Vaters wurde meiner Tante, der Frau B., unmittelbar direkt überbracht,

      doch die verhielt sich danach ganz anders als es eigentlich gedacht.

      Sie hat das Geld unter fadenscheinigen Argumenten behalten und nicht herausgerückt,

      das hat uns völlig überrascht und verwundert und ziemlich bedrückt.

      Wir hatten damals das unbestimmte Gefühl, sie hatte irgendwelche Geschäfte getätigt

      und das Geld zu diesem Zeitpunkt gerade für sich selber benötigt.

      Doch meine Frau gab sich noch nicht geschlagen,

      sie wusste, dass zu Hause im Thurbrucher Steig noch diverse Scheckformulare in einer Kassette lagen.

      Sie rief eine Vertraute, die Gisela, an und erzählte ihr von der Situation,

      diese kannte sich bei uns aus, weil sie unser Haus in unserer Abwesenheit betreut, und sie trat umgehend in Aktion.

      Die besagte Stewardess, die wir leider nicht kennen, doch hohes

      Lob soll ihr gebühren,

      zeigte sich bereit, diesen Sonderkurierdienst noch ein zweites Mal durchzuführen.

      Das Problem der Bezahlung des Krankenhauses war nun beseitigt,

      dann kam das nächste, wegen des neuen Rückflugtermins hätten wir das Personal von Neckermann Reisen am liebsten gesteinigt.

      >Keine Plätze frei, vielleicht morgen, halten Sie sich bereit<,

      so