Elisa Scheer

Die Erbschaft


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du auch! Und vielen Dank für das Buch, die Geschichte kommt mir teuflisch bekannt vor.“

      Cora lachte. „Deshalb hab ich´s dir hingelegt. Du bist kein Einzelfall, aber das wird dich nicht sehr trösten, fürchte ich. Also, gute Nacht!“ Ich las noch eine Weile und verfolgte, wie die am Boden zerstörte Heldin Rachepläne schmiedete und die ersten Schritte unternahm, um ihn in den Ruin zu treiben. Sollte ich versuchen, Christian zu ruinieren? Konnte ich das überhaupt? Ich löschte das Licht und schlief ein, bevor ich darüber richtig nachgedacht hatte.

      Kapitel 4

      Ich wachte auf, weil helles Licht durch das Fenster schien und es durchdringend nach Kaffee duftete. Wenigstens hatte ich nicht von Christian geträumt, sondern erstaunlich gut geschlafen, wenn man die Umstände bedachte. Ich räkelte mich wohlig und setzte mich langsam auf. Äh – Kopfweh. Das waren die drei Gläser purer Rum! Immerhin war mir nicht schlecht, es hämmerte nur in meinem Schädel. Ich erhob mich mühsam und schlurfte Richtung Bad, an der Küche vorbei. „Guten Morgen!“, rief Cora und reichte mir ein Glas, in dem es sprudelte und an der Oberfläche verdächtig seifigen Schaum bildete.

      „Was ist das?“, fragte ich misstrauisch. „Grapefruitsaft mit Aspirin-Brause. Sag bloß, das brauchst du nicht?“

      „Doch“, gab ich zu und leerte das Glas mit großen Schlucken. „Hab ich sehr lange geschlafen?“

      „Ganz normal, es ist noch nicht einmal acht. Dein Exmacker hat jedenfalls noch nicht hinter dir her telefoniert.“

      „Er weiß ja gar nicht, wo ich bin“, entschuldigte ich ihn schon wieder – wieso eigentlich?

      „Sarah, Dummchen, das ist doch egal! Oder hat er deine Handynummer nicht?“

      „Doch“, gab ich wieder zu, „aber das ist nicht an. Nach dem Duschen kann ich ja mal in die Mailbox gucken.“

      Das heiße Wasser prasselte köstlich auf mich herunter, und Coras kratzige weiße Frotteehandtücher waren zehnmal so saugfähig wie die superweichgespülten Dinger bei Christian, die hauptsächlich gut aussahen, sich beim Abtrocknen aber schmierig anfühlten. Ich rubbelte mich kräftig ab – so war das Peeling gleich miterledigt! – und kämmte meine nassen Haare durch. Schon besser, und ich bildete mir auch ein, dass das Kopfweh allmählich nachließ. In langem Tweedrock und seidener Bluse erschien ich zum Frühstück. Cora blinzelte. „Ist das nicht leicht übertrieben? Jeans täten es heute wahrscheinlich auch.“

      „So was hab ich nicht, Christian mag keine Jeans.“

      „Christian! Wer fragt den denn noch? Wir kaufen dir heute eine. Oder leih dir eine von mir, wir haben doch eh die gleiche Größe, oder?“

      „Gut, ich kauf mir nachher eine. Mensch, das hab ich seit Jahren nicht mehr gemacht! Und so ein Sweatshirt hätte ich auch gerne, für zu Hause“, gestand ich, über mich selbst überrascht. „Lieber zwei, man muss sie ja auch mal waschen. Übrigens, wenn du was zu waschen hast, die Maschine ist in der Küche.“ Cora schenkte Kaffee ein und schob mir Semmelkorb, Butter und Aufschnitt hin. Ich schmierte mir sorgfältig eine Schinkensemmel und kaute dann nachdenklich darauf herum. „Ich glaube, du siehst das Ganze als Chance für mich, oder?“

      „Vielleicht.“ Cora rührte in ihrem Müsli herum. „Ich glaube, in dir steckt viel mehr als die brave Sklavin des eleganten Herrn. Christian sieht sich doch total als Mann von Welt, oder?“

      „Stimmt, er hat immer sehr auf meine Manieren geachtet. Dabei bin ich ja auch nicht gerade im Slum groß geworden. Er hat aber gelegentliche Defizite festgestellt und mich dann liebevoll fortgebildet.“

      „Unverschämtheit!“

      Ich zuckte die Achseln. „Mir ist das gar nicht so aufgefallen. Weißt du, wenn du die Prämisse akzeptierst, dass sein Lebensstil der erstrebenswerte ist, dann wird alles andere völlig logisch und du kommst der Sache nicht mehr aus. Ich glaube, das ist das Allerschlimmste.“

      „Was ist das Allerschlimmste?“, fragte Cora, den Mund voller Müsli.

      „Dass mein ganzer Lebensplan in nichts zusammengefallen ist, weil die Prämisse eben völlig falsch war! Christian ist nicht der Mann von Welt, an dessen Seite ich ein schönes Leben führen werde, er ist ein ausbeuterischer Korinthenkacker, der mir eine andere, Stilvollere, vorgezogen hat. Und jetzt stehe ich mit völlig leeren Händen da.“ Ich begann auf meine Schinkensemmel zu heulen.

      „Und jetzt merke ich erst, wie blöde ich war!“ Ich heulte noch mehr. „Ich hab mich total ausnutzen lassen.“

      „Das holen wir alles zurück, versprochen“, sagte Cora finster und begann abzuräumen. Ich machte den matten Versuch, ihr zu helfen, aber sie drückte mich auf meinen Platz zurück. „Check lieber mal deine Mailbox!“

      Na gut! Ich rief die Mailbox auf. Sie haben zwei neue Nachrichten. Vielleicht tat es ihm Leid, vielleicht war alles nur ein Irrtum? Erste Nachricht: Neue Klingeltöne verfügbar. Klasse, löschen. Zweite Nachricht: Abitreffen 18. Mai Susi. Wer um Himmels Willen war Susi? Ich durchforstete, kurzfristig von meinem Jammer abgelenkt, mein Gehirn. Susi ... Susi ... ach ja, diese brave kleine Maus in der ersten Reihe. Zehn Jahre Abitur, von mir aus, ich würde da bestimmt nicht hingehen. Und woher hatte die überhaupt meine Nummer? Ich schickte eine Antwort: WO? Sarah, damit ich da nicht aus Versehen reinplatzte, und legte das Handy beiseite. „Na, hat er sich gemeldet?“, fragte Cora, als ich neben ihr auftauchte und ihr half, die Spülmaschine einzuräumen.

      „Natürlich nicht. Klingeltöne und Abitreffen, nur Scheiß.“

      Mein Handy schrillte, und ich stürzte hin. Neue SMS. Ach, bloß von Susi. Die hatte ja anscheinend auch nichts Sinnvolles zu tun!

       Wittelsbacher Hof 18.00

      Kommst du? Susi.

      Weiß noch nicht. Sarah.

      Warum sollte er sich auch melden? Ich starrte verdrossen aus dem Fenster. Ob seine schwangere Edeltussi schon eingezogen war? Ob sie schon mit ihm zusammen arbeitete? Oder hatte er sich eine neue Buchhalterin von JobTime gesucht? Für Sekretariatsarbeiten und Buchhaltung war eine Diplombetriebswirtin sicher zu schade. Ob sie mit seinen Möbeln einverstanden war? Ich stellte mir vor, wie sie alles raus warf und die Einrichtung auf Louis Quinze im Stil des elterlichen Schlosses umstellte. Wäre Christian fasziniert oder bräche ihm das Herz? Und was ging mich das denn noch an? Mein Handy schrillte wieder. Ich rief die Nachricht auf. Wo ist der Vorgang Haberecker? C. Ich wollte gerade antworten, als Cora angeschossen kam und mir das Telefon aus der Hand riss. „Lass mich, dem werden wir es zeigen!“ Sie tippte etwas ein und zeigte mir dann das Display: Mt.7,7. Ich sah sie verblüfft an. „Was soll das denn bedeuten?“

      „Hat er eine Bibel im Büro?“

      „Seine Bibel sind 1001 Steuertricks, warum?“

      „Da könnte er den Spruch nachschlagen, im Matthäus-Evangelium …“

      „Und was steht da?“

      „Suchet, so werdet ihr finden. Oder hast du den Vorgang versteckt?“

      „Klar, steht unter H bei den unerledigten Vorgängen. Wenn er nicht völlig verblödet oder von seiner Charlotte erschöpft ist, müsste er das gerade noch selber finden. Aber wahrscheinlich ist er wirklich zu blöde dazu. Solche Sachen habe eben immer ich gemacht. Ob die Neue weiß, wie man seine kostbaren Hemden korrekt bügelt? Hoffentlich brennen sie ihr an!“

      „So ist es recht!“ Cora schaltete mein Telefon aus. „Mehr Info kriegt er jetzt nicht. Komm, wir müssen auf den Kriegspfad!“

      Wir begannen auf der Post, weil sie gleich um die Ecke lag. Ich füllte den Nachsendeantrag aus und gab Coras Adresse an. Es gab ein wenig Ärger, weil ich, damit der Auftrag sofort ausgeführt wurde, schon vor Wochen hätte wissen müssen, dass Christian mich gegen ein besseres Modell austauschen würde. Coras Gemurmel, dass man bei der Post eben keinen schnellen Service erwarten konnte, verbesserte die Stimmung der Schalterbeamtin