null Dhamilha

Jana und Vivian auf Sirius


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als der Wecker klingelte nach einem wilden, unruhigen Traum und brauchte ein paar Minuten, um mich zu Recht zu finden. Da hörte ich die Stimme meiner Mutter, die mich zum Frühstück rief. Sie hatte es heute selbst eilig, da sie zu einem Termin mit ihrem Verleger musste. Das war gut für mich, weil sie dadurch nicht allzu sehr auf mich achtete. Sonst hätte sie mich sicher gefragt, ob mir nicht gut sei wegen meiner dunklen Ränder unter den Augen und dem verwirrten Gesichtsausdruck, den ich schon selbst im Spiegel an mir wahrgenommen hatte.

      Meine Mutter sah mich nur kurz prüfend an, strich mir über den Kopf und sagte: „Entschuldige Liebes, bin schon ein bisschen spät, in der Küche steht warmer Kakao, der Papa ist noch im Bad, er muss heute auch früher los – Du weißt doch: heute bringen sie die neuen Lampen in seinem Büro an. Das kann er nicht dem neuen Kollegen allein überlassen. Du musst dann gleich selbst die Uhr im Blick behalten, damit Du rechtzeitig zur Schule kommst. Habe Dir ein Butterbrot in die rote Dose getan – so, ich bin dann weg. Tschüss, mein Schatz!“ Und fort war sie. Normalerweise hasste ich diese hektische Art von Verabschiedungen – heute war sie mir ganz lieb. So musste ich wenigstens keine Fragen beantworten wie: du bist aber blass heute. Geht es dir nicht gut? oder : erzähl doch mal, wie war denn das gestern mit dem Kassettenrecorder von Vivians kleinem Bruder ....nein, heute Morgen war es gut, ein wenig alleine mit mir zu sein, mein Vater würde auch gleich aus dem Haus gehen, er hatte sowieso nie diesen prüfenden Blick auf mich, er würde nichts fragen. Also setzte ich mich in die Küche, aß in Gedanken versunken mein Müsli, trank meinen Kakao – er schmeckte heute besonders gut, fand ich. Warmer Kakao hat immer etwas Tröstliches, wenn man besonders durcheinander oder traurig ist. Kennt Ihr das auch? Bei Vivian ist es heiße Milch mit Honig, hat sie mir erzählt. Die Erwachsenen haben auch manchmal so einen Tröster. Meine Mutter z.B. kocht sich dann einen Kräutertee und legt sich in die Badewanne. Mein Vater trinkt ein Bier und macht den Fernseher an, oder er zieht seine Sportklamotten an und geht joggen. Meine Oma hat mir mal erzählt, - das war, als sie noch lebte, sie ist leider letztes Jahr gestorben – dass sie in solchen Stimmungen immer strickte, das beruhigt die Nerven, sagte sie.

      An diesem Tag ging noch ziemlich viel schief: ich hatte meine Sportsachen vergessen, was mir einen Tadel der Lehrerin eintrug. Später zerriss ich mir auf dem Schulhof die neue Jacke. Dann fand ich meinen Schlüssel nicht.....ach, es war grässlich! Ich wollte nichts wie nach Hause und mit Vivian telefonieren. Als ich sie anrief, war keiner da. Ich sprach auf den Anrufbeantworter: „Vivian, hier ist Jana, ruf bitte dringend zurück!“ Dann setzte ich mich an die Hausaufgaben. Als ich gerade anfangen wollte, kam meine Mutter. Sie hatte eingekauft und schlug mir Pfannkuchen vor, mit Preiselbeeren, was ich normalerweise sehr gern aß. Aber heute hatte ich irgendwie gar keinen Hunger. Und jetzt passierte es: meine Mutter wurde aufmerksam! Sie schaute mich besorgt an und sagte: „Hatte ich mir doch gestern schon gedacht, dass etwas nicht stimmt, Jana, was ist los?“ Als ich nicht sofort antwortete, fragte sie. „Oder fühlst du dich krank? Du siehst blass aus.“ Was sollte ich denn sagen – ich fühlte mich nicht krank, nur verwirrt! Ich verstand das alles nicht mit dieser „Explosion“ und dem Teesieb – Kontakt und überhaupt: das konnte man doch niemandem erzählen? Am Ende hielten sie mich noch für verrückt? Ich muss wohl ziemlich ratlos dreingeschaut haben, denn meine Mutter streichelte ganz sanft meine Wange und sagte: „Liebes, ist irgendetwas passiert? Möchtest du mir irgendetwas erzählen und weißt gerade nicht, wie?“ Verdammt! Sie hatte mich durchschaut! Wie immer! Ich merkte, wie mir die Tränen kamen – jetzt nur nicht heulen, dachte ich. Sie nahm mich in die Arme und sagte: „Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst. Aber ich sehe, dass dich etwas bedrückt, und du weißt ja, dass es oft leichter wird, wenn man es teilen kann. Und vielleicht kann ich dir ja auch helfen.“ „Nein, Mama, es ist einfach zu verrückt – du kannst mir nicht helfen. Und außerdem habe ich Vivian versprochen, nichts zu verraten.“ Mist! Jetzt hatte ich viel zu viel gesagt. Meine Mutter schaute mich jetzt sehr ernsthaft an. Aha! stand in ihrem Gesicht geschrieben. Aber sie sagte es nicht. Sie strich mir nochmal ganz liebevoll übers Haar, stand auf, begann mit der Zubereitung des Pfannkuchens, und als wir uns dann setzten, sagte sie: „Hör zu, Jana, du weißt, das du mit mir über alles sprechen kannst, auch über Verrücktes. Ich erlebe auch manchmal Verrücktes. Das ist nun mal so in unserer Welt: manchmal hat man das Gefühl, irgendwie sei alles total verrückt. Und man versteht es nicht und kann es nicht erklären und ist vielleicht ein bisschen durcheinander ......das geht auch den Erwachsenen manchmal so, glaub mir. Ich respektiere, dass du nicht darüber reden möchtest. Ich möchte dir nur nochmal sagen, dass ich immer für dich da bin, wenn du Hilfe brauchst. Das weißt du doch. Willst du dich mit Vivian verabreden? Es scheint ja wichtig zu sein, das ihr beiden erst mal miteinander sprecht................“ In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Ich stürzte hin: „Ja? Vivian, Gott sei Dank.“ Ich warf meiner Mutter einen entschuldigenden Blick zu und verschwand mit dem Telefon in meinem Zimmer.

      Und dann telefonierten wir eine ganze Stunde lang. Es gab so viel zu besprechen, zu überlegen, zu entscheiden. Z.B. suchten wir auch noch immer nach irgendeiner ganz banalen Erklärung für unser Erlebnis. Also eigentlich war ich es, die suchte. Vivian hatte sich offenbar schon eher damit abgefunden, dass es sich um wirklichen „Alien – Kontakt“ gehandelt hatte. Wir überlegten auch ganz ernsthaft die Frage, welche Vorteile oder Nachteile es haben würde, wenn wir doch unsere Eltern einweihen würden. Schließlich einigten wir uns darauf, dies nach einem erneuten Versuch zu entscheiden. Vivian kam dann auf die Idee, ihren Onkel Josef zu besuchen. Er war Physiker und Professor an der Uni und irgendwie glaubte Vivian, er könnte uns Erklärungen liefern. Allerdings galt es selbstverständlich zu vermeiden, die ganze Geschichte zu erzählen. Wir müssten es so verpacken, als handelte es sich um eine Geschichte, die wir von irgendjemand gehört hätten, oder vielleicht hatten wir sie in einem Buch gelesen. Und es könnte uns ja schließlich interessieren, ob so was möglich war. Oder wir würden ihn zu seiner Meinung befragen über die Möglichkeit, dass es Außerirdische gab und ob man über einen Recorder mit ihnen reden könnte.......................ach nein, das war wohl doch zu verrückt. Womöglich würde er sich mit Vivians Eltern in Verbindung setzen und sie fragen, ob seine Nichte vielleicht zu viel Science – Fiction - Filme sieht. Im Grunde waren wir doch ziemlich ratlos. Während des Telefonats hörte ich im Hintergrund Marvins Stimme: „komm mal, Vivi (so nannte er seine Schwester häufig, was dieser gar nicht gefiel), das musst du sehen, schnell!“ Vivian brüllte: „Lass mich in Ruhe! Du siehst doch, dass ich gerade telefoniere!“ Aber ihr Bruder gab nicht auf, er zerrte sie jetzt offenbar vom Telefonhörer weg und rief immer noch ganz hysterisch: „Jetzt komm mal, schnell! Du kannst doch gleich weiter telefonieren!“ Daraufhin brüllte sie ins Telefon: „Ich ruf gleich wieder an!“ und legte auf.

      Dieser Marvin! Immer musste er einen stören! Ich war so froh, dass ich keinen kleinen Bruder hatte. Ich ging in die Küche, holte mir ein Glas Saft und warf kurz einen Blick ins Arbeitszimmer meiner Mutter. Sie saß am Computer und schaute auf. Ja? Schien ihr Blick zu fragen. Aber ich sagte nur: „Schon gut.“ Ich sah natürlich, dass sie vollkommen in ihrer Geschichte war, diesen Blick kannte ich, und in solchen Momenten durfte man sie nur ganz ausnahmsweise stören, wenn z.B. ein Ufo landete oder ähnliche außergewöhnliche Dinge passiert waren. Wenn ich geahnt hätte, wie nah ich mit diesem Gedanken an der Wirklichkeit war.....................

      Aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich ging mit meinem Glas Saft wieder in mein Zimmer zurück und schaute auf das Telefon. Sie wollte doch gleich wieder anrufen! Warum dauerte das denn so lange? Ich wurde ungeduldig. Was hatte dieser unmögliche Marvin nur wieder angestellt, dass er seine Schwester so lange mit Beschlag belegte. Ich begann lustlos meine Buntstifte zu sortieren. Sie waren nämlich ziemlich durcheinander, seit Jessica von oben, die vor zwei Tagen kurz bei mir spielen war, damit gemalt hatte. Jessica war acht, und manchmal, wenn sie sich langweilt, klingelt sie bei mir. Und manchmal, wenn ich mich auch langweile, darf sie bleiben. Als ich gerade den kobaltblauen Buntstift neben den marineblauen legen wollte, klingelte das Telefon. Ich nahm den Hörer ab und wollte mich gerade bei Vivian beschweren, dass es so lange gedauert hat, aber ich kam gar nicht zu Wort. Eine total aufgeregte Stimme Vivians brüllte in den Hörer: „Du musst sofort rüberkommen! Aber zieh nichts Rotes an!“ und legte auf. Ich glaubte mich verhört zu haben. Was war denn das? War meine Freundin jetzt völlig übergeschnappt? Ich griff wieder zum Telefon. Also wenn sie schon solche merkwürdigen Anweisungen