null Dhamilha

Jana und Vivian auf Sirius


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– gelben Pulli. Jetzt soll ich mich auch noch umziehen! Was für ein verrückter Gedanke! Unschlüssig wählte ich Vivians Nummer. Besetzt! Mist! Also gut. Ich öffnete den Kleiderschrank und suchte nach Kleidung in anderen Farben. Als ich gerade eine blaue Hose und ein ebenfalls blaues T-Shirt anziehen wollte, kam meine Mutter ins Zimmer.

      „Jana, ich habe eine Bitte. Könntest du vielleicht noch schnell zum Bäcker laufen und Brot mitbringen? Ich koche heute Abend nicht, der Papa kommt sowieso später, und ich dachte, wir beide machen uns ein paar leckere Käsebrote und essen einen Salat dazu.“ „Aber ich muss sofort zu Vivian!“ „Du musst?“ fragte meine Mutter stirnrunzelnd. „Ach bitte, Mama, wirklich! Es ist wichtig. Kannst du nicht das Brot holen?“ Meine Mutter erblickte jetzt erst die Kleidungsstücke in meinen Händen und sagte: „Scheint ja eine wichtige Angelegenheit zu sein, dass du dich dafür sogar noch umziehen musst.“ Damit ging sie aus meinem Zimmer und rief aus dem Flur: „Sei bitte um sieben zu Hause!“

      Gott sei Dank! Ich zog in Windeseile die blauen Sachen an, griff nach meinem Schlüssel und stürzte aus der Tür. Ich wusste zwar nicht warum, aber irgendwie war ich aufgeregt. So hatte ich Vivian noch nie erlebt. Sonst war sie eher die Langsamere von uns beiden, phantasiebegabt, verträumt, nicht so hektisch und überstürzt, wie sie mir gerade am Telefon vorkam. Den Grund dafür sollte ich bald erfahren.

      Als ich auf die Straße trat, schien irgendwie die Luft zu flimmern, so als sei es sehr heiß. Kennt ihr das? Im Sommer, wenn es sehr warm ist und man schaut in die Ferne über einer Landstraße zum Beispiel, dann flimmert die Luft so komisch, so als wäre es Wasser. Ganz so schlimm war es jetzt nicht, aber auch nicht so normal wie sonst. Mit schnellen Schritten hastete ich über die Straße und klingelte bei Albrecht. Die Tür flog sofort auf, eine völlig aufgelöste Vivian zog mich blitzschnell ins Innere, machte die Tür schnell zu und zog mich durch den langen Flur nach hinten, durch das Wohnzimmer auf die Terrasse. Dabei legte sie mir die Hand auf den Mund, als erwarte sie, dass ich laut aufschreien würde.

      Fast hätte ich genau das auch getan. Der Anblick, der sich mir bot, war einfach zu phantastisch: Marvin stand dort ganz still, er schaute unsicher, aber auch irgendwie vertrauensvoll auf die beiden Wesen, die vor ihm standen, sie waren nur unwesentlich größer als er, Eines war gerade damit beschäftigt, Marvins blonde Locken durch seine handähnlichen Greifer zu ziehen und schaute interessiert auf das weiche, hellblonde Haar.

      Sie trugen eine Art Anzug aus einem Material, das wie Metall glänzte, aber ganz weich zu sein schien. Ihre Köpfe waren lang und ein bisschen tropfenförmig, ihre Augen riesengroß, sehr tief, glänzend und irgendwie weise. Es sah aus, als wären sie von einem schwachen Licht umgeben, die Luft um sie herum schwirrte und bewegte sich leicht. Schwach konnte man bei jeder ihrer Bewegungen die Farben des Regenbogens sehen, die sie umgaben. Vivian hielt mich an der Hand, sie deutete mit dem Finger auf den Garten, und jetzt sah ich es: das Raumschiff. Es war klein, fast durchsichtig, und es schwebte zwischen den beiden Birken, unter denen wir im Sommer oft saßen. Keiner sagte ein Wort. Marvin drehte sich zu uns um, er schien ganz im Bann dieser Wesen zu stehen, sein Gesichtsausdruck war verklärt, irgendwie friedlich und kein bisschen ängstlich. Er flüsterte in meine Richtung: „sie mögen kein Rot.“

      Dann kam einer der beiden Außerirdischen auf uns zu. Wobei er mehr schwebte, als ging. Er oder sie? Kam ganz nah, berührte vorsichtig Vivians Hand und sagte mit einer sehr klaren und melodischen Stimme: „Guten Tag, Viviane, ich bin Xenox. Ihr habt uns gerufen.“ er sagte Viviane, mit der Betonung auf dem an, es hörte sich fast ein wenig französisch an. Vivian machte den Mund auf und wieder zu, schaute mit einem fragenden Blick zu mir und stammelte dann: „Ähmmm......gerufen?“

      Xenox schaute jetzt sehr aufmerksam zu mir, eine Frage stand in seinen glänzenden Augen, die, ohne zu blinzeln freundlich auf mich gerichtet waren. „Wir haben nur gespielt“, stammelte ich unsicher und spürte dabei, wie meine Hände feucht wurden. Ich hatte einen Kloß in der Kehle. Mein Gefühl sagte mir zwar, dass ich keine Angst zu haben brauchte, aber trotzdem fühlte ich mich unbehaglich. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie das andere Wesen und Marvin zu uns herüber kamen. Marvin lächelte, schaute stolz zu seiner Schwester und sagte: „Dies ist Soheiko. Meine Schwester Viviane“ Und dann mit aufgeregter Stimme zu mir: „Ich kann mit ihm reden, ohne dass er spricht. Ich höre es in meinem Kopf, wenn er etwas zu mir sagt.“ Vivian und ich schauten uns an, Marvin sah von einem zum andern, die beiden Wesen schauten zuerst auf uns, dann einander an, und auf einmal fingen sie an zu lachen. Ja! Es war unglaublich! Sie lachten ein fröhliches, kehliges Lachen, es hörte sich wunderschön an, und wir mussten einfach mitlachen, es war ansteckend. Man konnte sich gar nicht dagegen wehren.

      So standen wir da auf der Terrasse der Familie Albrecht, wir drei und zwei Außerirdische und lachten ausgelassen! Es war völlig phantastisch. „Zwick mich mal“, raunte ich Vivian zu. Marvin fing plötzlich an, wie verrückt zu plappern, Fragen zu stellen. „Wer seid ihr? Woher kommt ihr? Wieso habt ihr uns verstanden? Wo wir doch eine Phantasiesprache benutzt haben. Wie fliegt das Raumschiff? Darf ich mal mitfahren?“ Und so weiter und so weiter. Bei diesem Sturm von Fragen mussten Xenox und Soheiko noch mehr lachen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatten. Schließlich wurden wir alle ruhiger. Eines war klar: das Eis war gebrochen. Xenox strich Marvin über den Kopf und sagte: „Wir kommen von Sirius. Die anderen Fragen beantworten wir später. Jetzt müssen wir fort. Erzählt nichts von uns. Die meisten Menschen kennen uns noch nicht. Sie fürchten sich vor uns. Bis bald.“ Die Beiden schauten uns der Reihe nach freundlich an und dann schwebten sie blitzschnell zu ihrem Raumschiff, welches für den Bruchteil von einer Sekunde in schwachem Regenbogenlicht aufleuchtete und dann lautlos verschwand.

      Da standen wir! Völlig benommen! Wie gelähmt! Fast ein wenig traurig. Ja! Es war unwirklich! Hatten wir geträumt? Marvin sah aus, als würde er gleich losheulen. Er nahm die Hand seiner Schwester und sagte ganz leise, mit weinerlicher Stimme: „Aber sie sollen wiederkommen!“ Vivian schluckte. „Ja.“ Sagte sie. „Sie werden wiederkommen. Ganz bestimmt.“ Sie sah mich an, ich nickte. Reden konnte ich noch nicht. Zu sehr hatte mich dieses Erlebnis gefangen genommen. Wie sollte man das jemandem erklären? Nein! Wir sollten es niemandem erklären. Auch nicht den Eltern! Das würde schwer werden.

      Der Wind frischte auf, es begann zu regnen. Wir erholten uns nur langsam, alle drei waren wir still, schweigsam, nachdenklich. Wir gingen ins Haus, in Vivians Zimmer setzten wir uns auf den Fußboden. Wir schauten einander an, ratlos. Marvin begann wieder, seine Fragen zu stellen. Wir suchten gemeinsam nach Antworten. Wo liegt Sirius? Waren es jetzt zwei Männer, Frauen, Kinder? Wieso sprachen sie unsere Sprache. Unsere Unterhaltung wurde lebhafter. Wir suchten nach Erklärungen, phantasierten uns eine Welt auf Sirius, stellten uns vor, dass wir sie dort besuchen würden, und malten uns allerhand Unwahrscheinliches und Phantastisches aus. Dann hörten wir, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Wir verstummten, Marvin legte den Finger auf den Mund, wie nach unserem ersten Weltraumkontakt. Ja! Wir würden schweigen. Und bei nächster Gelegenheit versuchen, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Das war klar!

      Und nun begann die verrückteste Zeit meines Lebens. Alle drei hatten wir gemerkt, dass der Kontakt mit den Bewohnern von Sirius uns verändert hatte. Wir waren ernsthafter geworden. Aber auch irgendwie ausgeglichener, friedlicher. Marvin bekam keine Tobsuchtsanfälle mehr, wenn ihm etwas nicht passte. Vivian war nicht mehr so unerklärlich traurig. Ich hatte das Gefühl, die Welt wie durch ein Vergrößerungsglas zu sehen. Alles war deutlicher, klarer. Ich wusste oft, was gleich passieren würde. Ich konnte manches Mal wahrnehmen, was andere Menschen dachten oder fühlten. So gerne hätte ich alles meiner Mutter erzählt. Sie sah mich ein paarmal mit prüfendem Blick an, als ahnte sie irgendetwas, sie fragte mich aber nicht.

      Sirius

      Vivian, Marvin und ich ließen uns von herbeigeeilten, bunt gekleideten, kleinen, fröhlichen Sirianern aus der Kutsche helfen. Dabei lachten und schnatterten sie ununterbrochen in einem Kauderwelsch, das uns irgendwie bekannt vorkam. Hörte es sich nicht genauso an wie unsere ausgedachte Phantasiesprache? Ich fing Vivians Blick auf – ich sah, dass sie das Gleiche gedacht hatte. Und ich sah ein Fragezeichen in ihrem Gesicht. In diesem Moment fragte Marvin mit aufgeregter Stimme: „Wieso redet ihr so komisch? Das ist unsere Spielsprache!