Edgar Sigmanek

Sally - Magierin wider Willen


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berichtet, du seiest durch blanke Willenskraft zu uns gekommen. Du musst große Zauberkräfte in dir tragen, wenn du dies vermagst.”

      Sally wurde etwas unwohl zumute, fasste sich dann aber schnell und begann zu berichten:

      ”Es stimmt, dass ich von einer anderen Welt komme und ja, es stimmt auch, dass ich eigentlich nicht weiß, wie ich zu euch gekommen bin. Ich lag auf meinem Bett und habe geträumt und dann ist es einfach passiert, ich erwachte auf der Wiese, wo ich Elmona kennen gelernt habe.”

      “Kennen gelernt ist gut”, bemerkte Belonia, “du hast ihr immerhin das Leben gerettet!”

      “Aber das ist doch unabsichtlich geschehen, wenn ich auch zugeben muss, dass ich es in dem Moment sowieso versucht hätte, in dem ich erkannt hätte, dass es sich nicht um ein Insekt handelt, um das sich die Vögel streiten.”

      “Vielleicht ist es ja diese Unbedarftheit, die dir letztendlich zum Sieg über Saldera verhelfen wird. Es haben schon viele vor dir versucht, aber alle sind bisher gescheitert und wurden versklavt, haben dadurch die Macht Salderas immer mehr gestärkt.”

      Plötzlich hörte Sally Schritte aus der Richtung der Treppe und als sie sich umdrehte, erkannte sie Schnurz und Ziofotta, die ängstlich ihre Köpfe um die Ecke steckten. Nun konnte sie keine Macht der Welt mehr auf ihrem Stuhl halten. Sie sprang auf und stürmte ihren Freunden entgegen. Fast hätte sie Ziofotta umgerannt, so groß war ihre Freude, sie unbeschadet wiederzusehen. Sie umarmte sie herzlich und beugte sich anschließend liebevoll zu Schnurz herunter.

      “Ich dachte schon, du würdest mich zu Tode trampeln.”

      Schnurz brachte nur mühsam die Worte hervor und wenn man genau hinsah konnte man bemerken, das eine kleine Träne aus seinem Auge quoll. Sally aber überhörte den Unterton und nahm Schnurz liebevoll in die Hände, um ihn an ihrer Wange zu liebkosen.

      “Wenn du so weitermachst, werde ich erstickt sein, bevor du uns auch nur annähernd erzählen kannst, wie du es geschafft hast, die Bergtryaden auf deine Seite zu bringen.”

      Schnurz versuchte seine Gefühle zu überspielen, aber Sally bemerkte wie nah es auch ihm ging, dass ihr Irrweg durch die Stollen der Unterwelt zu einem glücklichen Ende geführt hatte.

      “Wollt ihr dort den ganzen Tag herumstehen oder stellst du mir vielleicht deine Gefährten vor?”, fragte Belonia mit einem verschmitzten Lächeln.

      “Entschuldige bitte, ich war so überglücklich, meine Freunde wieder zu sehen, dass ich ganz vergaß, sie dir vorzustellen.”

      Sally machte ihre Freunde mit Belonia bekannt und alle setzten sich an den Tisch, Schnurz natürlich direkt neben Sallys Teller, darauf wartend, die besten Happen von ihr zu bekommen. Belonia duldete dieses Verhalten, kannte sie doch die Beschützer der Elfen sehr gut.

      Nachdem Sally ihren Freunden berichtet hatte, was ihr geschehen war, ergriff Belonia das Wort.

      “Liebe Sally, wie du sicherlich gehört hast, ist es bisher noch niemanden gelungen, wieder aus unserem Reich zurückzukehren.”

      Alle hielten bei diesen Worten den Atem an.

      “Nun, ich muss dir sagen, dass dies nicht ganz der Wahrheit entspricht. Wir treffen uns regelmäßig geheim mit den Elfen und haben das Abkommen getroffen, dass sie verbreiten sollen, dass es bisher noch niemandem gelungen ist, das Reich der Bergtryaden zu verlassen. Wir haben früher häufig aus allen Teilen des Landes Besuch bekommen und trieben regen Handel. Dann tauchte Saldera auf und schloss ein Packt mit dem Herrscher der Unterwelt. Wir wissen nicht, was sie ihm versprach, aber als Gegenleistung nahm er diejenigen, die uns besuchen wollten gefangen und versklavte sie. Die Seele der Gefangenen aber schenkte er Saldera. Du hast ja selbst einige von ihnen leiden sehen, als man dich zu uns gebracht hatte. Obwohl man bemerkte, dass nicht mehr alle Besucher wieder zurückkamen, schickte man immer wieder neue Händler zu uns.

      Daraufhin beschlossen wir einen kleinen Trick anzuwenden. Wir ließen durch die Elfen verbreiten, dass wir Bergtryaden selbst die Leute, die zu uns kommen gefangen halten und sie nicht wieder gehen lassen. Waren die Leute vorher bereit, jedes Risiko auf sich zu nehmen, uns zu besuchen, vermieden sie es von nun an, dachten sie doch, sie wären hier nicht mehr willkommen.

      So sehr es uns auch schmerzte, wir mussten einfach zu diesem Mittel greifen. Seitdem leben wir hier in Abgeschiedenheit, ohne das es jemals wieder jemand versucht hat, uns zu besuchen. Ihr müsst mir versprechen, dass, solange Saldera nicht besiegt ist, diese Legende aufrechterhalten bleibt. Es wäre der sichere Tod für viele gutmütige Leute, die es nur gut mit uns meinten und uns helfen wollten.

      Aber lasst uns nun über unser weiteres Vorgehen beratschlagen. Ich war ziemlich überrascht, über was für eine Macht du zusammen mit dem Kristall gebietest. Als wir den Kristall in alten Geheimfächern entdeckten, wusste niemand etwas mit ihm anzufangen. Jahrzehntelang diente er nur als Tischschmuck, bis Montanella, du bist ihr bestimmt vorgestellt worden, Fähigkeiten entdeckte, die bisher niemand bemerkt hatte. Viele Elfen versuchten immer wieder, dem Kristall weitere Geheimnisse zu entlocken, aber niemandem ist es bisher gelungen. Dir ist es als Erste gelungen, solche Energien freizusetzen und damit selbst dem Herrscher der Unterwelt zu trotzen.”

      “Aber ich weiß doch noch nicht einmal genau, wie ich das gemacht habe”, versuchte Sally zu widersprechen.

      “Es kommt nicht nur darauf an, dass man weiß, wie man den Kristall einsetzen muss, entscheidend ist, dass du die Kraft besitzt, seine Energien freizusetzen und diese Kraft besitzt du augenscheinlich.”

      Alle hatten gebannt Belonia zugehört, man hätte eine Stecknadel herunterfallen gehört, so ruhig war es nach den letzten Worten geworden.

      “Man hat dir bestimmt von der alten Legende erzählt, die besagt, dass eine große Magierin reinen Herzens kommen und uns vom Bann der bösen Saldera befreien wird. Ich glaube fest daran, dass du diese Magierin bist.

      Denke immer daran, man kann den Zauber des Kristalls nicht erzwingen. Nur wenn der Wunsch aus freiem Herzen mit dem Ziel Gutes zu tun kommt, wird der Zauber freigesetzt und du wirst unbesiegbar sein. Aber begehe nicht den Fehler, den Saldera begangen hat.

      Wenn es auch den Anschein hat, dass du unbesiegbar bist, zu schnell könnte das Böse Macht über dich erlangen und sich deine Macht zu eigens machen und dann sind wir alle verloren. Versuche niemals, den Kristall gegen Unschuldige zu gebrauchen, es würde dein Verderben sein.”

      “Dann sollten wir so schnell wie möglich versuchen, wieder auf unseren Weg zurückzukehren”, warf Sally ein. “Durch den Herrscher der Unterwelt haben wir eine Menge Zeit verloren. Kannst du uns den Weg nach draußen zeigen?”

      Hoffnungsvoll blickten Sally und ihre Gefährten Belonia an.

      “Das ist nicht so einfach”, antwortete Belonia. Wir dürfen uns nicht in die Angelegenheiten des Herrschers der Unterwelt einmischen, dafür lässt er uns in Ruhe. Dein Glück war, dass du mit Hilfe des Kristalls den Weg zu uns gefunden hast, aber wir werden einen Weg finden, euch den Weg nach draußen zu zeigen.”

      Mit diesen Worten endete der offizielle Teil und es begann ein reger Austausch von Informationen. Insbesondere Sally musste immer wieder von ihrer eigenen Welt erzählen, die so fremdartig und unbegreiflich für alle anderen Anwesenden war, dass sie sich selber manchmal wie eine Magierin vorkam. Dabei waren Sachen wie Telefonieren oder Elektrizität noch die am einfachsten zu erklärenden Dinge, die trotzdem niemand verstand. Nichtsdestotrotz war es ein unterhaltsamer Abend, den alle genossen.

      Zu fortgeschrittener Stunde brachte man Sally und ihre Freunde in vorbereitete Quartiere, die sich selbstverständlich auch in Stalagmiten befanden.

      Nachdem sich Sally gewaschen und ein eigens für sie bereitgelegtes Nachtgewand angezogen hatte, legte sie sich ins Bett und war von einem auf den anderen Moment eingeschlafen. Sie fühlte sich so sicher in der Obhut der Bergtryaden, dass sie mit keinem Gedanken an irgendeine Gefahr dachte.

      Schon kurz nachdem sie eingeschlafen war, begann sie zu träumen. Sie saß auf einem riesigen Drachen, der immer wieder Feuer spie, um angreifende schwarze Geier zu vernichten. Aber