Edgar Sigmanek

Sally - Magierin wider Willen


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Geräusche auftauchen, schlagen sie Alarm. Wir wären dann unweigerlich verloren.”

      Sally schaute sich nun etwas genauer um und entdeckte in regelmäßigen Abständen weitere dieser Trichterbüsche. Leise bewegten sie sich zwischen ihnen hindurch. Dann hörten sie abrupt auf. und machten einem steinigen Untergrund platz. Sie hatten die ersten Ausläufer der Berge erreicht. Die Sonne stand nun schon ziemlich tief.

      “Wir sollten uns nach einem Unterschlupf umschauen”, sagte Schnurz. “Es wird gleich dunkel.”

      “Seht mal dort drüben!”

      Ziofotta zeigte schräg nach vorne auf einen Spalt. Als sie sich ihm näherten, stellten sie fest, dass er gerade mal groß genug war, dass man sich hindurchzwängen konnte.

      “Wenn wir Glück haben, befindet sich eine Höhle hinter diesem Spalt.” Mit diesen Worten wollte Sally sich schon einmal durch den Spalt zwängen, um nachzuschauen, was sich dahinter befand.

      “Du hast Recht”, sagte Schnurz, “mit ein bisschen mehr Glück läufst du auch gleich einem Bokra in die Arme und bereicherst ihn um ein Abendessen.”

      “Entschuldige, ich habe nicht daran gedacht. Es fällt mir einfach unheimlich schwer, ständig darauf gefasst zu sein, hinter jeder Ecke in eine Falle zu laufen. Wo ich herkomme, brauche ich mich um so etwas nicht zu kümmern. Dort gibt es solche Gefahren nicht.”

      “Das muss ein bemerkenswerter Ort sein”, seufzte Schnurz.

      “Oh, ich glaube nicht, dass dir dieser Ort gefallen würde”, sagte Sally.

      “Aber warum denn nicht?”, fragte Schnurz erstaunt.

      “Naja, nicht jeder in meiner Welt ist so freundlich zu Mäusen. Um ehrlich zu sein, die meisten versuchen sogar, sie auszurotten. Außerdem können die Mäuse bei uns nicht sprechen und sind noch ganz anderen Gefahren ausgesetzt. Ständig müssen sie auf der Hut sein, nicht von einer Katze, einer Eule oder einer Schlange gefressen zu werden.”

      Fassungslos starrte Schnurz Sally an. “Aber dass kann doch nicht wahr sein! Wisst ihr denn nicht, was für ein liebenswürdiges Volk die Mäuse sind?”

      “Könnt ihr euren Streit nicht später fortführen?”, drängte Ziofotta. “Man kann ja kaum noch die Hand vor Augen erkennen.”

      In der Höhle

      Plötzlich hatte Sally eine Idee. “Ich werde den Kristall benutzen”, sagte sie und holte ihn hervor. “Bitte sei vorsichtig”, erinnerte Ziofotta.

      “Mach dir keine Sorgen, ich habe lange geübt und weiß, wann ich mich wieder lösen muss.”

      Mit diesen Worten schloss sie ihre Hand um den Kristall und konzentrierte sich auf seine Kraft. Sie schloss die Augen und der Kristall begann zu pulsieren. Dann befand sich ihr geistiges Auge wieder über der kleinen Gruppe. Sie konzentrierte sich darauf, zwischen den Spalt in die Höhle einzudringen. Sally erwartete Dunkelheit, aber die sie umgebende Aura erleuchtete die nähere Umgebung. In der Höhle war es still, nur hier und da bemerkte sie das Krabbeln kleiner Käfer. Sonst konnte sie nichts weiter feststellen. Es schien keine Gefahr von ihr auszugehen. Sally kehrte in Gedanken zurück und öffnete ihre Augen.

      “Es ist alles in Ordnung, dort drinnen sind nur ein paar Käfer, sonst nichts. Wir sollten aber ein bisschen Holz sammeln, damit wir drinnen ein Feuer machen können. Es dürfte sonst ziemlich dunkel werden.”

      Schnell waren ein paar Äste gesammelt, dann gingen sie gemeinsam in die Höhle. Jetzt, wo sie nicht als Geist unterwegs war, umgab sie nicht mehr die leuchtende Aura und es war stockdunkel in der Höhle. Sally kramte die Holzstäbe der Feuerpflanze hervor und begann die Stäbe aneinander zu reiben. Sofort leuchteten sie hellrot auf und verströmten Wärme. Sally hielt sie zwischen die Äste, die schnell Feuer fingen und die Höhle flackernd erhellten. Die Schatten, die ihre Körper an die Wände warfen, riefen unangenehme Erinnerungen in ihr wach.

      “Lass deine Gedanken nicht abgleiten, sonst nehmen die Schatten Gestalt an und erlangen Macht über dich”, warnte Schnurz. “Du musst dagegen ankämpfen, dann verschwinden sie auch wieder.”

      Aufgerüttelt durch die Warnung von Schnurz versuchte Sally an etwas anderes zu denken. Sie stellte sich vor, über eine Wiese bei hellem Sonnenschein zu gehen. Und wirklich verblassten sie langsam und übrig blieben die normalen Schatten ihrer Körper.

      “Du hast wirklich Talent”, bemerkte Schnurz. “Willst du immer noch behaupten, dass du keine große Magierin bist? Bisher hat es noch niemand so schnell geschafft, den Schatten zu trotzen.”

      “Ich weiß selber nicht, was mit mir los ist”, antwortete Sally. “Ich denke einfach an etwas und plötzlich wird es Wirklichkeit. So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt.”

      Als sie sich in der nun schon etwas heller erleuchteten Höhle umsahen, entdeckten sie eine kleine Nische, in die sie sich zurückzogen. Von dort hatten sie den Eingang gut im Blickfeld und das Feuer strahlte auch hier noch eine wohlige Wärme aus. Dann holte Sally das Essen hervor. Als sie die Schachtel öffnete, roch es in der ganzen Höhle nach Salami und frischem Brot. Sie breitete ihr Tuch aus und zerbröselte etwas Brot für Schurz. Dann schnitt sie noch etwas von der Salami ab und legte es dazu. Schnurz musste sehr hungrig sein, denn sofort stopfte er sich den Mund voll mit dem köstlichen Brot, so dass er wie ein kleiner Hamster aussah und man seine kleinen Wangenknochen beim kauen sehen konnte. Die Salami rührte er erst nicht an, sondern schnupperte neugierig daran.

      “Greif ruhig zu, oder denkst du vielleicht, ich will dich vergiften?”, fragte Sally mit leichtem Spott in der Stimme.

      Schnurz wollte sich keine Blöße geben und antwortete: “Ich genieße nur das Aroma dieser Köstlichkeit, bevor sie in den Tiefen meines Magens verschwindet.” Sally musste laut loslachen und als Ziofotta in das Gelächter einstimmte konnte auch Schnurz nicht mehr an sich halten. Er prustete laut los und hätte sich fast noch an den Brotkrumen verschluckt, die er noch im Maul hatte.

      Es war ein befreiendes Lachen nach all den Strapazen, das ihnen neue Kraft gab und ihre Zuversicht stärkte. Schließlich aßen sie mit großem Appetit weiter, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob in ihrer Nähe irgendwelche Gefahren lauern könnten.

      Als sie schließlich zu Ende gegessen hatten, wollte Sally auf altbekannte Weise die Reste des Essens entsorgen und sah sich hilflos um.

      “Am besten, du schüttest die Krümel in das Feuer, dort werden sie verbrennen. Ich möchte nicht in der Höhle sein, wenn die Kungus kommen, um ihre Arbeit zu verrichten. In dieser Enge könnten sie uns aus Versehen für Abfall halten. Unsere Reise hätte dann ein vorzeitiges Ende”, sagte Schnurz und man merkte es ihm an, dass er es Ernst meinte.

      Sally schüttete gehorsam den Rest ihrer Mahlzeit ins Feuer, wo es knisternd in Flammen aufging. Dann gesellte sie sich zurück zu ihren Kameraden.

      “Wisst ihr, was ich komisch finde?”, fragte Sally. “Die Höhle ist recht überschaubar und wir haben keinen weiteren Weg gefunden. Normalerweise müssten wir schon längst durch den Rauch unseres Feuers erstickt sein. Oder habt ihr eine Öffnung in der Decke entdeckt?”

      “Ja, wirklich, jetzt wo du es sagst, das hätte mir auch schon auffallen müssen. Wir sollten versuchen herauszufinden, wo der Rauch bleibt, damit wir über Nacht keine unangenehme Überraschung erleben”, antwortete Schnurz und trippelte los, den Kopf schräg nach oben gerichtet, um herauszufinden, wohin der Rauch abzog.

      Die Decke der Höhle war ziemlich hoch, doch sie entdeckten wenige Meter über sich den Rauch des Feuers wie Nebelschwaden. Erst bei genauerem hinsehen konnte man eine gewisse Richtung in den Bewegungen des Rauches erkennen. Mit erhobenem Kopf liefen auch Sally und Ziofotta los, um zu erkunden, wo er blieb.

      “Passt bloß auf, dass ihr nicht aus Versehen auf mich tretet”, rief Schnurz den Beiden zu. Berechtigterweise, denn Sally hatte gerade ihren Fuß nur wenige Zentimeter neben ihm abgesetzt.

      “Entschuldige bitte”, sagte sie mit betretenem Gesicht. Dann teilte sich der Rauch an der Decke