Edgar Sigmanek

Sally - Magierin wider Willen


Скачать книгу

kann er uns denn nicht verfolgen?”

      Ängstlich schaute Sally in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

      “Das ist unmöglich”, antwortete Schurz. “Sieh nur zur Erde.”

      Wie durch ein Wunder waren keine Spuren zu sehen.

      “Aber wie ist das möglich?” fragte Sally.

      “Bis zu einer Meile um den Wald herum wirkt noch der Zauber Elmonas. Sie hat die Spuren und Gerüche, die wir hinterlassen haben verwischt. Niemand wäre in der Lage, unsere Spuren zu verfolgen. Darum auch das wütende Geheul des Relux”, erklärte Schnurz.

      Vorsichtig setzten sie ihren Weg fort, immer wieder anhaltend, um nach fremdartigen Geräuschen zu lauschen, aber nichts Bösartiges stellte sich ihnen in den Weg.

      Nachdem sie zwei Stunden gegangen waren, legten sie eine kurze Rast ein. Sally holte die Schachtel mit den Esswaren hervor und öffnete sie. Sofort stieg ein Duft nach gebratenem Hähnchenfleisch auf. Allen lief das Wasser im Mund zusammen.

      Sie breitete ein kleines Tuch aus und verteilte an Ziofotta und Schnurz die leckeren Sachen. Mit großem Hunger aßen sie und Sally musste noch zweimal in die Schachtel greifen, bis endlich alle satt waren.

      Dann schüttelte Sally das Tuch aus und verstaute alles wieder sorgfältig im Rucksack. Plötzlich brodelte die Erde, dort, wo sie die Krümel hingeschüttet hatte.

      “Schnell weg hier!”

      Schnurz‘ Stimme überschlug sich fast, sorgte aber dafür, dass Sally und Ziofotta schnell losrannten. Keine Sekunde zu spät, denn dort, wo sie gerade noch gestanden hatten, bildete sich ein Trichter und verschlang alles in der Nähe Befindliche. Er verschwand genauso schnell, wie er sich gebildet hatte und nichts zeugte mehr von diesem unheimlichen Schauspiel.

      “Was war denn das?”, fragte noch immer am ganzen Leib zitternd Ziofotta. “Das waren Kungus, der Mülleimer der Natur. Überall wo Reste übrig bleiben, erscheinen sie und sorgen dafür, dass sie verschwinden. Sie haben nichts mit Saldera zu tun, unterscheiden aber auch nicht zwischen gut und böse. Ihre einzige Aufgabe ist es, für Sauberkeit zusorgen. Ihr solltet das nächste Mal ein bisschen besser aufpassen, wo ihr unsere Essensreste hinschüttet”, sagte Schnurz.

      Noch ganz verstört machten sie sich wieder auf den Weg. Nach weiteren drei Stunden Fußmarsch, gelangten sie schließlich an einen kleinen Bach, der ruhig dahinfloss.

      “Wir sollten eine kleine Rast einlegen”, schlug Schnurz vor, der sich in seiner kleinen Behausung streckte und reckte. Offensichtlich wollte er sich ein wenig die Pfoten vertreten.

      “Oh ja”, sagte auch Sally, “Mir tun schon richtig die Füße weh. So lange Strecken bin ich schon lange nicht mehr gelaufen. Zu Hause fahre ich meistens mit dem Fahrrad oder dem Bus.”

      “Fahrrad oder Bus?”, fragte Ziofotta ungläubig, “was ist das?”

      Geduldig erklärte Sally was ein Fahrrad und ein Bus ist und Ziofotta hörte zwar aufmerksam zu und nickte hin und wieder, verstand aber offensichtlich nicht so richtig, was Sally meinte, denn sie fragte zum Schluss, wie viel Drachen benötigt werden, um dieses Gefährt zu bewegen.

      Wenigstens war ihr klar geworden, dass es sich um ein Fortbewegungsmittel handelt.

      Mittlerweile hatte Sally die Schuhe ausgezogen, um ihre Füße ein wenig in dem Wasser des Baches abzukühlen. Gerade als sie die Füße hinein halten wollte rief Schnurz in panischer Angst zu Sally hinauf:

      “Nicht das Wasser berühren! Du würdest es nicht überleben!”

      Erschrocken zog Sally die Füße zurück.

      “Wie meinst du das?”, fragte sie erstaunt.

      “Das will ich dir zeigen!”, erwiderte Schnurz und machte sich daran, einen Käfer, der vor ihm über die Erde krabbelte ins Wasser zu befördern. Dieser schien jedoch die Gefahr zu wittern und strampelte wie wild mit seinen sechs Beinen, doch es half nichts. Mit einem kräftigen “Juuuuup” beförderte Schnurz ihn ins Wasser.

      Der Käfer hatte kaum die Wasseroberfläche berührt, als auch schon aus allen Richtungen hunderte Tentakel nach ihm griffen und fortzerrten.

      “Es ist aber auch wirklich gefährlich hier außerhalb des Schlosses”, bemerkte Ziofotta kopfschüttelnd.

      “Es tut mir leid”, sagte Schnurz kleinlaut. “Ich hätte daran denken müssen, euch zu warnen.” Vorsichtshalber setzten sich die drei ein paar Meter weit entfernt vom Wasser in das trockene Gras und nahmen einen kleinen Imbiss zu sich.

      “Wir sollten aufbrechen, damit wir heute noch ein gutes Stück weiterkommen”, schlug Sally vor. “Es wird bald dunkel und bis dahin müssen wir einen sicheren Unterschlupf für die Nacht finden.”

      “Du hast Recht” pflichtete Ihr Schnurz bei. “Die Nächte können ungemütlich werden, wenn man auf offener Flur übernachten muss. Es treibt sich so einiges Getier unter dem offenen Nachthimmel herum.”

      Schnell packten sie ihre Sachen zusammen und mit Bedacht schüttete Sally die letzten Krümel ihres Essens ein wenig entfernt auf die Erde und entfernte sich dann schnell. Wie schon zum Mittagsmahl erschienen die Kungus und binnen weniger Sekunden verschwanden die Reste und der Boden war wieder sauber.

      “Du lernst schnell”, sagte Schnurz anerkennend.

      “Der reinste Selbsterhaltungstrieb”, antwortete Sally.

      “Können wir denn nun endlich losmarschieren?”, fragte nun Ziofotta ungeduldig.

      Sally streckte ihre Hand aus, um Schnurz raufkrabbeln zu lassen und half ihm vorsichtig in die Tasche. Es war schon ein komisches Gefühl, in der Gesellschaft einer Maus, die noch dazu sprechen kann, durch die Gegend zu ziehen, um einen so mächtigen Feind zu besiegen. Dann gingen sie los, den Bach mit einem großen Satz überwindend.

      Fast unmerklich änderte sich das Aussehen der Natur. Die eben noch saftigen grünen Wiesen wichen einer Landschaft mit dornigen Sträuchern und erste kleine Hügel wurden sichtbar. Immer wieder mussten sie den Sträuchern ausweichen und wenn sie nicht aufpassten, holten sie sich blutige Kratzer. Hier und da raschelte es im Gebüsch und sie konnten kleine fellbehaarte Körper ausmachen, die es sehr eilig hatten, aus dem Sichtfeld der kleinen Gruppe zu verschwinden.

      “Was sind das für Tiere, die da vor uns flüchten?”, fragte Sally.

      “Es sind entfernte Verwandte von mir”, antwortete Schnurz. “Allerdings sind sie sehr scheu, sie mögen keine Fremden. Saldera hat sie eingeschüchtert und ihnen befohlen, jeden Fremden zu melden, der ihnen in den Weg kommt.” “Aber dann sind wir ja verloren!”, rief Ziofotta erschrocken aus.

      “Macht euch keine Sorgen”, beschwichtigte Schnurz. “Sie haben einen Ausweg gefunden, wie sie niemanden verraten müssen. Salderas Zauber besagt, dass sie jeden Fremden verraten müssen, der ihnen zu Gesicht kommt. Das ist aber auch der Grund, warum sie alle vor uns fliehen. Sie vermeiden es absichtlich, uns anzusehen. Es hat sich bei ihnen rumgesprochen, dass wir unterwegs sind, um gegen Saldera zu kämpfen. Sie hoffen, dass wir den bösen Zauber, der über sie gekommen ist endlich brechen und sie wieder ihre angeborene Freundlichkeit zeigen können. Wir sollten also versuchen, uns immer schön vorsichtig zu bewegen und ihnen Zeit lassen, sich zu verstecken.”

      “Wir könnten ja ein kleines Lied singen. Zum einen würde die Zeit schneller vergehen und zum andern würden deine Verwandten uns schon von weitem hören und könnten sich dann schnell verstecken.”

      “Oh, dass ist eine großartige Idee, wir würden keine hundert Meter weit kommen ohne dass uns die Häscher Salderas entdecken würden. Siehst du diesen gelb-braun gescheckten Strauch?”, fragte Schnurz.

      “Meinst du den mit den schönen hellblauen Trichterblüten dort drüben?”

      Sally zeigte auf einen Strauch, der sich ungefähr zehn Meter voraus befand. “Genau den”, antwortete Schnurz. “Und wenn du noch ein bisschen lauter sprichst,