Leeloo Minai

Gott ist ein DJ


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stellte mir das vor: Du wirst eingesperrt, mit Tabletten vollgedröhnt, bis du wirklich nicht mehr weißt, wer du bist, und dann bekommt du von einem Psychiater gesagt, was für ein schlechter Mensch du bist! „Nein danke“, gab ich zurück, „ich gehe nach Hause“. Ich musste noch die Formulare für die Entlassung unterschreiben (für die Rechnung) und das war‘s! Weg war ich.

      Draußen auf dem Gelände wartete ich auf meinen Mann, der mich abholen kam. Ich ließ alles noch mal alles Revue passieren, und stellte fest, dass solche Leute nicht das geringste Interesse an dir zeigen. Du bist ihnen auf Deutsch gesagt scheißegal. Ich sah die Lügen, die Heuchelei, ich sah wie sie einem etwas vorspielen. Die gehen überhaupt nicht auf einen Menschen ein, sie machen sich nicht die geringste Mühe, es zu verstehen. Da belegen sie ein Studium in Psychologie, lernen das Zeugs auswendig (was ja keine Kunst ist), heften sich an die Meinungen anderer und geben das Gesagte weiter, weil es einfach so ist. Keiner macht sich die Mühe, das Gesagte einmal zu hinterfragen! Sicherlich gibt es Ehrliche, die den Menschen verstehen wollen, aber finde die einmal. Es gibt so viele in der Irrenanstalt, die sich verloren haben im Universum, die den Weg nicht zurückfinden. Die könnte man alle zurückholen, würde man einmal auf sie eingehen. Aber nein, die sind alle verrückt, da kann man nur Pharmazeutika beisteuern. Sind die wirklich verrückt? Für uns ja, weil wir das einfach nicht verstehen wollen. Ist es nicht so, dass alles für verrückt erklärt wird, wenn wir keine Erklärung dafür haben? Und alles schiebt man auf die Kindheit ab: „Die Eltern waren schlecht, was kann man anderes erwarten.“ Die Eltern schieben wiederum alles auf ihre Eltern ab, die wieder auf ihre etc. Ein Schuldiger muss her! Frage: Wer ist das?

      Wenn ein Irrer sagt: „Ich bin Napoleon“, lachen alle und antworten: „Das kann nicht sein, du bist nie und nimmer Napoleon.“

      Wer sagt denn, dass er nicht Napoleon ist? Kann man beweisen, dass er nicht Napoleon ist? Die Seele ist unsterblich und schließlich habe ich die Seelen (Lichter) gesehen. Jeder Gedanke schwirrt im Universum herum, ein Gedanke ist unvergänglich. Die Gedanken kommen zu dir zurück. Ich bin bei geistiger Gesundheit, da bin ich mir ganz sicher, aber die Psychologen scheinen das nicht zu kapieren! Es gibt nun mal Dinge, die man nie und nimmer beweisen kann, aber trotzdem wahr sind!

      Es gibt ein Witz über einen Psychologen und einen Irren. Der Psychologe fragt: „Wer hat dir erzählt, dass du Napoleon bist?“

      „Gott hat mir das gesagt“, antwortet der Irre.

      Ein anderer Irrer steht in der Ecke und schaut ganz verdutzt: „Wie bitte? Was soll ich gesagt haben“?

      Mein Mann und meine Tochter kamen. Sie waren überrascht, dass ich nach Hause gehen konnte. Ich erzählte ihnen die ganze Geschichte und dass es mir immer noch mies gehe. Es ging mir dermaßen schlecht, dass wir spontan beschlossen, etwas essen zu gehen. Vielleicht hilft’s, dachte ich (ich hatte immer noch Schwindelanfälle und das Gefühl, ich löse mich auf).

      Gesagt getan. Im McDonalds stand ich in einer Reihe und auf einmal war mir bewusst, dass ich mich in einer „Matrix“ befand. Ich bestellte noch einen Salat und verschwand nach draußen. Ich kriegte Schweißausbrüche. Wem, Herrgott noch mal, konnte ich so was erzählen? Dem Regisseur vielleicht, der den Film gemacht hat? Der war aber nicht da. Wer sollte mir helfen? Nicht mal ich konnte mir das erklären.

      Mein Mann redete auf mich ein. Ich verstand zwar kein Wort, weil ich nur einen Gedanken hatte: Dableiben, dableiben. Ich stampfte, hielt mich an meiner Tochter fest und redete mit ihr irgendwas über die Schule.

      Zuhause rief ich die Frau an und fragte, ob ich vorbeikommen könnte! Notfallmäßig durfte ich zu ihr. Sie wusste alles und sagte: „Das war haarscharf“. Sie holte mich wieder auf den Boden der Tatsache zurück. Und dann wurde ich mal so richtig zusammengestaucht, die Leviten wurden mir von vorn bis hinten vorgelesen! Und dann begriff ich, was ich getan hatte, ich hätte mich beinahe im „Universum“ verloren. Ich war viel zu neugierig, alles wollte ich wissen, immer höher und höher wollte ich, bis es fast zu spät war. Jetzt wollte ich mich wirklich Erden lassen. Dem nicht genug, von der Nachbarin musste ich mir auch so einiges anhören. Die hatten alle Recht, ich sah es ein. Da rennst du zu angeblich professionellen Psychiatern, und wer hilft dir? Deine Familie, deine Freunde (denn das sind die wahren) kurzum dein Umfeld!

      Noch am selben Abend beschloss ich, aufzuräumen. Ich sammelte alle Bücher ein, die mich angeblich verdreht hatten und verbrannte alle an einer Grillstelle (das war mein Wille, es hat mich niemand dazu gedrängt). Feierlich mit einer Flasche Rotwein saßen mein Mann und ich da und betrachteten das Feuer.

      Auch Filme warf ich weg, vor allem einen: „Die Neun Pforten“ (es tat mir ehrlich gesagt schon weh, dies zu tun, gab ich aber nicht zu).

      Mein Mann sagte: „Weißt du, wie ich mich fühlte, als mir der Pfleger von der Irrenanstalt erzählte? Ich musste so handeln, du hast es selbst erfahren müssen, wir alle konnten dir nicht mehr helfen! Wenn es jetzt nicht ‚Klick‘ gemacht hätte, so hätten wir dich halt in der Klapse besucht. Du hättest uns tief reingezogen.“

      Das gab mir zu denken. Du reißt so viele mit in den Strudel (gewisse Bücher sollten wirklich nur auf Rezept zu haben sein).

      Am Abend ging es einigermaßen, außer Herzklopfen war alles normal. Nachts musste mein Mann ganz eng an mir liegen und mich festhalten. Ich traute mich nicht, einzuschlafen, und immer wieder sprach ich zu mir, ganz leise: „Dableiben, ich will dableiben, ich will bei meiner Familie sein.“

      Am nächsten Tag verbrachte ich meine Zeit mit den Kindern in der Stadt. Ich lenkte mich ab, kaufte irgendwas zum Anziehen und genoss die Großstadt. Meine Tochter war souverän. Sie sagte: „Mami, mach dir keine Sorgen, alles wird gut. Hör nur auf, zu lesen.“

      Ich bemühte mich mehr schlecht als recht, mich zusammenzureißen, was mir gelang. Ich half meinen Eltern beim Renovieren. Tapeten abreißen, war angesagt, wie eine wilde riss ich die Tapeten ab. Ich lenkte mich einfach ab. Zwar hatte ich immer noch Schwindelanfälle aber nicht mehr so stark, auch setzte ich mich immer wieder auf den Boden, statt Stuhl, und hielt mich krampfhaft an jedem Grashalm fest. Meine Eltern fragten mich, was bloß mit mir los sei, ich erzähle ihnen ein bisschen davon über die Gefühle, die ich hatte, (kann man nicht in Worte fassen) aber sie versuchten mich zu verstehen. Und sie verstanden es, sie hakten nach, wenn sie was nicht verstanden, alles wollten sie ganz genau wissen. Schon wieder was dazugelernt, ich dachte immer, ich wäre ihnen egal, als ob sie mich nicht mochten, aber das stimmte überhaupt nicht. Sie waren echt erschüttert und empfanden tiefes Mitgefühl. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich, wie sie litten. Zum ersten Mal sah ich hinter ihre Fassade. Meine ganze Kindheit (nur das Gefühl) sah ich wie ein Film an mir vorbeiziehen. Sie konnten gar nicht anders reagieren, sie selber waren gefangen von der Gesellschaft.

      Auch meine Schwester, die ein acht Monate altes Baby hatte, drückte mir die Kleine in die Arme. Sie wusste, dass ich aus der Irrenanstalt kam, ich hätte nie gedacht, dass sie solch ein Vertrauen zu mir hat.

      Ich beschloss, bei meinen Eltern im Garten im Zelt zu übernachten, meine Kinder waren auch dabei.

      Es ging mit zwar immer noch schlecht, aber ich konnte wieder essen. Ich konnte sogar ein Essen genießen. Ich zwang mich, auch morgens zu essen, würgte das Zeug aber einfach herunter und hielt mir den Mund zu. Das ging zwei Tage gut, dann musste ich mein Morgenritual abbrechen. Das Mittagessen klappte. Immer wenn ich das Gefühl hatte, ich löse mich auf, stand ich auf und putzte wie eine Irre oder schnappte die Kinder und kaufte ein. Mein Arzt staunte wegen der Blutwerte: alles perfekt! Ich sah dazu noch toll aus!

      Es folgten einige Tage, oder Wochen? Keine Ahnung. Alles stand still. Alles, aber auch alles stand still. Für mich war das so, als ob es keine Stunden mehr gäbe, keine Tage, keine Wochen, keine Monate. Nichts, als ob die Erde sich nicht mehr drehen würde. Schwierig zu erklären.

      Immer und immer wieder sprach ich zu mir: „Du bleibst jetzt hier, du hast Kinder, einen Mann und eine Familie. Du kommst sofort zurück!“

      Und immer wieder rannte ich auf meinen Spaziergängen, stampfte, schrie und war außer mir (wortwörtlich). Ich schrie mich an (hörte niemand): „Du bleibst jetzt bei mir!“

      Wenn