Martha Neuer

Die Frau aus einem Guss


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kannst doch nicht in diesen Alltagsklamotten am Sonntag in die Kirche gehen! Der rote Pullover ist dir doch zu klein. Wenn dich nun jemand gesehen hat ...“ Die Mutter sah sie traurig an. Alwina schwieg. Der Hund bellte nochmal.

       „Geh jetzt auf dein Zimmer!“

      Alwina ging über den Flur. Auf einmal tat ihr der Bauch ganz schrecklich weh. Sie rannte schnell ins Bad, kniete sich vor die Toilette und erbrach sich. Sie setzte sich neben die Toilette und legte die rechte Hand auf den Bauch. Die Hand kreiste. Irgendwann tat der Bauch nicht mehr ganz so weh. Sie stand auf und ging in ihr Zimmer. Zog die nasse Hose und den Schlüpfer aus. Nahm einen trockenen Schlüpfer aus dem Schrank und zog ihn an. Setzte sich auf ihr Bett.

      Ob sich das Mädchen mit den Zündhölzern so gefühlt hat, als es im Schnee lag und erfror? Alwina war ganz steif. Alles war taub. Sie kniff sich in den Arm, in die Beine und in den großen Zeh. Nichts! Es tat nicht weh! Dann saß sie wieder einfach da. Später stand Alwina auf, nahm ihren Teddy und schüttelte ihn:

      „Du bist doof! Du hättest dich nie trauen sollen! Alle finden dich saudoof! Rita, Mama, Papa und alle anderen auch!“ Sie stampfte mit dem rechten Fuß und schnaubte. Alwina pfefferte den Teddy in den Karton. Dann setzte sie sich wieder hin und starrte auf den Boden. Sprang wieder auf. Trat vor den Karton. Mit einem Knistern gab dieser nach und knickte ein. Sie trat fester zu. Der Karton knickte weiter ein und wurde flacher. Mit Anlauf sprang Alwina nun auf den Karton. Mit einem leisen Knall war der Karton endgültig kaputt. Der Teddy war darin begraben. Alwina warf sich auf ihr Bett und weinte. Irgendwann schlief sie ein.

      Die Kastanien vorm Haus trugen dicke hellbraune Knospen, aus denen hellgrüne Blätter herausragten. Die Blüten der Magnolie gegenüber sahen aus wie dicke schmale Ostereier in rosa. Die Vögel sangen schon viele Stunden. Die Luft war warm und duftete nach Marzipan. Heute sollte Alwina zur Beichte gehen. Morgen war die Kommunion. Sie hatte ein weißes Kleid und einen Kranz aus weißen Plastikblumen bekommen. Eine Kerze gab es auch. Alwina saß in der Kirchenbank und baumelte langsam mit den Beinen. Hier drinnen war es kühl, und es roch nach Weihrauch. Was soll ich nur beichten? Alwina fiel keine Sünde ein. Sie fing an, ihre Hände zu kneten. In der letzten Woche vor den Osterferien gab es unter den Kommunionkindern kein anderes Thema als die Beichte.

      „Mein Bruder hat gebeichtet, wie er einen Frosch aufgeblasen hat. Das ist Tierquälerei!“

       „Meine Schwester hat gebeichtet, wie sie Sabine an den Haaren gezogen hat. Das ist auch eine Sünde.“ „Mein Kommunionkleid ist weiß und hat am Saum eine Rose.“

       „Ha! Mein Haarkranz ist ganz rosa.“

      Unter den Mädchen war ein Wettbewerb um das schönste Kommunionkleid ausgebrochen. Während sie vor dem Raum auf den Pfarrer warteten, wurde geprahlt, bewundert und gestritten. Alwina hatte ganz hinten gestanden und geschwiegen.

      Nur noch ein Mädchen war vor ihr. Alwina wurde heiß und kalt. Das Mädchen kniete im Beichtstuhl und flüsterte:

      „Ich habe mein Weihnachtsgeschenk im Kleiderschrank meiner Eltern gesucht. Als ich es gefunden habe, habe ich es ausgepackt. Es war eine Puppe.“ Das war es! Alwina würde einfach dasselbe beichten! Sie stand auf, ging zum Beichtstuhl, kniete nieder und beichtete mit klopfenden Herzen ihr Vergehen.

      „Drei Ave Maria und ein Vaterunser! Deine Sünde soll dir vergeben sein!“ Das hatten die anderen auch bekommen. Schon den ganzen Samstagnachmittag hörte Alwina diese zwei Gebete. Zurück in der Kirchenbank kniete sie nieder und betete:

       „Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir.“

      Am Sonntag trug Alwina ihr Kleid und den Blumenkranz. Die Mutter hatte sie gekämmt. Dann nochmal gebürstet. Der Blumenkranz wurde drei Mal aufgesteckt und wieder abgenommen, bis die Mutter mit dem Ergebnis zufrieden war. Alwina hielt still. Sie hasste es, gebürstet zu werden. Das ziepte immer so! Und kämmen konnte sie sich schon lange allein.

      An diesem Morgen war sie aufgewacht und hatte sich wieder wie das Mädchen mit den Zündhölzern gefühlt. Tanten und Onkel waren gekommen. Das Haus war erfüllt mit Juchen und Schnattern. Alwina hatte im Sessel gesessen und mit den Beinen gebaumelt. Schon wieder saß sie in der Kirchenbank. Heute roch es viel mehr nach Weihrauch als gestern. Als sie an die Reihe kam, ging sie zum Altar und ließ sich die Hostie auf die Zunge legen. Anschließend kniete Alwina nieder und tat so, als ob sie beten würde. Sie unterdrückte ein Gähnen.

      Weder der Vater noch die Mutter hatten nochmal mit ihr über den Tag ihrer Erstkommunion vor ein paar Wochen gesprochen.

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