saßen an einem kleinen Marmortisch auf der Terrasse des Hotels, tranken Kaffee, und rauchten Zigaretten. Sie hatten die beiden mit Interesse beobachtet.
»Warum haben Sie sich denn vor Ihrem Freund versteckt, Toady?« fragte Sir George Frodmere gelangweilt.
Toady Wilton sah ihn mißmutig an.
»Lassen Sie mich doch in Ruhe!«
»Warum ärgern Sie sich über meine Frage? Es ist doch keine Beleidigung, wenn man Freund eines Millionärs genannt wird!«
»Sie machen schon den ganzen Abend Bemerkungen über mich«, erwiderte Wilton düster. »Ich habe es satt, daß man mich immer zum besten hält. Wenn Sie durchaus wissen wollen, warum ich weggesehen habe, will ich es Ihnen sagen. Ich wollte nicht haben, daß er mich In Ihrer Gesellschaft sieht!«
Sir George lachte leichthin. Er war nicht empfindlich, und die Beleidigung, die in diesen Worten lag, berührte ihn nicht. Er strich seinen kurzen Schnurrbart und betrachtete Wilton wohlwollend durch sein Monokel. Sir George Frodmere war ein hübscher Mann mit frischer Gesichtsfarbe. Ein Typ, wie ihn französische Karikaturisten zeichnen, wenn sie einen charakteristischen Engländer darstellen wollen.
»Mein lieber Toady«, erwiderte er gönnerhaft, »ein Mann, der sein ganzes Leben lang mit Herzögen, Lords und Mitgliedern der Aristokratie verkehren will, sollte etwas höflicher zu einem Baronet sprechen. Ich weiß wohl, daß Ihr Freund prinzipiell etwas gegen mich hat, aber er kann mir nichts vorwerfen, und nach außen hin bin ich jedenfalls immer noch das Musterbeispiel eines englischen Barons. Übrigens ist dieser Stanton eine tadellose Erscheinung«, fuhr er nachdenklich fort. »Er sieht seiner Mutter sehr ähnlich. Ich kann mich noch auf sie besinnen.«
Bei diesen Worten faßte er Wilton plötzlich scharf ins Auge, und Toady wurde unruhig.
»Sie war eine schöne Frau.« Sir George kniff die Augenlider zusammen. »Es ist wirklich schade, daß sie ein so trauriges Leben hatte. Sie ist doch damals ihrem Mann fortgelaufen?«
»Ja«, brummte Toady und schlug vor, jetzt zu gehen.
»Ihre ungeschickte Bemühung, mich abzulenken, beweist mir, daß Sie entweder sehr bescheiden sind und nicht gern über sich selbst sprechen, oder daß Sie ein besonders schlechtes Gewissen haben. Und da ich allzu große Bescheidenheit früher noch nie bei Ihnen bemerkt habe, bleibt nur die zweite Möglichkeit übrig. Sie ist also damals von dem alten Stanton fortgegangen, weil –«
»Sie wissen doch alles ganz genau«, entgegnete Wilton barsch. »Sie hat ihn verlassen, weil er sie zu Unrecht beschuldigte, daß sie ein Verhältnis mit Lord Chanderson gehabt hätte.«
»Und ihr kleines Töchterchen hat sie auch mitgenommen, nicht wahr? Habe ich nicht recht? Es war eine romantische Geschichte. Und man hat nachher nie wieder etwas von ihr gehört.«
»Mein Freund Stanton hat ein kleines Vermögen ausgegeben, um ihren Aufenthalt ausfindig zu machen. Aber es ist eine unangenehme Sache, und ich wünschte, Sie sprächen nicht mehr darüber.« »Man hat nichts mehr von ihr gehört«, wiederholte Sir George, ohne sich um die Bemerkung Wiltons zu kümmern. »Weder von ihr noch von ihrer Tochter. Aber der alte Stanton hat entdeckt, daß er sich von anderen Leuten hatte hinters Licht führen lassen. Alles war nur auf die Machenschaften eines ganz gemeinen Menschen zurückzuführen, der wahrscheinlich aus reiner Bosheit die Beweise gegen die Frau gefälscht hat. Haben Sie etwas gesagt, Toady?«
»Nein«, entgegnete Wilton kleinlaut.
»Als Stanton sein Unrecht einsah, hat er große Summen ausgegeben, um ihren Aufenthalt zu erfahren«, fuhr Sir George fort. »Schließlich hinterließ er die Hälfte seines Vermögens seiner Frau und seiner Tochter, die er beide so tief gekränkt hatte.«
»Es war eben eine Verkettung unglücklicher Umstände«, erwiderte Wilton undeutlich. »Ihr Mann glaubte, sie hätte ein Verhältnis mit Chanderson gehabt. Er sah Briefe, die der Lord an sie geschrieben haben sollte, und nachher stellte sich heraus, daß es nur Fälschungen waren.«
»ja, das habe ich auch gehört.«
Er trank seinen Likör aus.
»Und Sie waren der beste Freund des alten Stanton und haben auch noch eine kleine Erbschaft von ihm erhalten.«
»Aber welchen Zweck hat es denn, all die alten Geschichten wieder aufzuwärmen?« fragte Toady nervös. »Sie wissen ebensogut wie ich, daß er mir in seinem Testament nichts hinterlassen hat. Nur auf dem Totenbett hat er noch eine Bemerkung über mich gemacht, und sein Sohn schloß daraus, daß mir der alte Herr Geld zukommen lassen wollte.«
»Und er hat Ihnen auch Geld zukommen lassen. Sie sind wirklich ein Glückspilz, Toady. Wenn Eric Stanton Sie so gut kennen würde, wie ich Sie kenne, hätten Sie wahrscheinlich keine zehntausend Pfund erhalten.«
Wilton antwortete nicht, sondern wandte sich an Bud Kitson, der neben ihm saß und bisher geschwiegen hatte. Bud fühlte sich in der Gesellschaft der beiden anderen Herren nicht recht wohl. In seinem schlechtsitzenden Anzug sah er nicht vorteilhaft aus, und er wußte nicht, was er mit seinen großen Händen anfangen sollte. An der allgemeinen Unterhaltung konnte er sich auch nicht beteiligen, da er nicht zu den Kreisen seiner beiden Begleiter gehörte. Von Zeit zu Zeit faßte er nervös an seinen Kragen, als ob ihn dieser drückte, und es machte ihm anscheinend wenig Vergnügen, diese Abendkleidung zu tragen.
»Wann kommt denn der Junge, auf den wir warten?« fragte er.
»Sie müssen sich noch etwas gedulden, Bud«, entgegnete Sir George. »Unser Freund Soltescu trinkt gern etwas, und Sie wissen ja wohl selbst, daß solche Leute es für gewöhnlich nicht sehr genau mit der Zeit nehmen und immer unpünktlich sind.«
»Ich wünschte nur, er käme«, meinte Toady mißvergnügt. »Er ist ja wahnsinnig, daß er in Monte Carlo mit sechzigtausend Pfund in der Tasche herumläuft! Sämtliche Verbrecher Europas treiben sich doch hier auf den Straßen herum!«
»Nicht alle«, erwiderte Sir George belustigt. »Wenigstens kenne ich drei, die hier in aller Ruhe vor dem Palace-Hotel sitzen. Aber ich gebe Ihnen recht, Toady. Es wäre ein Skandal, wenn dieses schöne Geld in fremde Hände fallen sollte, nachdem wir uns so große Mühe gegeben und so viele Pläne ausgearbeitet haben. Von Rechts wegen gehörte es uns eigentlich schon.«
»Ich begreife die Geschichte nicht«, mischte sich Bud Kitson ein. »Ich dachte, dieser Mensch wäre einer von uns. Was ist denn nun eigentlich los?«
Sir George sah ihn lächelnd an.
»Die Sache ist furchtbar einfach«, sagte er liebenswürdig. »Monsieur Soltescu ist unheimlich reich und hat große Ländereien und Fabriken in der Nähe von Bukarest. Er hat schon einige unserer interessanten Unternehmungen finanziert, und an einer der letzten sind Sie ja auch persönlich interessiert. Aber wenn er auch gewissermaßen unser Teilhaber ist, so bleibt er doch im Grunde genommen ein dummer Kerl. Jawohl, das stimmt, obwohl er zu den größten und reichsten Geschäftsleuten Europas gehört, hinter vielen fragwürdigen Affären steckt und heute oder morgen eine Erfindung kaufen will, die ihn vielleicht zu einem der reichsten Leute der Welt macht. Sie haben Bud das wahrscheinlich noch nicht auseinandergesetzt?«
Wilton schüttelte den Kopf. Er hatte es nicht für nötig gehalten, diesem primitiven Menschen, den er nur als ein Werkzeug betrachtete, auch noch Erklärungen zu geben.
»Also dann will ich es Ihnen sagen«, begann Sir George, neigte sich etwas vor und sprach jetzt vollkommen ernst. »Soltescu besitzt die größten Glasfabriken in ganz Südeuropa. Seit Jahren hat er den Versuch gemacht, bruchsicheres, biegsames Glas herzustellen – Glas, das man biegen kann wie ein Stück Pappe, ohne daß es bricht. Die Chemiker der ganzen Welt arbeiten seit Jahrzehnten an der Lösung dieses Problems, aber ohne den geringsten Erfolg. Soltescu ist aber felsenfest davon überzeugt, daß man solches Glas fabrizieren kann, und hat deshalb einen Preis von fünfundzwanzigtausend Pfund für die Erfindung ausgesetzt. Und jetzt ist er einer solchen Erfindung auf der Spur. Ich weiß nicht, wer sie ihm angeboten hat.« Er zuckte die Schultern. »Der Mann muß aber hier in der Nähe leben und verhältnismäßig arm sein. Soltescu hat schon