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Patrick Fiedel
Vorwort
Schon jetzt kannst DU so richtig stolz auf dich sein. Du hast ein Buch in der Hand und nicht etwa die Fernbedienung für den Fernseher.
Das ist fantastisch.
Hast du einen Lieblingsleseplatz? Dann mach es dir dort bequem oder suche dir einen anderen großartigen Ort zum Lesen.
Brauchst du noch etwas zu trinken oder zu essen? Dann hole es dir oder ruf laut nach Mama oder Papa.
Falls du ein Handy hast, das kannst du erstmal zur Seite legen. (Ja, das geht. Ich mache es sogar manchmal ganz aus. Das geht auch.) Bist du bereit?
Wirklich?
Dann leg los und hab Spaß beim Lesen.
Hoffnung
„Aufstehen, Leon!“
„Mmmmmm.“
„Leon, komm schon!“
„Mmmmmmmmmm.“
„Na los, Leon! Das Frühstück wartet.“
„Mmmmmmmmmmmmm.
Noch fünf Minuten, Mama.“
„Nein, jetzt! Du kleines Faultier.“
„Mmmmmmmmmmmmmmmmmmmm.“
Leon streckt vorsichtig seinen Kopf aus dem mühsam errichteten Schildkrötenpanzer und öffnet behutsam seine müden Augen. Schlaftrunken liegt er auf dem Bauch und seine kurzen verwuschelten blonden Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab. Leon schlängelt sich langsam aus den zwei dicken Decken über ihm heraus. Ganz vorsichtig kriecht er in die morgendliche und gemeine Kühle. Er setzt sich auf seine Bettkante und da man den Tag ja behutsam beginnen soll, erholt sich Leon erstmal von diesen Strapazen und lässt seine nackten Füße in der Luft hin und her schaukeln. Nach einigen anstrengenden Zehendehnübungen reckt Leon seine Arme weltmeisterlich in den neuen Morgen und macht dabei Verrenkungen, dass jede Katze blass vor Neid werden würde. Ein lautes Gähnen und Schmatzen, dann ist Leon bereit für den neuen Tag. Plötzlich riecht er etwas. Ein verlockender Duft wandert aus der Küche direkt in seine Nase.
„Mama, machst du gerade Waffeln?“, ruft er laut in die Backstube.
„Komm runter und finde es selbst heraus!“, antwortet die Waffelbäckerin nur kurz.
Leons morgendliche Schläfrigkeit verfliegt blitzartig, denn dieser köstliche Waffelduft, der ihm in die Nase kriecht, sorgt dafür, dass er auf der Stelle munter und voller Vorfreude ist, gleich riesige Waffelfestungen zu errichten und dann zu verschlingen.
„Aber was ist das?“, ruft Leon laut aus seinem Bett.
Überall ist blubbernde und heiße Lava. Im ganzen Zimmer strömt sie aus dem Boden hervor und droht alles zu verschlingen, was ihr zu nah kommt.
„Ich muss es auf die rettende Waffelinsel schaffen“, sagt Leon entschlossen.
Vorsichtig stellt er sich auf sein Bett und überlegt.
„Ich brauche ein Schiff“, spricht Leon kapitänsgleich.
Schnell nimmt er eine noch immer warme Bettdecke und rollt sie zusammen. Dann schwingt er sie gekonnt vor und zurück und versucht, mit seinem Deckenlasso den rollenden Stuhl am Schreibtisch zu erreichen. Er wirbelt die Bettdecke nun gewaltig durch die Luft, lässt sie los und erreicht seinen Stuhl. Die Decke schlängelt sich um die Armlehne und Leon zieht behutsam sein rettendes Schiff langsam an das Bett heran.
„Ja“, ruft er euphorisch, „nun schön vorsichtig sein.“
Er schwingt sich kniend auf seinen Drehstuhl und gelangt durch den Schwung bis zur geöffneten Zimmertür. Er schiebt sich durch sie hindurch und weiß, dass er keine Zeit verlieren darf. Sein Boot wird die heiße Lava nicht lange abhalten können.
„Jetzt nur noch bis zur Treppe“, denkt Leon laut und schiebt sich mit seinen flachen Händen langsam die Flurwand entlang. Dann stößt er sich von der linken Wand zur rechten und wieder zurück. Wie eine große Flipperkugel bewegt er sich so auf seinem Schiff bis zur lavafreien Treppe.
„Geschafft“, haucht Leon erleichtert.
Doch es bahnt sich schon das nächste Unheil an. Leise hört er aus der Küche das drohende Ende der Welt auf sich zukommen.
„Guten Morgen, liebe Hörer. Genießen Sie nach einer kurzen Werbeunterbrechung den brandaktuellen Hit über die wahre Liebe. Gesungen von dem Teenieschwarm, der jedes Mädchenherz höherschlagen lässt“ dröhnt es gefährlich aus dem Küchenradio.
Geschwind setzt er sich auf das Treppengeländer und rutscht auf seinem Po die Treppe hinunter.
„Oh Gott, ich muss diese Katastrophe aufhalten“, atmet Leon panisch.
Die Werbung geht zu Ende. Die ersten Töne des Weltuntergangs erklingen. Leon steht nun auf der letzten Stufe, legt seine Hände schützend über seine Ohren und sprintet, so schnell er kann, zum Küchenradio des Entsetzens. Meisterlich drückt er seinen linken Ellenbogen auf den Knopf, der das Radio ausschaltet.
„Puh, gerade nochmal gut gegangen“, pustet er erleichtert.
„Du Spinner“, reagiert seine ältere Schwester Leonie und schaut ihn dabei grinsend an.
„Leon. Was hast du nur gegen ihn? Er ist so süß und seine Lieder sind so melodisch“, spricht Leons Mama vergnügt.
„Mama, du bist schon infiziert von diesem grausigen Schmalzvirus. Sei froh, dass ich euch alle nochmal gerettet habe“, antwortet Leon heldengleich.
„Oh, Leon. Du und deine Fantasie. Ach, und übrigens, du bist doch wohl nicht schon wieder auf dem Geländer gerutscht?“, fragt ihn seine Mama ermahnend.
„Nein, Mama, ist er nicht“, entgegnet seine Schwester Leonie, noch bevor er etwas sagen kann. Dabei zwinkert sie ihrem Bruder verschwörerisch zu. Leon setzt sich auf seinen Stuhl am großen Esstisch neben seine Schwester. Hinter einer hoch in die Luft gehaltenen Zeitung sitzt ihr Papa, welcher das frische Druckwerk aber sofort zur Seite legt, als die ersten Waffeln an den Tisch gebracht werden.
„Das sieht aber wieder lecker aus“, bemüht er sich, seine Frau darüber hinwegsehen zu lassen, dass er heute eigentlich mit Frühstück machen dran war. Aber seine ersten Waffeln in tiefstem Schwarz haben zu seiner Entlassung vom Frühstücksdienst geführt und Mama wieder an die Spitze befördert. Leon errichtet aus seinen köstlichen Waffeln eine kleine Burg und lässt um diese herum einen Fluss aus Sirup entlanglaufen.
„Hmm. Lecker, Mama. Danke“, nuschelt er mampfend mit vollem Mund. Kurze Zeit später ist von seiner Burg nichts mehr übrig und Leon sitzt zufrieden und vollgefuttert auf seinem Stuhl.
„Seid ihr euch wirklich sicher, dass wir heute dorthin fahren sollen?“, fragt der Papa von Leon und Leonie etwas besorgt, nachdem auch er seinen letzten Bissen genossen hat.
„Ja, Papa. Wir sind uns sicher. Wir fahren zum Wald und schauen, wie es dort jetzt aussieht“, antwortet Leon und greift dabei die Hand seiner Schwester.
Viele Wochen ist es her, dass Leon und seine Freunde ein unfassbares Abenteuer erlebten, was sie über sich hinauswachsen ließ. Auf einem Schulausflug in den Wald versanken sie plötzlich in den Waldboden hinein. Ihr Lehrer entpuppte sich dabei als grandioser Draufgänger mit zündenden Ideen, um sie wieder nach Hause zu bringen. Tief unter der Erde machten sie die Begegnung mit einem fellbedeckten und kuscheligen