Brigitte Pedde

Willi Baumeister


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war, arbeitete er von der Öffentlichkeit verborgen weiter. In der künstlerischen Isolation, die sich während des Zweiten Weltkrieges noch verstärkte, fand er zu neuen kreativen Ausdrucksmöglichkeiten und Formulierungen.

      Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Willi Baumeister zum bedeutendsten, weithin beachteten Künstler im westlichen Deutschland und zu einem der wichtigsten Vertreter und Verteidiger der gegenstandslosen Kunst. Durch seine Persönlichkeit spielte er bei der Wiederherstellung internationaler Beziehungen, insbesondere mit Frankreich, eine wichtige Rolle.

      »Das Panorama der Möglichkeiten soll sichtbar bleiben, so lange wie möglich.«

      Baumeister in: Die Neue Zeitung, München 19502

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       Mit Oskar Schlemmer

      1929 in Frankfurt am Main

      »Ich verdanke Hölzel somit im direkten Sinne nichts, keine einzige Korrektur, sondern nur Obdach und den schwerwiegenden Rat, nach Paris zu gehen, zu malen und auszustellen. Ich verdanke ihm sehr viel. Denn er hat mich darin bestärkt, mich durch nichts beirren zu lassen.«

      Willi Baumeister über seinen Professor Adolf Hölzel

      1889 – 1919

      Entwicklung zum Künstler

      Willi Baumeister wurde am 22. Januar 1889 in Stuttgart geboren. Seine Eltern Wilhelm und Anna Baumeister hatten bereits eine Tochter Klara und einen Sohn Hans. Der Vater führte als Hofkaminfegermeister den familien­eigenen Handwerksbetrieb. Anna Baumeister geb. Schuler stammte aus einer alteingesessenen Dekorationsmalerfamilie, die seit fünf Generationen dieses Handwerk ausübte. Das mütterliche Erbe sollte sein Leben bestimmen. Baumeister meinte dazu später: »Angeregt und überhaupt in die Bahn der Malerei gelenkt wurde ich durch die Tradition der Familie meiner Mutter. Der vor meiner Geburt verstorbene Großvater hatte die Stelle eines Entwerfers im Dekorationsmalergeschäft seines Schwiegervaters inne. Oft wurde von diesem Großvater gesprochen, von seinem Fleiß und dem Geschick seines Daseins.«3

      Baumeister besuchte von 1898 bis 1905 die »Königliche Friedrich-Eugen-Realschule« in Stuttgart. Während seiner Schulzeit war seine bevorzugte Lektüre Friedrich von Schiller, Karl May und Jules Vernes. Schiller blieb neben Wolfgang von Goethe sein ganzes Leben lang sein bevorzugter Dichter. Nach dem Realschulabschluss machte er eine Lehre als Dekorationsmaler im Betrieb seines Onkels. Die handwerklichen Grundlagen, die Baumeister durch seine Lehre erhielt, waren für sein künstlerisches Werk von großer Bedeutung. Seine ausgezeichnete Materialkenntnis war bekannt. Viele seiner späteren Bilder sind aus handwerklich-technischen Einfällen heraus entstanden.4 Auch hatte er, der dem Handwerkermilieu entstammte, für das Handwerk zeit seines Lebens eine hohe Wertschätzung.

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       Geschwister Baumeister

      Willi mit Klara und Hans, um 1893

      Bereits von Beginn seiner Lehre an besuchte er gleichzeitig Kurse der König­lich Württembergischen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Er nahm an der Zeichenklasse und der Klasse der Landschaftsmalerei bei Robert Poetzelberger teil. Parallel dazu hatte er noch Privatunterricht bei dem Tiermaler Josef Kerschensteiner, obwohl dies von der Akademie untersagt war. Zu dieser Zeit malte er vor allem naturalistische Landschaften. 1907 lernten sich Baumeister und Oskar Schlemmer an der Stuttgarter Akademie kennen. Trotz der später unterschiedlichen künstlerischen Ansätze verband sie eine intensive, lebenslange Freundschaft.

      Aufgrund seiner besonderen Begabung konnte Baumeister seine Lehre bereits nach zwei Jahren abschließen. Gleich danach reiste er zusammen mit seiner Schwester Klara, die bereits einige Semester Kunstgeschichte studiert hatte, nach München. Sie besuchten dort eine Ausstellung französischer Kunst,5 vermutlich die Kunstausstellung der Sezession, wo französische Impressionisten gezeigt wurden. In Schloss Schleißheim, das in der Nähe von München gelegen ist, sahen sie zum ersten Mal Gemälde von Hans von Marée, der damals noch weitgehend unbekannt war. Sein Werk machte auf Baumeister einen starken Eindruck.6

      Nach dem einjährigen Militärdienst setzte er sein Studium 1908 an der Stuttgarter Akademie fort. Der übliche Lehrplan sah die Reihenfolge Zeichenklasse, dann Malklasse und schließlich Kompositionsklasse vor. In der Malklasse stellten sich schnell Probleme ein. Baumeister war zu dieser Zeit, vor allem bei seinen Gemälden mit Landschaften, vom französischen Impressionismus und Postimpressionismus beeinflusst. Dies führte zum Konflikt mit seinem damaligen Professor, Gustav Igler, der drohte, ihn von der Akademie auszuschließen. Bei einer Ausstellung der Studenten der Akademie erregte sein Werk jedoch die Aufmerksamkeit eines anderen Professors, Adolf Hölzel. Er nahm daraufhin Baumeister in seine Klasse auf. Hölzel hatte an der Stuttgarter Akademie und im Kunstleben der Stadt eine Sonderstellung. Er war einer der ersten abstrakten Maler überhaupt. Etwa gleichzeitig mit Wassily Kandinsky begann er gegenstandslose Bilder zu malen, die nur durch Formen und Farben sprachen. Bereits 1903 erregte ein Vortrag Hölzels Aufsehen, da dieser dort von der eigenen Kraft von Farbe und Form gesprochen hatte und davon, dass das Bild eine Welt für sich sei.7 Seine Farben­lehre wurde für viele Künstler wegweisend. Durch Hölzels Schüler Johannes Itten, der später, von 1919 bis 1922, am Bauhaus in Weimar den Vorkurs leitete, wurde seine Farbenlehre auch im Bauhaus übernommen.8

      In Stuttgart hatte sich um Adolf Hölzel ein Kreis von Künstlern gebildet, dem neben Willi Baumeister auch sein Freund Oskar Schlemmer, Hermann Stenner, Johannes Itten, Ida Kerkovius, Otto Meyer-Amden und Alfred Heinrich Pelligrini angehörten. Diese Gruppe, die sich allerdings nie organisierte, prägte die moderne Kunst vergleichbar mit den Künstlervereinigungen Die Brücke in Dresden oder Der Blaue Reiter in München. Trotz der bedeutenden Rolle, die sein Lehrer Hölzel in der Kunst des 20. Jahrhunderts spielte, sah sich Baumeister später als »im wesentlichen autodidakt«.9 Doch schätzte er an Hölzel das liberale und fördernde Klima, das er seinen Studenten geboten hatte: »Ich verdanke Hölzel somit im direkten Sinne nichts, keine einzige Korrektur, sondern nur Obdach und den schwerwiegenden Rat, nach Paris zu gehen, zu malen und auszustellen. Ich verdanke ihm sehr viel. Denn er hat mich darin bestärkt, mich durch nichts beirren zu lassen.«10

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       Im Atelier

      Willi Baumeister (rechts) mit Freunden in seinem Atelier, 1921

      Von 1919 an nahm Baumeister an Ausstellungen teil. So konnte er im September dieses Jahres bei der Stuttgarter Ausstellung von zeitgenössischen französischen Künstlern, Pariser Indépendants, als Gast teilnehmen.11 Baumeister hatte sich schon sehr früh zur französischen Kunst hingezogen gefühlt, es bestand so etwas wie eine geistige, seelische Verwandtschaft. Dem deutschen Expressionismus stand er bis auf wenige Ausnahmen immer ablehnend gegenüber.

      »Modulieren, nicht Modellieren«

      Baumeisters Leitspruch, nach Cézanne, 1911

      Auf Veranlassung von Hölzel reiste Baumeister 1911 zum erstenmal nach Paris, um dort drei Monate Unterricht an der privaten Kunstakademie Cercle International des Beaux-Arts12 zu nehmen. Bei diesem ersten Paris-Aufenthalt konnte er auch die moderne französische Kunst in ihrer ganzen Breite kennenlernen.