Rudolf Jedele

Shandra el Guerrero


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wirkte seltsam in sich gekehrt, als sie diese Worte von sich gab. Sie waren nur so aus ihr heraus geflossen und jetzt standen sie im Raum, doch sie verzichteten beide darauf, über deren Sinn weiter zu diskutieren.

      Das schönste an diesem Erlebnis war aber nicht die Begegnung mit dem goldfarbenen Hengst sondern die Beobachtung der Herde insgesamt. Die beiden Freundinnen blieben den ganzen Tag in Sichtweite der Herde. Sie studierten den Umgang der Tiere untereinander. Dabei lernten sie enorm viel über die Familienstrukturen innerhalb der Herde. Darüber hinaus – es war die Zeit dazu –konnten sie auch beobachten, wie der goldfarbene Hengst von einem anderen Hengst zum Kampf um die Stuten herausgefordert wurde, wie er die Herausforderung abwehrte und wie er um eine der jungen Stuten so lange warb, sie umtanzte und jagte, bis sie letztendlich stehen blieb und zur Paarung bereit war.

      Sie hatten sich so lange bei der Herde aufgehalten, dass es keinen Sinn machte, ins Dorf zurück zu reiten. Sie suchten sich einen Lagerplatz, erlegten nebenbei ein paar fette Rebhühner und ließen sie in einer Grube garen, die sie mit Glut gefüllt hatten, dann saßen sie am Feuer zusammen und unterhielten sich über die Pferde, bis es Zeit zu schlafen war.

      Und in dieser Nacht kehrte der Traum zu Shakira zurück.

      Wieder stieg sie aus dem Meer und hielt in ihrer Hand einen langen Strang mit nassen Algen. Als sie den Strand erreicht hatte, tauchte aus dem Licht der Sonne kommend plötzlich eine Gestalt mit langen, pechschwarzen Haaren auf. Ein groß gewachsener Mann, schlank und dennoch mit starken Muskeln und ganz in dunkles Leder gekleidet. Doch nun hatte der Mann ein Gesicht und es war Shaktars Gesicht und doch wiederum nicht.

      Ihr Traummann glich Shaktar nahezu aufs Haar, aber er war nicht Shaktar, er war jünger und er war athletischer. Er lächelte sie an und seine Augen waren nicht eisblau sondern so grün wie polierte Jade und unter seinem linken Auge, genau auf der Höhe des Jochbeins zog sich eine dünne, weiße Narbe entlang. Der Mann wartete auf sie und als sie ihn erreicht hatte, schloss er sie ohne große Worte in seine Arme und sie wusste, dass dies so gut und richtig war. Doch dann, nachdem er sie eine Weile gehalten hatte, löste er sich von ihr, schob sie ein Stück von sich, sah ihr in die Augen und fragte:

       „Wann kommst du endlich? Ich warte schon so lange auf dich!“

      Das Zeichen war da, die Zeit war reif und als Shakira aus ihrem Traum erwachte, wusste sie, dass sie sich auf den Weg machen musste. Es war noch eine ganze Zeit bis zur Morgendämmerung, so blieb sie liegen, doch schlafen konnte sie nicht mehr, sie bereitete sich in Gedanken bereits auf ihre Reise vor.

      Als Jelena sie im Morgengrauen wecken wollte, war Shakira immer noch hellwach und alles, was sie zu tun hatte, stand klar und deutlich vor ihren Augen. Zuerst musste sie mit Jelena reden und das sollte gleich beim gemeinsamen Frühstück geschehen.

      Sie hatten das Feuer die ganze Nacht über erhalten, Jelena hatte bereits einen Kräutersud aufgebrüht und nun saßen sie in der Kühle des Morgens am Feuer, hielten die Teebecher in den Händen und sahen sich an. Doch nicht Shakira ergriff als erste das Wort, Jelena begann zu sprechen.

       „Shakira, Freundin, ich werde dich in den nächsten Tagen verlassen müssen. Ich habe heute Nacht ein Zeichen bekommen, mein Schicksal erwartet mich und ich muss los.“

      Shakira war für einen Moment verblüfft, dann aber grinste sie fast schon begeistert und antwortete:

       „Aber besser kann es doch gar nicht sein! Auch ich habe mein Zeichen bekommen, auch meine Zeit ist reif, so reisen wir zusammen, oder?“

       „Woher wissen wir, wo unsere Ziele liegen? Woher weiß ich, dass dein Ziel nicht tief im Landesinnern liegt, während ich mich am Meer halten muss?“

       „Nun, mein Ziel liegt mit Sicherheit am Meer und ich muss von hier aus nach Süden und Westen an der Küste entlang reisen. Was weißt du über dein Ziel?“

       „Bislang wusste ich nur, dass mein Schicksal im Südwesten dieses Landes auf mich wartet. So hat es der Schamane gesagt. Seit heute Nacht weiß ich, dass ich eine Stelle am Meer suchen muss, an der ein Fluss aus einem Dschungel kommt und neben einem verfallen Dorf ins Meer fließt. Dort werde ich meinem Schicksal begegnen.“

       „Du hattest auch einen Traum?“

      Jelena nickte. Ja, sie hatte auch einen Traum gehabt. Doch über diesen Traum mochte sie nicht reden. Sowohl der Schamane als auch ihr Bruder waren ihr erschienen und hatten ihr heftige Vorhaltungen gemacht, weil sie noch immer untätig in diesem Waldland herum lungerte. Sie würde also wieder aufbrechen. Doch mit Shakira als Begleiterin und das konnte ihr niemand untersagen.

      Auf dem Heimweg zum Dorf besprachen sie alles, was für die Reise notwendig war. Am wichtigsten war es Jelena, dass sie Shakira die Pferde Mameluk und Derno zum Geschenk machte. Ein fürstliches Geschenk, doch Jelena war überzeugt, dass Shakira dieses Geschenk wert war.

      Nur drei Tage später brachen die beiden jungen Frauen auf. Der Abschied vom Dorf und vor allem der Abschied von Kerin und Erin war den jungen Frauen schwer gefallen, doch am Ende hatten die Knaben eingesehen, dass sie für eine solche Reise als Begleiter noch zu jung waren und dass sie erst noch stärker werden mussten, ehe sie sich in echte Abenteuer stürzen durften.

      Als Shakira und Jelena am Morgen des dritten Tages mit den vier Pferden das Dorf verließen, winkten ihnen viele Leute nach. Nur zwei waren froh, dass sie Dorf verließen und aus S’Andora verschwanden.

      Das Feuer von Zahara

      Shandra starrte nachdenklich vor sich hin. Er sah die Botschaft, er verstand sie und doch auch wieder um nicht.

       „Menschen brauchen ein geistiges Zentrum…. Immer. Wenn es dieses geistige Zentrum nicht gibt, muss es geschaffen werden, denn Menschen sind hilflose, ängstliche und hoffnungslose Wesen, wenn sie kein geistiges Zentrum haben.“

      Tarith hatte ihm diese Botschaft gebracht und ihn damit in eine geistige Entwicklung hinein manövriert, von der er noch nicht wusste, ob er sie überhaupt wollte.

      Er erkannte die schöne Frau, die sich den Namen Tarith gegeben hatte und von Sombra eine Mutantin aus Ninive genannt worden war sofort wieder. Sie hatten sich nicht sehr gut gekannt, dazu war die Zeit zu kurz bemessen gewesen, aber immerhin hatte er sie eine leidenschaftliche Nacht lang in dem schwarzen Zelt gehabt, dass er zusammen mit Rollo und Shira bewohnte, wenn er bei seiner Sippe war. Er und seine Ziehgeschwister hatten sich in dieser einen Nacht nicht nur die Schlafplätze im Zelt geteilt, sondern auch Tarith und diese war es zufrieden gewesen.

      Natürlich, Tarith hatte damals wie jetzt ein Ziel, das sie ziemlich konsequent verfolgte. Sie wollte dass Shandra ein Teil derer wurde, die man Angelos nannte und sich die Vernichtung Ninives als Lebensaufgabe gesetzt hatten. Samuel hatte dies verhindert und Shandra hatte mittlerweile begriffen, weshalb.

      Ninive war ein Paradoxon, etwas das es eigentlich nicht geben durfte. Aber es stellte vermutlich keine akute Gefahr für die Welt dar. Die Anglialbions dagegen schon.

      Nach der Schlacht im Hochland, nach dem grandiosen Sieg, den sich die Bewohner des Hochlandes unter ihrem Strategen Shandra erkämpft hatten, war Tarith wieder bei Shandra aufgetaucht und hatte ihn eingeladen, weitere Nächte bei ihr zu verbringen. Allein diesmal, ohne Rollo und Shira und auch nicht, um Sex zu haben, sondern um Wissen zu erwerben.

      Shandra hatte Samuel von Tariths Besuch berichtet und der dämonische Freund hatte nur genickt und ihm auf telepathischem Weg zu verstehen gegeben, dass es aus seiner Sicht keinen Grund mehr gab, Tarith auszugrenzen oder gegen sie anzukämpfen.

       „Du bist älter geworden und reifer, du wirst erkennen, was wichtig für dich ist und was nicht. Du bist längst klug genug, um deinen Weg auch ohne mich gehen zu können und ich weiß, dass du keines deiner Ziele mehr aus den Augen verlieren wirst. Nicht wegen Tarith jedenfalls. Geh zu ihr und hole dir das Wissen, das sie dir vermitteln kann, du wirst es gebrauchen können.“

      Also