der Frauen und Männer ist so blöd und lässt seine Hütte abbrennen und sich selbst gleich mit? Selbst den kleinen Kindern wird eingetrichtert, dass sie am Feuer nichts zu suchen haben, weil es Frauensache ist. Und dann brennt einfach so eine Hütte nieder? Ich höre noch Hassan Ibn Odd Sets Worte: Die Bewohner hätten fahrlässig gehandelt. Fahrlässig, dass ich nicht lache! Da hat der nachgeholfen! Nachgeholfen, weil in diesem Dorf einfach nichts Spektakuläres mehr geschah und er Angst hatte, dass seine Wettleidenschaft in Vergessenheit gerät und seine Geschäfte versiegen! Ich sage dir: Der hat die Hütte anzünden, die Türen verrammeln und alles darin verbrennen lassen! Bei Allah, so und nicht anders war’s! Und dann stellt der sich noch vor die brennende Hütte hin und nimmt scheinheilig Wetten an! So, als ob jemand diesen Brand überleben würde. Die Dorfbevölkerung wettete natürlich auf den Tod von allen: Mann, Frau und Kind! Und wie war das Ergebnis, Weib? Weißt du’s noch?“ „Wie durch ein Wunder hatte die junge Frau überlebt!“ Latifas große Augen sahen ihren Mann nachdenklich an. „Wie durch ein Wunder? Latifa, wach auf! Das war kein Wunder! Das war Betrug! Tamima, die junge Frau, kroch aus der Brandruine wie Phoenix aus der Asche und war unversehrt! Kein Härchen hatte sich bei ihr durch die Feuersbrunst gekräuselt! Nichts! Einzig ein wenig rußgeschwärzt war sie, aber sonst heil und unversehrt! Glaubst du, das ging mit rechten Dingen zu? Und heute ist Tamima Hassan Ibn Odd Sets Weib. Dumm, eitel und selbstgefällig! Ich glaube: Vor der hat selbst Hassan Ibn Odd Set manchmal mächtig Bammel!“ Sie schwiegen. Die Kinder begannen zu lärmen, Latifa musste sie zur Ordnung rufen. Der Säugling schmatzte an ihrer Brust, und sie sagte: „Da war da auch noch die Sache mit dem Schlangenbiss!“ Omar winkte ab. „Ach ja, siehst du, das war auch wieder typisch Hassan Ibn Odd Set. Jassir wird von einer Kobra in die Wade gebissen und Hassan Ibn Odd Set machte die Leute glauben, dass es nur eine harmlose Natter gewesen sei. Jassir starb und Hassan gewann.“ „Und bei Saliha“, ereiferte sich Latifa, „machte er den Leuten nach ihrem Sturz vom Kamel weis, dass sie sich den Hals gebrochen habe und mit dem Tod ringe! In Wirklichkeit stellte ihr Mann fest, nachdem man sie in die Hütte gelegt hatte, dass sie nur vor Schreck ohnmächtig geworden war und ihr sonst weiter nichts fehlte.“
Omar atmete schwer und schwieg. Da klopfte es hart an ihre Tür. Bevor jemand eine Antwort geben konnte, schwang sie auf und Hassan trat ein. „Ich dachte, ist gerade nichts los im Wettbüro, schaust mal nach Omar“, schwatzte er leutselig und rieb sich beide Hände. Latifa hatte sich schnell gefasst und rief genauso munter: „Ach Hassan, wenn du schon mal da bist, so komm doch einfach rein!“ Hassan, der sich schon mitten im Raum befand, beschlich nach ihren so resolut ausgesprochenen Worten doch ein bisschen Beschämung. Er drehte sich unsicher in dem kleinen Raum hin und her und wusste nicht, wohin mit seinen Händen. Latifa sah es mit tiefer Befriedigung und verzeichnete einen kleinen Sieg auf ihrem Konto. Ruhig, aber herausfordernd schaute sie Hassan an. Der druckste: „Ach, hätte ich vielleicht doch lieber anklopfen sollen?“ „Zum Beispiel“, kam von ihr zurück, und sie sprach weiter: „Wie du siehst, schläft Omar, und er wird auch wieder gesund!“ Der Säugling an Latifas Brust schmatzte. Hassan glotzte wie ein Maulesel und erklärte schnell: „Das will ich auch hoffen!“ „Hoffen?“ Latifas Mund verzog sich zu einem sauersüßen Grinsen. „Draußen hörte ich, wie du vom nahen Tod Omars berichtet hast!“ Hassan tat unschlüssig und erklärte unwirsch: „Naja, du weißt doch: die Wette!“ „Die du nach oben treibst, indem du falsch Zeugnis ablegst!“ In Latifas Augen funkelte es nun kampfeslustig, und Hassan wurde die Sache immer unangenehmer. Er antwortete nicht auf ihre Feststellung, sondern erwiderte: „Die Wetten stehen schon sehr gut! 87 zu 13!“ „Ach, ich verstehe“, gab Latifa zurück, „87 Leute wetten auf Omars Tod und 13 dagegen!“ Hassan wand sich wie ein Wurm am Haken: „Genau!“, mehr brachte er nicht mehr hervor. Latifa schaute Hassan unverwandt und durchdringend an: „Wer hat den größten Gewinn, während mein Mann mit dem Tode ringt?“ Hassan konnte nichts mehr sagen und glubschte nur stumm wie ein Chamäleon. Latifa hatte sich, immer noch den Säugling an der Brust, vor ihm aufgebaut: „Nun, ich will es dir sagen: Während wir, die wir alles ausstehen, uns mit lumpigen 400 Sultanos abfinden müssen, die nicht einmal für ein Kalb, geschweige denn für eine Kuh reichen, kassierst du alles und kannst in aller Ruhe deinen Reichtum vermehren!“ Mit so viel Furchtlosigkeit und Entschlossenheit hatte Hassan nicht gerechnet. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er schloss und öffnete ihn wie ein alter, bemooster Karpfen, ehe er endlich eine Erwiderung finden konnte: „Aber, aber! Da können wir doch drüber reden“, und er versuchte ein unsicheres Lächeln. „Reden?“ Latifa war in großer Rage: „Reden! Wir reden nicht! Ich will eine ordentliche Milchkuh und ein Stück Land, damit wir sie auch ernähren können und allezeit genügend Brennmaterial, das uns deine Sklaven immer bringen werden!“ „Wenn’s weiter nichts ist“, meinte Hassan, „soll es so sein!“ Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Hütte, als hätte er den Leibhaftigen im Nacken.
Latifas Augen waren starr auf den aufsteigenden Qualm des Hüttenfeuers gerichtet, der fast senkrecht durch das Loch im Dach abzog. Dann lachte sie leise glucksend, streichelte sanft ihren schlafenden Mann und flüsterte: „Omar, wir schaffen das! Du wirst uns wieder gesund, hörst du, und dann streichen wir unseren Gewinn ein, dafür habe ich gesorgt, das hättest du sehen und hören sollen. Wir müssen nur den Verschlag etwas vergrößern. So eine Milchkuh braucht auch ihren Platz!“ Sie lachte leise. „Wenn du’s nur schon wüsstest! Oh, ich brenne drauf, es dir zu erzählen.“ Sie drehte sich entschlossen um, legte ihren nun ebenfalls schlafenden Säugling vorsichtig in die kleine Bettkiste, legte Brennmaterial nach, kümmerte sich um etwas Essbares und verließ die Hütte, um die Ziege zu melken.
Mukhtar (Muck) und Vater
Segen und Fluch
Mukhtar (Muck), ein buckliger Junge von 18 Jahren, ging in der kleinen Hütte auf und ab. Er wäre ohne seinen sichtbaren Buckel mit seinem beherzten Auftreten, seiner schnellen Auffassungsgabe und seinen klaren, schwarzen Augen ein ansehnlicher junger Mann gewesen. Wie oft hatte er diesen Buckel verflucht und ihn zum Scheitan gewünscht, aber er besaß ihn nun einmal und musste mit ihm leben. Die Mutter des zwar sanftmütigen, aber manchmal auch rebellischen Jungen starb bei seiner Geburt. So wuchs er allein mit seinem Vater auf. Ständig war Mukhtar von dem Geruch von Leim, Leder und Schuhwichse umgeben. Dabei musste er Vaters Demut vor der Obrigkeit ertragen und seine einfachen Lebensweisheiten anhören, die ihn aber auch auf sonderbare Weise berührten. In diesem eigentümlichen Gefühlswirrwarr schwang noch ein anderes Gefühl mit, nämlich das Gefühl der Freiheit, das untrennbar mit seinem Hang zur Harmonie und seiner Abscheu gegenüber Ungerechtigkeit verbunden war. Es war jene Ungerechtigkeit, die er oft selbst erleben musste, denn seine Altersgenossen trieben fortwährend böse Scherze mit ihm.
Verspottet und verlacht, verkroch er sich dann tief gekränkt im finstersten Winkel der Hütte, zitterte vor Schmerz und Scham am ganzen Körper und wünschte sich oft ein großes, tiefes Loch im Boden, um darin versinken zu können. Jedoch, die Anfeindungen hatten ihn im Laufe der Jahre nicht gebrochen, sondern gestählt! Er hatte sich nicht klein und dumm machen lassen, sondern sich stattdessen auf seinen angeborenen Verstand besonnen, von dem der weise Ibrahim sagte, dass der erst wachsen müsse, wachsen, wie das Wörtchen „vermag“, das erst bei dem Wort „Vermögen“ so richtig interessant werde. Der weise Ibrahim war der Mann, der zwar wie ein Eremit lebte, aber ein kluger Mensch war, der Mukhtar Schreiben, Lesen und viel über den menschlichen Körper lehrte. Mukhtar hatte alles sehr schnell begriffen. Er pfiff also auf seine äußere Erscheinung und widmete sich mit Eifer seinen Studien, die er mit hellen Sinnen und wachen Augen betrieb. Denn er wusste, dass es nur darauf ankommt. Er folgte seiner inneren Stimme, lernte eifrig von den Lebenserfahrungen der Alten und zahlreichen Betrachtungen und Beobachtungen der Menschen. Mukhtar lauschte gern der großen Natur, erfreute sich an ihren Schauspielen, und sein Verstand wuchs gemeinsam mit seinem Selbstvertrauen. Und weil er sich dieser Geistesgabe immer stärker bewusst wurde, beflügelte sie ihn so weit, dass auch sein Mut wuchs, den Verstand zur rechten Zeit einzusetzen. Und seine stetige Bemühung begann