Mira Schwarz

Midnight Dates: Lust & Schmerz


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um alles in der Welt konnte dieses Muttersöhnchen von meiner bestens organisierten Razzia wissen? Mir war mir klar, dass die Ermittlungen um James Earling III., genannt Jimmy, keine leichten sein würden. Der Bengel war gerade einmal 21 Jahre alt, ging hier in New York zur Universität und hatte, außer Drogen, Mädchen und Partys nicht viel in seiner so teuer frisierten Birne. Leider sah er dabei auch noch unverschämt gut aus und niemand zweifelte daran, dass der Stolz der Familie Earling einmal alle Firmengeschäfte und die eigene Bank übernehmen würde. Besonders nicht, da sein Daddy James Earling II. so gut vernetzt war, wie eine Spinne vor einer Glühkampe in der Dunkelheit und seine blondierte Mom so ziemlich auf jeder Spendengala ihre Plastikbrüste präsentierte.

      Umso größer war der Aufschrei in der Bevölkerung, als die ersten Berichte über Vergewaltigungen, organisiertes Verbrechen, Erpressung und Drogenhandel über den kleinen Milchbubi Jimmy ans Licht kamen.

      Offensichtlich dachte der junge Adelige gar nicht daran zu studieren, sondern füllte die Tage lieber mit Drogen und Mädchengeschichten. Egal, ob diese wollten oder nicht.

      Selbstverständlich heuerte die Familie Earling die besten Anwälte der Stadt an und so kam der Fall zu mir.

      Monate hatte ich mit der Planung verbracht, Gespräche im Geheimen geführt und wofür das alles?

      Weder im Verbindungshaus, noch in einer der unzähligen Villen der Earlings war auch nur der Hauch von Drogen oder Videomaterial zu finden, obwohl alle meine Quellen bestätigten, dass Jimmy eine Art Sammler war, der sich mit seinen Eroberungen auch noch brüstete.

      Kurz sah ich in den Spiegel. Meine Augen wirkten matt, die blonden Haare stumpf und auch die Haut war gerötet. Das ich nicht aussehen würde, wie ein Supermodel war mir klar, bei nur drei Stunden Schlaf, aber zumindest hätte ich den dunklen Blazer von gestern nicht noch einmal anziehen sollen.

      Hubschrauber, ein Special-Team, unzählige Cops und Ermittler, hunderte Überstunden und eine Polizeistaffel – alles für eine Packung Zigaretten, ein paar Gramm Gras und das dümmliche Grinsen von Jimmy Earling.

      Die Presse war so schnell da, dass es mir beinahe unheimlich war. Das NYPD stand da, wie ein Haufen von Idioten, mit mir als begossenen Loser auf dem Cover. Jeder Schreiberling in NY würde sich heute auf den Fall stürzen, wie ein Rudel Wölfe auf ein Stück Fleisch.

      Dabei war mir durchaus klar, dass ich in diesem Vergleich das Stück war, an dem sich alle laben würden. Was für ein bescheuerter Gedanke, dachte ich mir, als ich ausstieg und meine hochhackigen Schuhe einen klackenden Ton in die Tiefgerarage warfen.

      In der Mitte hielt ich inne.

      War da ein Geräusch oder wurde ich nun endgültig paranoid?

      „Hallo?“

      Keine Antwort. Ich sah mich um. Zwar wusste ich, dass die Überwachungskameras liefen, aber das war mir in dem Moment herzlich egal.

      Ich setzte meinen Weg fort, bis erneut das Geräusch an meine Ohren drang.

      „Hallo!“, rief ich energischer und zog meine Glock-Pistole. „Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber hier sind überall Überwachungskameras und … auch das solltest du wissen, ich habe eine Knarre, bin Detectiv und das hier ist das Hauptgebäude des NYPD. Über uns sind unzählige Stockwerke voller Cops.“ Ich lud die Waffe durch. „Nur, damit du Bescheid weißt.“

      Beim nächsten Geräusch zuckte ich unwillkürlich zusammen, ließ meine Tasche fallen und richtete die Waffe auf einen Stützpfeiler. „NYPD, verdammt! Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!“

      Das Licht im Untergeschoss begann zu flackern. In einigen Bereichen blieb es gelöscht, sodass nur wenig Helligkeit die Tiefgarage noch erhellte. Ich hielt den Atem an.

      Was zum Teufel war hier los?

      In Zeitlupe, als hätte der liebe Gott selbst auf den Knopf gedrückt, schob sich eine Zeitung hinter dem Beton hervor. Dazu machte jemand ein Geräusch, als hätte ein Comedian einen richtig schlechten Witz gemacht. Erst Sekunden später erkannte ich Rick deGries Gesicht.

      „Man, Rick, ist das dein ernst? Beinahe hätte ich dich umgenietet!“

      Er hielt sich den Bauch vor Lachen, ich konnte sogar feuchte Augen im dämmrigen Licht der Tiefgarage erkennen. „Das würde zumindest gut in deine Akte passen“, sagte er und grinste breit.

      Schwer atmend steckte ich meine Pistole weg und nickte wissend. Natürlich wusste ich, worauf Rick anspielte.

       Loser-Lisa.

      Diesen Spitznamen hatte ich schon auf der Uni und durch irgendwelche dubiosen Umstände hatte er sich auch im NYPD bestätigt. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht spindeldürr war, wie die anderen Cheerleader und trotzdem ins Team wollte. Natürlich klappte das absolut nicht und ich scheiterte mit einer Tanzperformance, die von Fehlern nur so strotzte. Ihre Anführerin, Stella Brighton filmte alles mit ihrem Handy, stellte meinen Auftritt ins Netz und bereits im ersten Jahr auf dem College hatte ich einen Spitznamen weg, der alles andere als rühmlich war.

      „Ach komm schon“, sagte Rick, warf mir die Zeitung zu und knuffte mir gegen die Schulter. „war nicht so gemeint, dass weißt du doch, oder?“

      Ich strich meine blonden Haare nach hinten und warf einen Blick über die Gazette. Der Fotograph hatte im unvorteilhaftesten Moment abgedrückt, den man sich vorstellen konnte. Toll – ich war gut zu erkennen, mein Mund stand offen, als würde ich gerne husten und drei Mikrophone versperrten mir den Weg. Dazu lagen meine Haare komisch und die Augen waren so tief in den Höhlen, als wollten sie sich verstecken. Über allem prangerte die Überschrift:

       Dreht das NYPD jetzt durch? Falsche Anschuldigungen gegen die Familie Earling!

      Selbst ich musste zugeben, dass ich wie eine Verrückte aussah. „Sehen alle Zeitungen so aus?“

      Rick begleitete mich zum Aufzug, nahm mir meine Tasche ab. „Leider ja. Die Earlings haben echt gute Kontakte.“ Er fuhr sich über seinen Drei-Tage-Bart. „Sie haben dich ziemlich …“

      „… gefickt“, vollendete ich seinen Satz und klopfte ihm auf die Schulter, während wir auf den Aufzug warteten. „Aber vielen Dank, für deine Hilfe.“

      „Keine Uhrsache“, antwortete er und richtete seinen maßgeschneiderten Anzug. Verdammt, er war nur ein einfacher Detectiv im Betrugsdezernat, wie konnte er sich den SLK und die Anzüge leisten? Ganz zu schweigen von den Urlauben mit Damen fragwürdigen Rufs.

      Aber was regte ich mich auf. Immerhin hatte er mir hier geholfen und, wenn man es ganz genau nahm, war er einer der wenigen Leute beim NYPD, die mir nicht komplett auf die Nerven gingen, ja sogar halfen.

      Rick räusperte sich. „Du sollst zum Chef.“ Der Ton in seiner Stimme war ruhig, gefasst, ganz so, wie Cops schlechte Nachrichten überbringen.

      „Aha“, antwortete ich, während die Tür aufging und uns emsige Betriebsamkeit entgegenschlug. Uniformierte gingen im Gang umher, hielten Akten in den Händen und blickten kaum auf, während wir an der Überwachungszentrale vorbeischritten. „Will er mir jetzt schon den Einlauf verpassen?“

      Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du es so nennen willst.“

      Die Jungs hinter der gesicherten Scheibe lachten immer noch und formten mit den Händen den Buchstaben „L“. Im Hintergrund flackerten die Monitore der Überwachungskameras und ich sah mich selbst in Dauerschleife, wie ich meine Pistole gegen einen Betonfeiler erhob.

      Das würde ein richtig großartiger Tag werden!

      Ich streckte den mittleren Finger meiner rechten Hand aus und ging grinsend an ihnen vorbei. Hier musste man hart sein und zugegeben, in all den Jahren hatte ich es leider verinnerlicht.

      „Sorry, Lisa, lass dich von denen runterziehen.“ Ricks gequälter Ausdruck verriet mir, dass er es ehrlich meinte. Die kurzen, blonden Haare standen in alle Richtungen ab, er blickte kurz zu Boden und zwinkerte mir zu. „Vielleicht kann ich dich als Entschädigung zum Abendessen einladen. Wir betrinken uns und