Mira Schwarz

Midnight Dates: Lust & Schmerz


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mit einem Kollegen auszugehen, der einfach zu viel redete.

      „Sorry, Rick, du weißt, ich hab da ein paar Grundregeln. Eine davon ist nicht mit Cops auszugehen, dass macht nur Schwierigkeiten. Außerdem würde der Gedanke mich ein wenig verstören, wenn ich nur eine deiner ständig wechselnden Geliebten bin.“

      „Ach, ich bin vielseitig“, sagte er und formte die Finger über Kreuz. „Vielleicht solltest du deine Regeln mal ändern, immerhin hast auch du Bedürfnisse.“

      Ich verkreuzte die Arme. „Nett, dass du mich darauf hinweist.“ Tatsächlich war es nicht einfach, mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal ein wenig Bettsport betrieben hatte.

      Er zwinkerte mir zu. „Kein Problem, Baby. Und, falls du es dir anders überlegst, lass es mich wissen.“

      Mittlerweile hatten wir das Büro des Chefs erreicht. Er ging weiter, ich stoppte. „Werde ich, keine Angst.“

      „Ja, dann … viel Spaß!“

      Ich öffnete die Tür. Den würde ich haben … ganz bestimmt sogar.

      ***

      Zehn Minuten später hatte sich der Captain genug aufgeregt, die Ader an seiner Schläfe pochte gewaltig und die schwarze Haut über seinen Muskeln spannte, als würde sie in den nächsten Sekunden reißen.

      Ich wusste, dass Captain Jeff Wilkow den Posten nach jahrelanger, harter Arbeit, gerade erst bekommen hatte. Eine Breitseite der New York Times, der Post oder der Tribune konnte er sich gerade am wenigsten erlauben. Vor Allem, da er jetzt schon auf dem Posten des Commissioner schaute. Eigentlich mochte ich ihn und ich war mir sicher, dass auch er meine harte Arbeit im tiefsten inneren seiner Seele auffallend begrüßte, aber er musste jetzt hart sein.

      Er wusste es, ich wusste es und verdammt, sogar der Empfangsdame war klar, was jetzt passieren würde.

      „… ich mag, sie Detectiv Caulfield“, setzte er erneut an und atmete durch. „Aber so etwas können wir gerade nicht gebrauchen. Auf der einen Seite werden wir wegen Polizeigewalt fertiggemacht, für die anderen gehen wir zu weich gegen die vermeidlich Bessergestellten vor.“ Er tupfte sich die Stirn mit einem Stofftaschentuch. „Lisa, da haben Sie mich richtig dran bekommen. Ein paar jugendliche Studenten mit reichen Eltern dranzukriegen und nichts in der Hand zu haben, ist alles andere, als hilfreich.“

       Hilfreich.

      Das war sein Lieblingswort.

      Offensichtlich ordnete er alles einem bestimmten Ziel unter und stellte sich bei jeder Entscheidung die Frage, ob es diesem Ziel diente. „Wir hatten Beweise“, sagte ich zerknirscht und mit dem Wissen, dass alles, was ich nun sagte, nichts bringen würde. Die Macht der vierten Gewalt war hier einfach zu groß. „Alle Informanten stimmten überein. Es gab Videomaterial, Aufnahmen, DVDs, Drogen, dass komplette Programm.“

      „Und in der Nacht kam ein kleiner Kobold und versteckte das alles?“ Der Captain zeigte seine strahlend weißen Zähne. Verdammt, dieser Vorzeigebulle würde sich auch auf Wahlplakaten gut machen. Noch einmal atmete er genervt aus. „Sehen Sie es ein, Detectiv Caulfield, das war eine Nummer zu groß für Sie. Sie haben Ihren Namen leider alle Ehre gemacht.“ Er sprach meinen Spitznamen nicht aus, aber er formte die Worte gedankenverloren mit seinen Lippen. „Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als sie vom Fall wegzuziehen. Detectiv Rick DeGries wird die Leitung übernehmen und sie konsultieren, falls er Fragen hat.“

      Ich nickte, sah zu Boden. Damit hatte ich gerechnet. Wochenlange Arbeit … für nichts. Gar nichts.

      „Und was soll machen? Nach Hause gehen? Stricken?“

      „Vielleicht wäre das fürs erste gar nicht so schlecht.“ Er sah an mir herab und versuchte nicht allzu viel Abscheu in seinen Blick zu legen. Zumindest das gelang ihm einigermaßen. „Ich weiß, sie haben sich die letzten Nächte um die Ohren geschlagen, aber fahren Sie nach Hause, nehmen Sie ein langes Bad und versuchen Sie den Fall zu vergessen.“ Er schob mir eine Akte über den Tisch. „Morgen können Sie mit einem neuen, kleineren Betrugsfall weitermachen. Noch ein reicher Schnösel wurde von einer anonymen Quelle beschuldigt. Statten Sie ihm morgen einen Besuch ab, seien Sie freundlich, lächeln Sie und dann legen Sie den verdammten Fall zu den Akten.“ Er nahm ein Kaugummi und bearbeitete es mit den Zähnen, als wäre es ein besonders zähes Stück Fleisch.

      „Ich soll also nur einen Höflichkeitsbesuch abstatten und dann nichts unternehmen, auch, wenn an der Sache etwas dran sein sollte?“

      „Sehen Sie in die Akte“, forderte Captain Wilkow mich auf.

      Ich öffnete die erste Seite. „Andrew Scamander? Der Inmobilienmagnat und Aktienexperte, der liebend gerne mal in Krisengebiete fliegt? Ich dachte, der wäre tot?“

      „Dachten viele“, antwortete mein Chef. „Er ist zurück, lebendiger denn je und keiner weiß, was auf der ganzen Welt gemacht hat.“

      Auf dem Foto hatte er sich die schwarzen Haare mit Gel zurückgekämmt. Sein Bart lag irgendwo zwischen vier und fünf Tage und war nur ein paar Stunden davor, unordentlich auszusehen. Auf einem Foto trug er eine Uniform, auf dem anderen einen feinen Zwirn, der wahrscheinlich mehr kostete, als mein gesamtes Jahresgehalt. „Was hat er angestellt?“

      „Wir hatten einen anonymen Tipp. Betrug, Drohungen, Wirtschaftskriminalität – um ehrlich zu sein, wir wissen es nicht und persönlich denke ich, dass diese ominöse Quelle einfach die Presse ausnutzen wollte, um Geschäftspartner zu diskreditieren.“

      Ich blätterte weiter. Bei uns waren mehrere E-Mails eingegangen, mit Anschuldigungen, Gedankengängen und halbseidenen Kontobewegungen. Natürlich konnte nicht herausgefunden werden, wer die Mail übermittelte. In Zeiten von Darknet und Proxy-Servern musste man nicht einmal mehr ein Meister-Hacker sein, um die Polizei zu verschaukeln. „Ich nehme nicht an, dass wir Ressourcen nutzen, um der Sache nachzugehen?“

      Seine Stirn zog sich in Falten. „Natürlich nicht, dass sind ein paar Mails von irgendjemanden. Gehen Sie der Sache nach und danach haben wir unseren Dienst getan. Glauben Sie mir, Caulfield, wir haben gerade ganz andere Probleme und ich will, dass Sie aus der Schusslinie sind.“ Er winkte mit zwei Fingern. „Das wäre dann alles.“

      Ich erhob mich, ging zur Tür, bis die tiefe Stimme des Mannes noch einmal ertönte. „Und Detectiv Caulfield?“

      „Ja, Sir?“

      „Danach nehmen Sie sich ein paar Tage Urlaub und kümmern sich einmal nur um sich selbst. In Ordnung?“

      Ich erhaschte einen kurzen Blick von meinem Antlitz im Spiegel. Gott, meine Haare sahen aus …

      Ich brauchte dringend einen Kaffee … oder gleich eine ganze Kaffeeplantage.

      „Ja, Sir.“

      Kapitel 2 – Keine Regeln

      Nach einer heißen Dusche, ein paar Stunden Schlaf und einer warmen Mahlzeit, fühlte ich mich augenblicklich besser. Ich trug einen schwarzen Hosenanzug mit weißer Bluse, hatte mir meine blonden Haare hinter dem Kopf zusammengebunden und den Hauch von Make-Up aufgelegt.

      Da mir aber die Decke in meinem kleinen Apartment, im nördlichen Ende von Brooklyn, auf den Kopf fiel und meine Kater Gremling auch schon versorgt war, entschied ich mich dazu, die Akte von Andrew Scamander durchzuarbeiten.

      Dieser Mann weckte mein Interesse.

      Früher war er ein Junge, dessen Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen und sich die meiste Zeit seines Daseins alleine rumschlagen musste. Er übernahm die Firmen der Eltern mit 14, führte sie zu nicht gekannten Ruhm und ließ sich gleichzeitig in Krisengebieten der Welt fotografieren. Es folgten Eliteschulen in Paris, Harvard und schließlich noch zwei Jahre, an denen Andrew völlig von der Bildfläche verschwunden war.

      Er war ein Mysterium, das so wenig mit der Presse redete, als ob jedes Wort seine geheime Identität als Superheld aufdecken könnte.