dann wurde der Sichtschutz auch wieder geschlossen und die Tür geöffnet.
„Was ist mit der?“, wollte eine tiefe Stimme aus der Finsternis wissen.
„Sie ist ein Cop“, fügte eine andere, weibliche hinzu.
Andrew trat ein. „Die ist in Ordnung. Ich sage euch, wann ihr sie auf die Straße werfen könnt.“
Was für ein beruhigendes Gefühl! Und verdammt, ich musste meine Dienstwaffe besser verstecken!
Endlich konnte ich zwei riesige Kerle und eine nicht minder riesige Frau ausmachen, die mich mit kühlen Augen anstarrten. Ich quetsche mich an ihnen vorbei. Leder, Lack, gefärbte Haare, Ohr- und Nasenringe, Muskeln überall.
Kein Zweifel – das Trio wollte alleine mit ihrem Auftreten Angst und Schrecken in die Glieder ihrer Feinde jagen. Zumindest bei mir funktionierte das hervorragend. Und das obwohl ich Waffe und Ausweis unter dem Blazer trug.
Schnell huschte ich an den drei Schränken vorbei und fand Andrew an der Bar sitzend wieder. Er feixte mit dem Kellner, der ihm ein Unterhemd gab. Schnell warf Andrew sich dieses über, deutete auf mich und schon stand ein weiterer Whiskey neben seinem. Erst als ich mich setzte, konnte ich die Eindrücke etwas auf mich wirken lassen.
Es waren gerade einmal zwei Räume, welche vom Zigarrenqualm durchschwängert waren. Rotes Samt und blaues Satin waren die vorherrschenden Farben. Alles hier wirkte kitschig und doch passend ausgesucht. Diese kleine Kneipe mitten in einer Brücke musste früher einmal ein Wartungsraum gewesen sein. Nun standen die erlesensten Getränke hinter dem Tresen und Menschen lachten, johlten und genossen an diesem Ort die Abgeschiedenheit der Nacht.
Frauen trugen Abendkleider oder waren interessant tätowiert. Männer Netzhemden oder Anzüge. Ein bunt zusammen gewürfelter Haufen von Typen, die entweder Macht hatten oder cool genug waren, um hierhin zu gehören.
Ich gehörte zu keine der beiden Kategorien.
„Wie beißt der Laden?“, wollte ich wissen.
Andrew sah sich um. „Er hat keinen Namen. Und das ist auch gut so.“
Danach folgte Schweigen. Gut, wenn er es so wollte.„Wir haben ein paar Unregelmäßigkeiten entdeckt“, gab ich zu bedenken, wobei mir klar war, dass ich mich gerade ziemlich aus dem Fenster lehnte.
„Ach ja?“ Andrew ließ sich nicht aus der Reserve locken.
„Von einer anonymen Quelle“, fügte ich hinzu. „Jemand scheint dir schaden zu wollen.“
Er lachte auf, stieß mit mir an und musterte mich mit diesen stahlgrauen Augen. Diesmal hielt ich seinem Blick stand. „Das kann schon sein.“ Andrew goss den Whiskey in sich hinein. „Um ganz ehrlich zu sein, würde es mich sehr wundern, wenn ich nicht im Fadenkreuz von diesem Typen landen würde.“
„Diesen Typen?“
Er winkte ab, hatte scheinbar das Interesse am Gespräch verloren und starrte auf den Fernseher oben in der Ecke. „Hey Matt, kannst du das Mal lauter stellen?“
Auch ich sah hoch. Während wie von unsichtbarer Hand die Balken der Lautsprecherboxen auf der Mattscheibe nach rechts wanderten, konnte man plötzlich die fordernde Stimme der Nachrichtensprecherin hören.
„… laut neuesten Erkenntnissen ist das Video echt. Die beiden jungen Männer Charles Thommsen und Richard DuBond sind enge Freunde des erst gestern entlasteten James Earling III. Wir sehen hier Videoausschnitte der beiden, in der sie die Tat zugeben.“
Tatsächlich konnte man in den nächsten Sekunden die beiden Milchbubis erkennen. Mit leerem Blick sahen sie in die Linse und sprachen mit dünner Stimme:
„Alle Anschuldigungen gegen James Earling III. und seine Familie sind wahr. Er versorgte das ganze College mit Drogen und auch die Gerüchte wegen Tiffany stimmen.“
Die Menge hinter mir jubilierte. Anscheinend hatte der gute James hier nicht wirklich Freunde. Auch Andrew konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Noch einmal wiederholten die Jungs ihre Worte:
„Alles ist wahr, auch wenn es keine Ermittlungen mehr gegen ihn gibt.“
Mehr musste ich gar nicht hören. Mit offenem Mund starrte ich in Richtung des Fernsehers. Wochen hatte ich versucht die beiden zu verhören, doch das einzige, was ich erreichte, war kurze Statements ihrer Anwälte zu bekommen. Auch Tiffany, das vermeidliche Opfer und all die anderen Mädels wollte ich unbedingt sprechen. Doch sie war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Angeblich hatte sie ihr Studium in Europa fortgesetzt. Von wem diese gesponsert wurde, war allen Beteiligten mehr als klar.
Es hätte eine, eine einzige Aussage gereicht, um den Prozess gegen James Earling III. zu starten. Aber plötzlich waren alle verschwunden. Einige Mädels bekamen auf heiterem Himmel Eliteplätze auf Unis in Europa. Andere gaben ihm sogar ein Alibi und fuhren plötzlich dicke Autos.
Und jetzt?
Als wollte das Schicksal mich verarschen, sagen die beiden besten Freunde des Jungen im Fernsehen aus.
„Das gibt es doch nicht.“
„Mh, wird sich vielleicht strafmildernd auswirken“, stellte Andrew fest und ließ sich nachgießen.
Auch ich trank. „Du denkst doch nicht, dass die beiden das freiwillig getan haben?“ Noch einmal verfestigte ich meinen Blick. „Sie dir an, wie sie in die Kamera gucken. Die beiden sind total verängstigt.“
„Kann sein“, wiegelte er ab. „Auch wenn die beiden ihre Aussage wiederrufen, so wird es unter Umständen doch für eine Ermittlung reichen.“ Er sah mich an. „Ihre Chance, Detectiv.“
Ich nickte, malte mir schon aus, dass ich tatsächlich Chancen hätte, bis eine Überlegung mich stocken ließ. Ich lehnte mich auf die Bar. „Woher wusstest du, dass ich mit dem Fall betraut bin.“
Seine Augen wanderten über meinen Körper. Wieder kam er nah heran. „Ich kann Zeitungen lesen.“ Er sah auf die Uhr. „Jetzt ist es kurz vor Mitternacht. Ich bin mir sicher, Charles Thommsen und Richard DuBond werden bald einen sehr langen Urlaub in Japan oder Frankreich oder am Ende der Welt verbringen. Wenn du dich beeilst, vielleicht kannst du sie noch festsetzen. Immerhin haben die Jungs sich selbst belastet und niemand kennt den Fall besser als du.“ Er streichelte mir über die Wange. Trotz der anderen Gerüche und der Kämpfe, die er bestritten hatte, war noch immer eine Nuance eines herben Parfüms zu riechen.
„Du bist gut informiert“, wisperte ich.
Behutsam glitt seine mit Bandagen eingewickelte Hand über meine Haare. „Ich bin nur ein besorgter Bürger. Wenn du Fragen hast – gegen Mitternacht bin ich öfter hier.“
Unsere Lippen trennten nur wenige Zentimeter. War es der Alkohol oder Aussicht doch noch Erfolg zu haben? Gleichgültig.
Irgendwas ließ meinen Verstand aussetzen. Dieser Typ lachte wie ein Wolf, der mit einem Schaf spielte. Seine Zähne blitzen auf, als er seinen Kopf zur Seite lehnte.
Ich würde ihn ausnutzen müssen, um ihm jede Information zu entlocken, die für uns wichtig war. Seine eigene Arroganz war ihm im Weg und die Gewissheit, dass er jede Frau bekommen könnte. Gut so, dass machte es für mich einfacher. Und doch wurden meine Knie weich.
Es benötigte ein wenig Anstrengung, bis ich mein Gesicht wegziehen konnte. Mit großen Schritten schnellte ich zur Tür. „Danke, für die Drinks.“
Er hob das Glas. „Sehr gerne, Lisa. Jederzeit wieder.“
„Und Andrew?
„Mh?“
„Bitte verlass im Moment die Stadt nicht. Nur, falls das NYPD noch ein paar Fragen an dich hat.“
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