Maxi Hill

David - Die Grausamkeit des Unterlassens


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Wochen später und ganz von selbst. Danach halten die Eltern das Kind endgültig von ihr fern. So gesehen ist es doch sehr verantwortungsbewusst. Nicht jeder Mensch weiß mit einem so kranken Kind richtig umzugehen und erklären konnte sie es sich schließlich nicht. Die Chance hat ihr die Mutter mit ihrer heftigen Reaktion gar nicht gegeben …

      Verzweifelt

      Der Morgen des 5. Januar ist bitter kalt. David ist in der Nacht wieder lange in der Wohnung herumgewandert. Er weiß, dass es seine Eltern stört und dass Mutter ihn deswegen schon oft ans Bett gefesselt hat. Mit dem Bademantelgürtel. Heute war er nicht zum Kühlschrank gewandert und hat nach Essbarem gesucht. Hunger hat er seit Langem nicht mehr. Er ist aufgeregt. Niklas hat gestern gesagt: David, du hast morgen Geburtstag. Fünf, hat er gesagt und die Finger einer Hand gespreizt. Das also sind fünf Finger. David betrachtet seine Hand. Sie zittert, aber nicht weil er traurig ist, überall gesucht aber keine Überraschung gefunden zu haben. Seine Hand zittert, weil es hier am Fenster noch kälter ist und weil die Fenster weiß angefroren sind. Ein weißer Streifen ist über Nacht von unten nach oben gewachsen, oben mit einem Muster wie die Wiese im Sommer, nur so weiß wie der Schnee, der unten auf dem Gehweg liegt und auf der Wiese vor der Mauer, wo er manchmal mit kleinen Steinchen gespielt und schöne Muster gelegt hat. Zu gerne würde er mit anderen Kindern den kleinen Hügel herunter rodeln, aber er darf nicht aus dem Haus und den Schlitten bekommen sowieso seine kleinen Schwestern Chrissi und Moni. Falk und Susi bekommen ihn auch nicht. Sie sollen mit ihren Klassenkameraden rodeln gehen, sagt Papa.

      Vielleicht bekommt er ja heute etwas ganz Schönes. Ein Skatbord, noch schöner wäre ein kleines Fahrrad. Wenn er doch nur nicht so müde wäre.

      Die Großen sind noch nicht aufgestanden. Seine Beine zittern und ihm ist schlecht. Er legt sich noch einmal unter die Decke, aber besser wird ihm bei seiner Aufregung nicht.

      Als er wieder wach wird, sind die Betten seiner Schwestern leer. Auch in der Küche ist niemand. David läuft wankend mit blanken Füßen in alle Zimmer. Niklas und Sven und auch Falk und Susi sind wahrscheinlich schon zur Schule. Vater und Mutter sind sicherlich mit den beiden Mädchen unterwegs. Dann fällt ihm etwas ein: Sein Platz am Tisch in der Küche!

      Schon von der Tür her sieht er – nichts. Keine Kerze steht auf seinem Platz, kein Kuchen oder ein noch so kleines Geschenk mit einer Schleife liegt dort, wo er gewöhnlich sitzt, wenn er mal mit am Tisch sitzt. Seine Lippen ziehen sich breit, als ihm der beste Gedanke kommt, der ihm je gekommen ist. Sie sind irgendwo, wo sie das Geschenk für ihn holen. Dazu braucht Mutter den Vater. So ein Fahrrad ist ziemlich schwer. Es ist ihm unheimlich, so allein in der Wohnung. Im Heim hätten die Kinder jetzt für ihn gesungen und eine Kerze angezündet.

      Soll er heimlich hoch zur Frau Herold gehen? Am liebsten würde er, aber Mutter hat ΄s verboten. Vater hat zwar gesagt, was er dort bekommt, braucht sie ihm nicht zu kaufen, aber er hat es ihm auch nicht erlaubt. Und vielleicht hat sein Bruder Sven Recht? Vielleicht wollen die Herolds nur spionieren, um den Eltern die Hexe vom Jugendamt auf den Pelz zu schicken. Und dann müsse er wieder in das Heim zu wildfremden Menschen.

      Für David ist das gar kein so übler Gedanke. Er huscht zurück ins Bett, der einzige Ort, den er für sich hat, den er liebt und hasst. Er liebt ihn, weil es ein Ort ist, der nur ihm gehört. Er hasst ihn, weil er ihn nicht verlassen darf, wann er es möchte. Manchmal kann er gar nicht, weil er den Bademantel-Gürtel allein nicht los bekommt.

      Es ist ein so schönes Gefühl. Wieder sitzt er im warmen Badewasser bei Frau Herold. Er spürt die Wärme auf seinem Bauch, an seinen Lenden, und die Frau reicht ihm die Schokolade. Diesmal isst er sie ganz schnell auf, bevor die Mutter sie ihm nehmen kann. Ihm wird schlecht, aber das zeigt er der Frau nicht. Das zeigt er niemandem. Und dann nimmt die Frau das Buch und liest ihm die Geschichte vom kleinen aufsässigen und ungeduldigen Häwelmann vor, der mit seinem Bett zum Mond fliegt und der von den unbekannten Dingen nicht genug kriegen kann …

      »Hallo, Schlafmütze! «, ruft der Mond. Warum schreit der Mond so laut, er schläft doch gar nicht? Er fliegt so wunderbar leicht, ist gar nicht müde und hat auch keinen Hunger … Der Mond rüttelt ihn und David reibt seine Augen. Vor seinem Bett steht der Vater mit einem Paket bunter Kreide und einem Malbuch. »Verpenne nicht deinen Geburtstag. «

      »Wo ward ihr denn? «

      »Wir haben 's nicht so gut wie du«, schreit die Mutter aus der Küche und David wird blitzartig klar, dass er nicht in der warmen Wanne bei Frau Herold gesessen hat und was die warme Feuchtigkeit um ihn herum in Wahrheit bedeutet.

      Aus der Küche weht der Dunst gekochter Pellkartoffeln herein und auch Zwiebelgeruch beißt in seinen Rachen. Er hasst Zwiebeln und davon tut Mutter immer extra viel in den Quark. Das isst er nicht, da schleicht er sich vielleicht doch nach oben zu Frau Herold … Warum wusste er nicht, dass die Herolds schlechte Menschen sind? Dabei war die Frau doch genauso nett wie seine Tante Ursel. Seine Lippen ziehen sich wie von selbst breit …

      »Na, freust dich ja doch noch«, poltert der Vater. »Ich dachte schon, ich soll das hier wieder mitnehmen. «

      David schaut noch einmal genau, ob nicht doch irgendwo ein Skatbord liegt oder ein Fahrrad steht.

      »Ich wollte doch ein Skatbord«, sagt er traurig.

      Aber Vater sagt: »Soll ich dir eins schnitzen?«, wie er es immer sagt, wenn etwas Geld kostet.

      Weil er längst weiß, dass keine Kerze für ihn brennt, dass keine bunte Serviette auf seinem Teller liegt, dass sich nur das schmutzige Geschirr auf dem Küchentisch türmt, drückt er die Bettdecke fester um seinen Leib. Niemand soll merken, was ihm passiert ist. Vor allem Mutter nicht, die schlägt ihn dann.

      Für diesen Tag bleibt der fünfjährige David Brock im Bett, wie er so manchen Tag im Bett bleiben musste – zur Strafe. Er hat sowieso keinen Hunger …

      Vermeiden kann er das Dilemma nicht, das ihm später Hören und Sehen vergehen lässt.

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