Nam-Sig Gross

Der männliche Baum


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       Nam-Sig Gross wurde in Südkorea geboren und kam 1974 im Alter von 19 Jahren als examinierte Krankenschwester nach Deutschland, um Musik zu studieren. Nach ihrem Studium an der Musikhochschule Detmold ist sie mittlerweile seit mehr als 35 Jahren als Instrumentalpädagogin im Fach Klavier tätig. Mit ihrem deutschen Mann ist sie seit 1978 verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. In Zusammenarbeit mit ihrer deutschen Heimatstadt Lippstadt organisierte sie mehrere Veranstaltungen mit dem Ziel der kulturellen Begegnung mit Südkorea. Eine erste Fotoausstellung wurde begleitet von Vorträgen, Sport- und Tanzveranstaltungen, wie u.a. einer Ballettchoreographie, die das klassische Ballett mit traditionellem koreanischem Tanz verband (1996). Es folgten zwei Kunstausstellungen zu Kalligraphien und Keramiken des koreanischen Künstlers Chilsan Lim Jae Yong (1999) und zur koreanischen Volksmalerei (Minhwa) des Künstlers Kim Man Hee (2005). Diese letzte Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Koreanischen Botschaft anschließend auch in Berlin gezeigt. Mit ihrem Buch leistet Nam-Sig Gross nun einen weiteren Beitrag zur Völkerverständigung und bietet Einblicke in ein Leben zwischen zwei Kulturen.

      Mehr zur Autorin: www.nam-sig-gross.com

      Nam-Sig Gross

      Der männliche Baum

      Ein Leben zwischen zwei Kulturen

      Erstauflage 2016

       Nam- Sig Gross : Der männliche Baum – Ein Leben zwischen zwei Kulturen

      Copyright: © 2016 Nam-Sig Gross

      www.nam-sig-gross.com

      [email protected]

       Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

      Für

      Alexandra Nam-Mi 남미

      Henriette In-Su 인주

      Maximilian Han-Sig 한식

      und für die Menschen, die mir die Frage stellten:

       „Erzählst du mir von deinem Leben?“

      Seoul/Lippstadt Mai 2016

       Inhalt

       1. Ein dritter Raum

       2. Schreiben

       3. Geteiltes Land

       4. Drei Geburtstage

       5. Der männliche Baum

       6. Der Brunnen

       7. Ein Wiedersehen

       8. Ruhm

       9. Die Schamanin

       10. Als der Tiger noch Pfeife rauchte

       11. Meine erste deutsche Freundin

       12. Adventskalender

       13. Die Pilzhexe

       14. Kulturelle Begegnung

       15. Ein Traum

       16. Der Traum des Schmetterlings

       17. B. B. B. - die weite Welt

       18. Mein Vater, kein Konfuzianer

       19. Eine Frau im Strohsack

       20. Meine Mutter, eine koreanische Frau

       21. Trostfrauen

       22. Ferne Nähe

       23. Heimatlos in der Heimat

       24. Sechzigster Geburtstag (HANGAB)

      Einen dritten Raum soll es geben.

      Einen vertrauten, eigenen.

      Ein solcher Raum entsteht aus einer Mischung des Fremden, das im Laufe der Jahre zu etwas Vertrautem wurde, und des angeborenen Vertrauten, das zu Fremdem wird. Eingravierte Überzeugungen werden von Neuem überschrieben. Vermeintlich Verstandenes wird von unvorhergesehenen Ereignissen des Lebens wieder in Frage gestellt.

      Ein Fluss kehrt nie wieder zurück zur Quelle, sagte ein alter Mann, sein Lebensende ahnend. Doch am Ende trägt jeder Fluss unzählige Erfahrungen mit sich, gewonnen im kurvenreichen Verlauf seines Weges. Und es lohnt sich, diese noch einmal zu reflektieren, bevor sie mit dem großen Meer verschmelzen.

      Ich spürte solch einen dritten Raum, der nur mir zugänglich war. Eigentlich von Anfang an.

      Bereits als ich ein kleines Kind war und unsere acht Familienmitglieder mit zwei Zimmern auskommen mussten, besaß ich meine eigene Ecke. Als ich meine Ecke dann doch mit anderen teilen musste, wich ich über eine Holztreppe in einen Zwischenraum aus, eine Art Einbauschrank. Er hatte ein kleines Fenster, das Tageslicht spendete. Dort stellten wir tagsüber unsere Schlafmatten ab, wenn unser Schlafzimmer in ein Wohn-, Arbeits- oder Esszimmer umgewandelt wurde. Wir mussten unsere Schlafmatten mit einem aus Baumwolle fest gesteppten unteren Teil und einer etwas lockerer gesteppten Decke ordentlich falten, damit alle Matten in diese schmale Nische passten. Dann kamen noch die länglichen Kopfkissen darauf, aus Baumwollstoff genäht und mit verschiedenem Getreide gefüllt. Da jeder ein Kissen besaß, kam doch einiges zusammen, das den Lagerraum füllte.

      In diesem Raum konnte man nicht aufrecht stehen. Selbst ich als kleines Mädchen musste mich im Sitzen bewegen. Ich schob dann die Matten etwas beiseite, soweit es der Raum erlaubte und stellte einen kleinen alten Esstisch, der keine Verwendung mehr fand, nachdem eines der Beine abgebrochen war, als Schreibtisch dort hinein. Das fehlende Tischbein konnte ich durch meine alten Bücher ersetzen, so hoch gestapelt, bis der Tisch eine einigermaßen ebene Fläche zum Schreiben ergab. So war mein geliebter Schreibtisch, mit alten Büchern repariert, etwa vierzig Zentimeter hoch. Unsere