Juna Herold

Mondgruß


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um die zu beweisen, bräuchte man ihrer Ansicht nach erstens ein Bett und zweitens einen Mann darin. Ein derartiges Wesen hat man aber schon lange nicht mehr an meiner Seite gesehen, geschweige denn in meinem Bett.

      Gleich wird sie mich wieder darauf hinweisen, dass ihr mein letzter bemannter Sex entschieden zu lang her ist, auch das sehe ich ihr gerade ganz genau an.

      „Solltest du übrigens auch endlich mal wieder ausprobieren, das tut echt gut“, sagt sie prompt und nickt, als müsste sie damit ihre eigenen Worte bestätigen. „Sex hält nämlich Leib und Seele zusammen.“

      „Essen, meine Liebe, Leib und Seele hält man mit Essen zusammen.“

      „Ach was“, entgegnet sie grinsend. „Ohne Sex kein Leben.“

      Ich grinse auch. Wie könnte ich da widersprechen? „Neues auf jeden Fall“, schmunzle ich.

      „Ich glaube, du stellst dich gerade wieder einmal absichtlich dümmer, als du bist.“ Sie schnappt sich ihr Handtuch und die edle Spezialcremedusche aus dem Kosmetikladen. „Oder hast du schon vergessen, wie das überhaupt geht?“

      „Ich weiß schon noch, wie das geht, keine Sorge“, antworte ich, weil ich weiß, zu welchen Ausführungen ihrerseits mein Schweigen an der Stelle führen würde.

      Leider kommen gerade keine Duscherinnen in die Umkleide zurück und sorgen dafür, dass ich mit Vera das Thema Die Männer und Sophias Chancen, ihr todgeweihtes Sexualleben wiederzubeleben nicht weiter vertiefen muss. Um mein nur nach außen hin stillgelegtes Liebesleben sollte sie sich wirklich keine ernsteren Gedanken machen, ich bin schließlich auch mit der Do-it-yourself-Variante glücklich und zufrieden.

      Ich versuche jetzt einfach mein Glück, ihrem Vortrag zu entkommen, indem ich mir mein nicht ganz so edles Duschbad aus dem Supermarkt und das Handtuch schnappe und von der Bank aufstehe. Vera auch, dem Himmel sei Dank.

      „Du weißt ja, dass ich mich umsehe, wo ich geh und steh“, sage ich auf dem Weg zur Dusche und nur ich selbst weiß, dass das nicht ganz ehrlich ist.

      „So? Weiß ich das? Ich meine das schon ernst. Schau dich mal an! Du bist jetzt in den besten Jahren, jünger wirst du bestimmt nicht mehr, glaub es mir. Wenn du mal alt und runzelig bist, schaut dich bestimmt keiner mehr an!“

      „Ist ja schon gut, du alte Schachtel“, lache ich und treibe Vera vor mir her über den Gang.

      Fürs Erste ist damit das Thema abgehakt, diesmal hatte ich Glück. Wenn ich an einer solchen Stelle Pech habe, rät sie mir zu einer Kontaktanzeige im Käseblatt, zu einer der vielen Dating-Agenturen oder sogar zum Speed-Dating. Alles schon dagewesen, insofern bin ich gerade vergleichsweise ungeschoren davongekommen.

      „Na?“, fragt Vera unsere Kurskolleginnen, die schon fertig geduscht haben. „Habt ihr uns diesmal noch was im Boiler gelassen?“

      „Geht gerade noch so“, antwortet eine, wickelt sich ihr riesiges Saunatuch zweimal um ihren Traumbody und trippelt auf Zehenspitzen hinaus.

      „Tse, Angst vor Fußpilz, aber dann ewig duschen“, lästert Vera. „Und warum haben sie aufgehört? Weil das Wasser wahrscheinlich schon wieder so kurz ist!“ Sie hält Daumen und Zeigefinger im Abstand von fünf Zentimetern.

      Ich finde es lustig, wenn eine Frau die Wassertemperatur wie ein Mann anzeigt. Mir macht das kalte Wasser nichts aus. Wenn ich hier nur zu einer Katzenwäsche komme, habe ich wenigstens einen guten Grund, daheim noch einmal ausgiebiger zu duschen.

      Unvorsichtigerweise dreht Vera den Hahn voll auf.

      „Iiiih“, quiekt sie und springt zurück. „Das ist ja noch viel kürzer als gedacht! Das reicht nicht für eine Dusche.“

      „Wir gehen also zusammen heim?“, frage ich scheinheilig, obwohl ich die Antwort kenne.

      „Nee, das hieß nur, dass ich auf die nächste Runde warmes Wasser warte. Irgendwann wird der Boiler das ja wohl wieder haben, oder?“

      Ich weiß Bescheid und schmunzle in mich hinein.

      „Außerdem“, sagt Vera und schaut dabei unglaublich ernst, „muss ich dieses Problem dringend mit Luc besprechen. Wenn ihm das nicht bald jemand sagt, wird das warme Wasser hier bis zum Sankt Nimmerleinstag nicht für seine ganzen Damen reichen.“

      Ich nicke begeistert. „Das musst du ihm sagen! Wenn nicht du, wer denn sonst!“

      Vera kneift die Augen zusammen. „Was auch immer du damit gerade andeuten möchtest …“

      „Ich wollte sagen: Nein, meine Liebe, es macht mir nichts aus, alleine heimzugehen. Ich werde es schaffen, großes Indianerehrenwort.“

      „Bist ein Schatz.“

      Ich muss über Veras Augenaufschlag grinsen. Mit dem erreicht sie bestimmt alles, was sie will. Alles. Und heute wird es nicht anders sein als in den letzten sechs Wochen: Wir sind von diesem Kurs am Mittwochabend noch nicht ein einziges Mal zusammen heimgegangen.

      „Ich wünsch dir was …“, sage ich honigsüß, obwohl ich eigentlich ich wünsch euch was hätte sagen wollen, und hole mir einen Schmatzer links und einen rechts ab.

      Der Rest der Nacht gehört Luc, dem jungen, blonden Charmeur, das wissen wir beide, und ich mache mich alleine auf den Heimweg.

      Luc, der eigentlich Lukas heißt, ist heute Abend ein glücklicher Mann. Sympathisch ist er mir auch, mehr aber nicht. Ich finde ihn eher seltsam. Zum Beispiel, weil er es für nötig gehalten hat, irgendwo in seinem Stammbaum eine französische Wurzel auszugraben. Mit der Begründung, dass Luc für den Inhaber eines Yoga-Studios doch viel edler klingt als Lukas. Als ausgewachsener Startrek-Fan hat er sich natürlich auch darüber gefreut, dass ihn die Variante seines Vornamens dem legendären Captain Jean-Luc Picard ein Stück näher gebracht hat. Das hat er aber bestimmt erst so klar erkannt, als Vera es ihm gesagt hat.

      „Mit Glatze kann ich mir dich gut vorstellen“, hat sie ihm am Eröffnungsabend seines Studios zugeraunt.

      Durchaus berechtigt in meinen Augen, angesichts seiner bereits in jungen Jahren sehr ausgeprägten Geheimratsecken, denn älter als 25 scheint er mir nicht zu sein.

      Er hat ihr daraufhin mit seinem Prosecco-Glas zugeprostet und ihr tief in die Augen gesehen. So war das. Denn wie es der Zufall so wollte, gibt es in diesem Studio nach unserem Kurs von halb acht bis neun keinen weiteren mehr und so darf auch Luc danach nach Hause gehen. Das tut er seit der zweiten Kursstunde schon nicht mehr alleine, denn in der ist er Vera endgültig verfallen. Nicht umgekehrt, da bin ich mir ganz sicher. Vera ist nämlich nicht für lange Beziehungen gemacht und er muss sich letztendlich auf etwas gefasst machen, sollte er ihr das eines Tages sagen, dass er in ihr die Liebe seines Lebens sieht. Manchmal habe ich mir schon überlegt, ob ich ihm die Wahrheit über Vera vielleicht lieber gleich erzählen sollte, schließlich bin ich – im Gegensatz zu diesem armen Tropf - in ihre Ansichten über Sex ohne Liebe eingeweiht. Aber dann sehe ich ihn wieder vor mir, so verliebt und genau aus dem Grund so unbeirrbar, dass ich es lieber bleiben lasse. Er würde mir ja doch nicht glauben und mir mit Sicherheit erklären, dass er sie schon noch davon überzeugen wird, der einzig Richtige zu sein. Und umgekehrt sie die einzig Richtige für ihn. Ich denke inzwischen: Bonne chance, Luc. Denn mehr als Glück kann ich ihm an der Stelle wirklich nicht wünschen.

      Vera sonnt sich jedenfalls derzeit in seiner Anbetung für sie und sie steht auf Glatze. Noch hat Luc Haare auf dem Kopf, die Frage ist nur, wie lange noch, weil ich den leisen Verdacht habe, dass sie schon jede Woche etwas kürzer werden. Bis zu Jean-Luc Picard fehlen zwar noch ein paar Stufen mit dem Haarschneider, aber das bekommt Vera auch bald hin, wie ich sie kenne.

      Ein bisschen dauert es noch, denn im Gegensatz zu Vera ist Luc kein Freund von schnellen Taten. Zwischen den beiden scheint es ganz gut zu klappen und wenn man ihr glauben darf es ist sogar die pure Harmonie. Was aber kein Wunder ist bei der inneren Energie, die Vera für ihn sammelt. Wahrscheinlich die ganze Woche, so wie sie strahlt.

      Es zahlt sich immer wieder aus, was Vera