unsere Postleitzahl, und wie das Wetter denn so wäre auf der schönen Insel. Im Sommer sei sie mal hier gewesen. Nach Austausch all dieser Formalitäten und Informationen in perfektem spanisch rät sie uns, am Mittwoch im Hause zu sein, um das Paket in Empfang zu nehmen. Wir würden uns doch sicher freuen, nimmt sie Anteil – oh ja, sehr sogar, bald ist doch Weihnacht, sage ich.
Nur: Wer denkt da so lieb an uns? Wer nur ist es, der uns mit einem Paket beglücken will? Wer nur macht sich solche Arbeit? So geht es uns durch den Kopf: Auswählen, womit man uns wohl im fernen Land, weit übers Meer, eine Freude machen könnte, alles zusammentragen, Packmaterial suchen, einpacken, worldwide anrufen und, und, und...... all das stellen wir uns vor.
Mittwoch, ein herrlicher Tag, Sonne, Wärme, geeignet, eine Wanderung zu machen. Auf den Berg Alaro, auf den Deich bei Molinar? Alles nicht, wir bleiben im Haus, trauen uns nicht auf die Straße. Wer nur schickt uns...? Wer denkt so aufmerksam an uns hier auf der Insel?
Wir erfahren es am Mittwoch nicht. Auch am Donnerstag erfahren wir nicht, was da wohl drin ist, in dem Paket, und von wem es ist, denn am Donnerstag, ein 6. Dezember, feiert jeder aufrechte Spanier nicht Nikolaus, sondern den Tag der Konstitution. Die Geschäfte sind geschlossen, die Behörden arbeiten nicht (was an sich noch nicht viel zu sagen hat), die Arbeiter und Angestellten widmen sich ihren häuslichen Arbeiten (auf Mallorca z.B. können sie es nicht lassen, auch an solch einem hohen Feiertag handwerkliche, mit Bohren und Hämmern verbundene Arbeiten auszuführen). Auch Worldwide Express arbeitet nicht, selbstverständlich.
Am Freitag wähle ich erneut die angegebene Nummer, drücke weisungsgemäß die Taste 1, nenne meinen Namen, buchstabiere ihn, übermittle die Paketnummer, antworte brav auf die Frage, wo auf Mallorca der Ort Illetas zu finden sei, schildere also Lage und Befinden und erfahre, daß am Freitag der Bote das Paket bringe, so gegen 18 Uhr.
Die Spannung steigt, die Vorfreude wird größer. Woher es nur kommen mag, das Paket? Und von wem? Ab 12 Uhr verordnen wir uns strengen Hausarrest. Um 16 Uhr klingelt es. Worldwide ist da, das Paket ist da! rufen wir wie aus einem Munde.
Der Bote übergibt uns gegen Quittung einen 50 x 50 cm großen, braunen Pappkarton, dessen Inhalt sich unschwer als ein Wandkalender ausmachen läßt – womit unsere Spannung sichtbar nachläßt und einer gewissen Enttäuschung Platz macht. Nicht, daß jetzt jemand denkt, wir seien undankbar, oder etwa fragt: “Ja, was habt ihr denn erwartet?“ Nein, um Gottes Willen - nur, wir wissen nicht wohin mit einem solchen Geschenk. Wüßten Sie es? Ehrlich?
Nun, die Bank aus dem fernen Frankfurt nimmt auf Platzfragen keine Rücksicht, erinnert sich unser aber in Spanien und wünscht frohe Weihnachten mit 12 Kalenderblättern in Glanzdruck, jedes 45x 45cm groß, mit Werken von Künstlern unserer Zeit. Wie es heißt, befinden sich die vom Vorstandsvorsitzenden persönlich, ich betone das, ausgesuchten Originale im Besitz der Bank. Er will uns, und sicher noch vielen anderen Bankkunden, mit diesem Kunstkalender eine Freude machen und erzieherisch wirken. Eine edle Aufgabe.
Ein Blatt zeigt eine Arbeit von Damien Hirst. Daß ich ihn nicht kenne, besagt nichts. Ich weiß nicht, ob Sie schon von ihm gehört haben. Es ist der, der da sagte, die Welt werde auf eine gewisse Weise durch die Kunst verändert. Durch sie würden die Menschen dazu gebracht, über ihr Leben nachzudenken. So finden der Tod und seine ständige Präsenz Eingang in seine Werke. Damien hat sein Gemälde „Biotin-Malemide“ genannt nach einem pharmazeutischen Präparat, von dem Sie vielleicht eher schon einmal gehört haben. Wir kennen es nicht, da wir ohnehin bisher weitgehend ohne Pillen auskommen. 391 dieser Pillen in allen Farben sind regelmäßig auf eine 4,32 x 3,17 m große Leinwand gemalt. Hübsch sieht das aus. Wenn wir für den Kalender einen Platz finden, hätten wir erst im September die Gelegenheit, 30 Tage lang angesichts der Pillen über Alter, Sterben und Vergänglichkeit nachzudenken.
Wir sind nicht undankbar. Ganz und gar nicht. Ich sagte es schon. Immerhin ist dem Vorstandsvorsitzenden und seiner Bank eine Weihnachtsüberraschung gelungen, was heutzutage doch wirklich eine Seltenheit ist und über die man sich freuen sollte…
Der Bäckerladen
Der Leser wird mit mir darin übereinstimmen, daß ein Büstenhalter ein Kleidungsstück ist, dessen man sich nicht zu schämen braucht. Man sieht sie zu Hunderten in Kaufhäusern an Ständern hängen oder schön verpackt stapelweise in Regalen liegen – offen, gut sichtbar und nicht etwa unter der Theke. Man sieht sie in Schaufenstern von kleinen Weißwarenläden auf dem Lande oder in eleganten Auslagen von Dessousboutiquen in der Großstadt, ja, man sieht sie sogar auf dörflichen Marktständen an Stangen im Winde baumeln, in allen Größen, Weiten und Farben. Wäre Ihnen je beim Anschauen ein erotisches Gefühl aufgekommen oder ein anderes, dessen Sie sich gar schämen müßten? Und auch das Verführerische, oder gar Verruchte, das einem schmeichelnd in Farbkatalogen von Versandhäusern, auf Plakaten und im Werbefernsehen vorgeführt wird – vermag Sie das zu beeindrucken? Heute noch, in unserem Zeitalter? Doch wohl kaum. Es sei denn, Sie hätten gerade einen Bedarf oder suchten ein passendes Geschenk, zum Hochzeitstag zum Beispiel, oder zu Weihnachten, oder einfach nur so. Und wer, frage ich Sie, wer hätte dann eine Scheu, mit einem neuerworbenen Büstenhalter, im Volksmund einfach BHs genannt, offen zur Kasse zu gehen, um den Kaufpreis zu entrichten?
Warum schreibe ich das eigentlich, werden Sie mich zu Recht fragen. Warum beschäftigt mich ein so banaler Einkaufsvorgang, der sich tagtäglich tausendfach überall auf der Welt vollzieht? Vielleicht liegt es daran, daß neuerdings auch Büstenhalter zum Angebot unserer Bäckerei von nebenan gehören, neben Hefeschnecken, Berliner Ballen und Oberhessischem Landbrot. Dazu noch zu einem außerordentlich günstigen Preis, wie mir schien. Einem Schnäppchenpreis eben, den man sich nicht entgehen lassen darf.
Während ich mir schlicht, da in einem Bäckerladen, ein Brot einpacken ließ, griff eine Dame, gutaussehend, elegant, eine mit Ausstrahlung, ein harmloses BH-Päckchen aus dem Regal. Mit sicherem Blick die passende Größe erkennend, scheu um sich sehend, steckte sie es in ihren Einkaufskorb. Nicht, um etwa ohne zu zahlen zu verschwinden, was man vielleicht zuerst denken könnte. Aber bewahre, welche Dame tut so etwas schon, korrigiert man sich dann sehr schnell. Nein, ich begriff, sie tat das, um dieses Päckchen mit dem BH vor aller Augen verborgen zur Theke zu tragen, dieses Intimteil eben vor den rohen Blicken der Brot kaufenden Umstehenden zu schützen. Dort jedoch mußte sie, gezwungenermaßen, voller Scham, mit aufkommender Röte, ihren Erwerb offen vorweisen, da sich eben nichts in unserer modernen Welt ohne elektronische Hilfe abwickeln läßt. Beim Scanner an der Kasse also bekannte sie Farbe und sich zu ihrem Kaufentschluß. Leise, nur für die Ohren der biederen Bäckersfrau bestimmt, erkundigte sie sich nach den Bedingungen für einen eventuellen Umtausch, ehe sie bar bezahlte und das gekaufte Stück wieder in ihrem Einkaufskorb verschwinden ließ. Spaßhaft könnte man in diesem Zusammenhang auch von einem Körbchen sprechen, nur will ich mir das hier verkneifen. Ohne noch nach links oder rechts zu sehen, verließ sie, einen Gruß murmelnd, den Bäckerladen. Hastig, fast fluchtartig, möchte ich sagen.
Demnächst werde ich mal in unsere Metzgerei schauen. Nur um zu sehen, was die außer Fleisch und Wurst noch so alles zu Schnäppchenpreisen im Angebot haben. Man kann ja nicht wissen. Vielleicht treffe ich dann die Dame mit Ausstrahlung erneut. Mit ihrem Einkaufskorb.
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