Maat Walde

Einen Popstar liebt man nicht, Teil 1


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in die erste Reihe vor Pete zu kämpfen. Ihr blondes Haar klebte verschwitzt an der Stirn und ihre Wangen glühten hellrot, während ihre apathisch wirkenden Augen verrieten, wie es tatsächlich in ihr aussah. Dann brach es endgültig aus ihr heraus. Tränen kullerten über ihre überhitzten Wangen. Aufgeregt hielt sie ihm eine Autogrammkarte mit seinem Abbild darauf vor die Nase und zückte einen schwarzen Stift.

      Pete wurde vom Blitzlichtgewitter dermaßen geblendet, dass er das Mädchen zunächst gar nicht wahrnahm.

      „Kleine, geh zur Seite!“, ermahnte sie der Bodyguard. Um die junge Frau nicht zu verletzen, versuchte er sie mit leichtem Druck nach hinten zu bugsieren, was ihm aber nicht gelang. Die Menge hinter und neben ihr schien sich keinen Zentimeter zu bewegen. „Mädchen, er hat jetzt keine Zeit für Autogramme!“, machte er ihr erneut unmissverständlich klar. Ohne jede emotionale Regung im Gesicht verrichtete er seinen Job. Auch dem Rest der Security war der Stress nun deutlich anzusehen. Ihre zerknirschte Miene ließ vermuten, dass sie es gar nicht erwarten konnten, Pete so schnell wie möglich ins sichere Hotel zu schaffen.

      „Pete, nur EIN Autogramm, … bitte!“, bettelte das Mädchen.

      Der Leibwächter von vorhin seufzte laut, kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. „Jetzt sei vernünftig und mach endlich Platz!“, fuhr er den weiblichen Fan abermals an.

      Doch das ließ die Blondine mit dem hübschen Gesicht nicht von ihrem Vorhaben abhalten. Trotz zittriger Knie blieb sie hartnäckig, was sich schließlich bezahlt machte. Denn erst jetzt registrierte Pete das süße Mädchen. Für einen Augenblick musterte er sie schmunzelnd. Sie hatte ihre Haare mittlerweile aus dem aufgeheizten Gesicht gewischt und trug – im Gegensatz zu dem aufgetakelten Rest, der sich um ihn scharrte – nur dezentes Make-up.

      „Wartet mal!“, meldete Pete sich zu Wort und gab den Bodyguards mit Handzeichen zu verstehen, dass er dem Wunsch des Mädchens nachkommen würde.

      Mit einem unübersehbaren Unmut gaben diese sich geschlagen. Es war der Albtraum jedes Sicherheitsmannes, wenn sich der VIP in einer Menschenmenge dazu entschied, Autogramme zu geben oder Selfies zu machen. Vor allem dann, wenn es vorher nicht abgesprochen worden war; sie hatten alle Hände voll zu tun, denn das, was sie zuerst mit großer Sorgfalt hatten verhindern wollen, trat langsam ein. Die hinteren Reihen begannen stärker nach vorne zu drücken, sodass die muskulösen Bodyguards nur noch schwer der drängenden Menge standhielten. Sie waren für Petes Sicherheit zuständig und trugen die Verantwortung, dass ihn die hysterische Meute nicht erdrückte. Gleichzeitig mussten sie jedoch dafür sorgen, dass den Fans nichts passierte.

      Es war Pete gerade noch möglich, in dem ganzen Getümmel seine Hände anzuheben und nach dem Stift zu greifen, den ihm das Mädchen mitsamt einer Autogrammkarte von ihm freudestrahlend entgegenstreckte. Ihr blondes Haar schimmerte im Blitzlichtgewitter und ihre niedlichen Sommersprossen waren im grellen Licht verstärkt zu sehen.

      Hastig kritzelte Pete seine Unterschrift und ein Herz auf das Bild und schenkte ihr ein ehrliches Lächeln. Vor lauter Freude über das handsignierte Autogramm, begann das Mädchen zu springen und hielt sich dabei hysterisch eine Hand vor den Mund. Von ihren Mitstreiterinnen erntete sie dafür bloß neidische Blicke, die nun ebenfalls versuchten, so nah wie möglich an ihr Idol heranzukommen und ein Foto mit ihren Handykameras zu machen. Genau das hatten die Leibwächter zuvor verhindern wollen. Mit diesem Autogramm hatte Pete eine Lawine losgetreten, die sich nur schwer wieder stoppen ließ. Die anderen Mädchen und jungen Frauen fühlten sich nun automatisch dazu aufgefordert, ebenfalls ihr Recht einzufordern. Geduldig ließ Pete sich noch dazu hinreißen, ein paar Selfies mit seinen Fans zu schießen, und auf das eine oder andere Autogramm seine begehrte Signatur zu setzen. Als er jedoch merkte, dass es in der Menschentraube kein Weiterkommen mehr gab, entschied er sich, seinen Leibwächtern Folge zu leisten. Nach ein paar letzten Autogrammen ließ er sich von den vier Männern langsam, aber sicher, nach vorne zum Hoteleingang geleiten.

      Pete liebte den direkten Kontakt zu den Fans und suchte ihn für gewöhnlich auch. Neben der Musik waren es seine natürliche Art, sein Humor und sein Charme, was ihn so beliebt machte. Sein bodenständiges Naturell hatte ihm auch bei zahlreichen Journalisten, denen er in regelmäßigen Abständen Interviews gab, einen guten Ruf eingebracht. Er war ein leicht umgänglicher Mensch mit Anstand, gab sich stets gut gelaunt, was ihn bei all den existierenden Rüppel-Stars beinahe schon zu etwas Besonderem machte. Seine unangefochtene Beliebtheit bescherte ihm allerdings auch Neid seitens einiger Kollegen. Damit konnte er allerdings leben.

      Kurze Zeit später befanden sie sich endlich in der Hotellobby. Einige Fans und Paparazzi wollten sich durch den Hoteleingang hindurchdrängeln, was ihnen allerdings nicht gelang, da der Sicherheitsdienst des Luxushauses schneller war und ihnen geschickt den Zutritt verwehrte. Den Fotografen und Kameraleuten gelang es gerade noch, ein paar letzte Bilder von Pete und seinen Gefolgsleuten, die im Hotel bereits auf ihn gewartet hatten, einzufangen. Eilig schossen sie ein Foto nach dem anderen, wie Pete – von seinem Team umgeben – zum Fahrstuhl lief.

      Jene Fans, denen es gelungen war, sich bis zur gläsernen Drehschwingtür zu drängen, hauchten ihrem Star noch herzliche Handluftküsschen zu. Ein letztes Mal drehte Pete sich in ihre Richtung, winkte ihnen mit einem müden Lächeln zurück und stieg dann in den Aufzug, um nach oben in seine Suite zu fahren.

      Kapitel 2

      Ein kleines Dorf in Deutschland

      Der herrliche Duft von frisch gemähtem Gras verteilte sich im Wohnzimmer. Für gewöhnlich liebte Daphne den Geruch des Frühlings, doch seit zwei Jahren ließen sie diese Impressionen kalt. Ein Teil, tief in ihrem Inneren, war gestorben.

      Nachdenklich klappte sie das Tagebuch zu und ließ ihre Gedanken mit glasigen Augen Revue passieren. Die Erinnerungen an den grausamen Autounfall und dessen Folgen hatten sich in all ihren unschönen Fassetten in ihr Gehirn gepflanzt, als wäre es erst gestern geschehen.

      Unweigerlich dachte Daphne an jene Nacht zurück, in der sich auf einen Schlag alles verändert hatte. Noch heute konnte sie jedes kleine Detail von damals genau wiedergeben und fühlen – den schrecklichen Anruf, ihren psychischen Zusammenbruch, den anschließenden Besuch auf der intensivmedizinischen Station im Krankenhaus, verbunden mit einem gewöhnungsbedürftigen Geruch, und das Gespräch mit den Ärzten, die ihr schonungslos beibrachten, nun stark sein zu müssen ...

      Es hatte nur eine knappe Minute gedauert, eine Minute, in der sie ihr erklärten, dass ihre Eltern tot waren. Umgekommen bei einem tragischen Verkehrsunfall, den Daphnes Freund Daniel als Lenker verursacht hatte. Seit diesem Zeitpunkt lag er im Koma.

      Die Intensivmediziner hatten ihr schon damals nicht sagen können, ob Dany jemals wieder erwachen und ins Leben zurückkehren würde. Zu etwaigen Folgeschäden wollten sie sich erst recht nicht äußern. Dennoch gab es für Daphne in dieser einen Nacht keinen Grund, nicht an seine vollständige Genesung zu glauben ...

      Daphne seufzte leise. Nur zögernd verließ sie den Schreibtisch und ging langsam zum offenen Fenster hinüber. Für den Augenblick schloss sie die Augen und legte den Kopf in den Nacken, um die ersten Frühlingssonnenstrahlen zu genießen. Das warme Licht kitzelte angenehm auf ihrer Nasenspitze. Müde öffnete sie die Lider und starrte stumm auf die Baumkrone vor dem Fenster, ehe sie ihren Blick in den Garten hinabschweifen ließ. Die ersten Boten dieser schönen Jahreszeit zeigten sich in Form von wunderbaren Schlüsselblumen. Zum ersten Mal seit Langem spürte sie wieder so etwas wie ein leichtes Glücksgefühl in ihrer Brust, ein Gefühl, das jedoch nur kurz andauerte; sie erlaubte es sich einfach nicht, glücklich zu sein, solange Daniel, mit dem sie einst ihr Leben verbringen wollte, im Koma lag. Auch wenn sie wusste, dass sie dieses Verhalten irgendwann vermutlich krank machte.

      Daphne fragte sich, ob sie jemals wieder in der Lage sein würde, ein normales Leben zu führen. Doch sie gab die Hoffnung nicht auf. Irgendwann, so sagte sie sich jeden Tag, würde Dany wieder aufwachen, und dann würde sie da sein und ihm helfen, ins Leben zurückzufinden.

      Seit dem tragischen Unfall lebte Daphne ganz allein in dem großen Haus ihrer Eltern, in dem sie mit Daniel gewohnt hatte. Zu Beginn war ihr das alles andere als