Helga Ostendorf

Ostfriesland verstehen


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Vermutlich brachte Fabricius aus Leiden ein Fernrohr mit und konnte damit die Sonnenflecken genauer beschreiben, die schon sein Vater meinte gesehen zu haben. Wahrscheinlich ist er nicht der Erstentdecker (man streitet sich um Tage), aber von ihm stammt die erste schriftliche Abhandlung zu diesem Thema.

      Recha Freier, geb. Schweitzer

      (*1892 Norden, †1984 Jerusalem), Gründerin der „Kinder- und Jugend-Alijah

      Freier war die Tochter eines Lehrerehepaars. Ihre Mutter unterrichtete Französisch und Englisch, ihr Vater an einer jüdisch-orthodoxen Volksschule. Schon als Kleinkind musste sie erleben, dass sich in Norden „Hunde und Juden” nicht in öffentlichen Parks aufhalten durften. 1897 zog ihre Familie nach Niederschlesien. Nach dem Abitur in Breslau studierte sie dort und in München Pädagogik und Volkskunde und unterrichtete an höheren Schulen. 1919 heiratete sie den Rabbiner Moritz Freier, mit dem sie zunächst nach Sofia und anschließend nach Berlin ging, wo ihr Mann eine Stelle als Oberrabbiner antrat. Bereits 1932 organisierte sie Transporte für jüdische Jugendliche nach Palästina. 1933 gründete sie die „Kinder- und Jugend-Alijah”, die tausende jüdische Kinder nach Palästina schickte und ihnen so das Leben rettete. 1940[12] wurde sie wegen ihrer nicht immer ganz „korrekten” Methoden und wohl auch wegen Konflikten mit der Leiterin des Jerusalemer Büros aus der Organisation ausgeschlossen. Sie wurde denunziert und floh zunächst nach Zagreb, von wo aus sie weiteren 120 Kindern das Leben rettete. Über Istanbul und Syrien erreichte sie 1941 Palästina und gründete dort ein Kinderkibbuz sowie eine Stiftung zur Unterstützung von Komponisten_innen. Außerdem setzte sie ihr schriftstellerisches Werk fort. 1954 schlug niemand Geringeres als Albert Einstein sie für den Friedensnobelpreis vor.

      Hermine Heusler-Edenhuizen

      (*1872 Pewsum, †1955 Berlin), erste examinierte Frauenärztin in Deutschland

      Heusler-Edenhuizens Vater war Landarzt in Pewsum; ihre Mutter verstarb früh. Da Mädchen in Ostfriesland damals noch kein Abitur machen konnten, ging sie 1894 nach Berlin und besuchte die von der Frauenrechtlerin Helene Lange geleiteten „Gymnasialkurse für Frauen”. Sie studierte in Berlin, Zürich, Halle und Bonn. Als Frau musste sie bei jedem einzelnen Professor um die Genehmigung zur Teilnahme an den Vorlesungen bitten. Sie bestand ihr Staatsexamen mit „sehr gut” und die Doktorprüfung mit „summa cum laude” und war die erste Frau, die an der Universitätsklinik Bonn eine besoldete Assistentenstelle erhielt. 1909 ging sie wieder nach Berlin und betrieb dort eine Praxis. Sie war Gründungsvorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes.

      Minnie Marx, geb. Miene Schönberg

      (*1865 Dornum, †1929 New York City), Mutter und Managerin der Marx Brothers

      Marx war die Tochter eines fahrenden Unterhaltungskünstlerpaares. 1879 emigrierte die Familie nach New York City / USA. 1885 heiratete sie Samuel Marx (Simon Marrix) und bekam sechs Kinder. Selbst nicht allzu erfolgreich im Showbusiness, förderte sie ihre Kinder und wurde deren Managerin. Die Familie zog zeitweilig z.B. nach Chicago, weil dort die angeseheneren Varietétheater zu finden waren. Marx produzierte nicht nur die Nummern ihrer Söhne, sondern auch die weiterer Künstler_innen und wurde die erste weibliche Produzentin Chicagos. Damit ihre Söhne nicht in den Krieg mussten, kaufte sie eine Farm im damals noch weitgehend unerschlossenen Bundesstaat Illonis. 1924 traten ihre Söhne das erste Mal am Broadway auf. 1929, ein halbes Jahr nach der Premiere des ersten Films der Söhne („The Coconuts”) starb sie an einem Schlaganfall.[13]

      Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt

      (*1942 Leerhafe), Sportmediziner

      Müller-Wohlfahrt wuchs in einer Pastorenfamilie in Leerhafe auf. Nach dem Abitur in Jever studierte er Medizin und wurde Assistenzarzt am Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin, wo er die Facharztprüfung für Orthopädie ablegte und promovierte. Zunächst betreute er die Fußballer von Hertha BSC und von 1977 bis 2008 (mit kurzer Unterbrechung) die des FC Bayern München. Seit 1995 ist er Mannschaftsarzt der Deutschen Nationalelf. 2008 eröffnete er in München eine große Praxis, veröffentlicht Ratgeber und vertreibt Nahrungsergänzungsmittel.

      Henri Nannen

      (*1913 Emden, †1996 Hannover), Begründer u.a. der Zeitschrift Stern und (zusammen mit seiner späteren Frau Eske) der Kunsthalle Emden

      Nannens Vater war Polizeibeamter. Nannen machte zunächst eine Buchhändlerlehre und studierte anschließend Kunstgeschichte in München. Dort sammelte er erste journalistische Erfahrungen. Während des zweiten Weltkrieges war er Kriegsberichterstatter in einer Propagandakompanie. 1946 gründete er die Tageszeitung „Neue Hannoversche Presse Neueste Nachrichten” und war anschließend Chefredakteur der „Hannoverschen Abendpost”. 1948 gründete er die Illustrierte „Stern”. Er verkaufte seine Anteile zwar bereits 1951, blieb aber bis 1980 Chefredakteur. 1983 schenkte er seine Kunstsammlung der Stadt Emden und baute mit Hilfe von Spenden die 1986 eröffnete Kunsthalle. 1986 erhielt er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Emden.

      Eske Nannen, geb. Nagel

      (*1942 Emden), Geschäftsführerin der Kunsthalle Emden

      Schon ihre Eltern, Besitzer einer Fabrik für Heringsfässer, waren mit der Familie Nannen freundschaftlich verbunden. Sie machte zunächst eine Lehre als Industriekauffrau im elterlichen Betrieb. Nach verschiedenen Stationen kehrte sie 1982 in ihre Geburtsstadt zurück und gründete 1983 als Vorstand des Kunstvereins „Ludolf-Backhuysen-Gesellschaft” eine Malschule, die sich zur größten Jugendkunstschule Niedersachsens entwickelte. Im gleichen Jahr entstand die „Stiftung Henry Nannen”; Eske Ebert engagierte sich beim Bau der Kunsthalle, heiratete 1990 Henry Nannen und ist bis heute Geschäftsführerin der Kunsthalle. Sie gilt als geniale Fundraiserin und wirkte entscheidend bei den Erweiterungsbauten mit.

      Ernst Pagels

      (*1913 Lübeck, †2007 Leer), Staudenzüchter

      Pagels führte seine Gärtnerei seit 1949 in Leer auf einem Grundstück eines Onkels. Er gilt neben seinem Lehrmeister Karl Förster als bedeutendster Staudenzüchter Deutschlands. 1986 erhielt er die Georg-Arends-Gedächnismedaille, die höchste Auszeichnung des deutschen Gartenbaus. Etwa 70 verschiedene von Pagels gezüchtete Stauden und Gräser sind gegenwärtig im Handel erhältlich. Zu besichtigen ist in Leer der von Pagels entworfene Inselgarten. Auf dem Gelände seiner früheren Gärtnerei betreibt der „Freundeskreis Ernst-Pagels-Garten” heute einen öffentlich zugänglichen „Bürgergarten”. Zu Pagels 100stem Geburtstag 2013 hat der niederländische Gartenarchitekt Piet Oudolf dort ein Staudenbeet gestaltet. Oudolf war mit Pagels befreundet. Nicht zuletzt durch ihn findet man Pagels-Züchtungen heute an prominenten Stellen, bspw. auf einer stillgelegten Hochbahn in New York City, und im Lurie-Park in Chicago gibt es große Flächen mit Salvia Nemorosa „Ostfriesland”. Wer es kleiner mag: Am Berliner Kurfürstendamm, Bushaltestelle „Olivaer Platz”, haben Gartenbau-Studierende ein Beet mit Pagels-Pflanzen gestaltet.

      Wolfgang Petersen

      (*1941 Emden), Filmemacher

      Petersen ist der Sohn eines Marineoffiziers. Er lebte allerdings nur wenige Jahre während seiner Kindheit in Emden. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft in Berlin und Hamburg sowie an der Film- und Fernsehakademie Berlin wurde er u.a. durch mehrere Tatort-Folgen populär. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Das Boot” und „Air Force One”. Er ist u.a. Träger des Deutschen Filmpreises, des Adolf-Grimme-Preises und des Bambi. Er wurde mehrfach für den Oskar nominiert und lebt in Los Angeles/USA.

      Johann Christian Reil

      (*1759 Rhaude, †1813 Halle/Saale), Mediziner

      Reil war Sohn eines Rhauder Pastoren. Er gilt als Begründer der modernen Psychiatrie und Neurologie. Sein Studium absolvierte er in Göttingen und Halle. Anschließend arbeitete er einige Jahre als Arzt in Norden. 1787 berief ihn die Universität Halle auf eine Professur, 1793 wurde er in die Wissenschaftsakademie Leopoldina aufgenommen und 1809 in die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Rufe auf Professuren der Universitäten Göttingen und Freiburg lehnte er ab, beteiligte sich aber am Aufbau der