Kerstin Schmidt

Max das Deichschaf


Скачать книгу

Ursache dieses Knurrens irgendwo auszumachen. Vielleicht war es ja gefährlich! Erst als es in seinem Magen zu ziehen begann bemerkte er, dass das Knurren von ihm selbst kam. Erschrocken drehte er sich zu seiner Mutter um.

      "Du wirst Hunger haben, kleiner Mann. Nun … folge deinem Instinkt und trinke."

      Häh? Was bitte sollte er tun? Seinem Instinkt folgen und trinken weil er Hunger hatte? Max wusste nicht, was seine Mutter ihm geraten hatte. So drehte er sich einfach seufzend auf seinen noch immer wackeligen Beinen um, und fand so die Milchbar bei seiner Mutter. Er nahm eine der Zitzen und stupste gleichzeitig mit seinem Kopf in den Bauch seiner Mutter — und die Milch floss. Hmm, wie gut das schmeckte. Lecker! Max leckte sich mit seiner Zunge über den Mund. Nach ein paar kräftigen Schlucken Milch fühlte Max sich Schafswohl. Das Knurren in seinem Bauch hatte aufgehört und seine Beine wackelten kaum noch.

      Nach diesen spannenden Minuten des Aufstehens und des Trinkens fühlte sich Max schafsmüde. Er legte sich ganz nah bei seiner Mutter ins Gras und schlief augenblicklich ein.

      Später in der Nacht weckte Max ein bekanntes Knurren und ein Ziehen in seinem Bauch. Also stand er auf, was jetzt bereits sehr gut funktionierte, und ging zur Milchbar seiner Mutter. Nachdem er wieder getrunken hatte, hörte das Knurren und Ziehen in seinem Magen wieder auf, so wie beim ersten Mal, und auch dieses Mal fühlte er sich nach ein paar Schluck Milch wieder schafswohl und glücklich. Ein herrliches Gefühl. Was seine Mutter aber mit dem Instinkt gemeint hatte, wusste er immer noch nicht. Aber das war ihm auch egal. Max war stolz auf sich, er hatte sein erstes Problem, das Hungerproblem ganz alleine gelöst. Yippie!

       Bekanntschaft mit Eugen

      "Guten Morgen Max, aufwachen, es wird hell, der Tag beginnt. Dein erster Tag in deinem Leben und weitere werden folgen", weckte ihn seine Mutter sanft. "Komm, wir ziehen weiter zu frischem Gras." Und schon lief seine Mutter los.

      Max blieb ganz nah bei ihr und lief neben ihr her. Max sah, dass auch die anderen Schafe weiterzogen. So viele Schafe, staunte Max.

      Die Sonne ging auf und es wurde noch heller und wärmer. In die komplette Schafherde kam langsam Leben. Jeder hatte jetzt etwas zu erzählen. Die einen begrüßten sich einfach nur mit: "Guten Morgen, wie geht es dir?", die anderen meinten: "Es war eine ruhige Nacht heute", und wieder andere unterhielten sich über das Wetter, das Gras, das Meer und, und, und. Es war ein Blöken und Mähen um ihn herum und Max fühlte sich sicher und geborgen in dieser großen Schafherde.

      Nana wurde während des ganzen Tages von unzähligen Schafen auf ihren wunderschönen Sohn angesprochen. Es wurde ihr gratuliert, während Max von den Schafen neugierig betrachtet und beschnuppert wurde. Max gefiel das überhaupt nicht und er verkroch sich unter Nanas dichtem Fell.

      Doch Nana befahl ihm da wieder rauszukommen, um sich der ganzen Schafsherde zu zeigen: "Du bist einer von uns Max. Jeder möchte dich kennenlernen. Also komm hervor und zeig dich. Mäh!"

      Max gehorchte widerstrebend und das Betrachten und Beschnuppern ging weiter.

      "Ach, ist der süß!", kreischte da plötzlich ein sehr dickes Schaf. "Herzlichen Glückwunsch Nana. Das hast du gut gemacht. Komm her, mein Kleiner, lass' dich ansehen!"

      "Danke Emma. Darf ich vorstellen: das ist Max das Deichschaf von der Nordsee aus Greetsiel", stellte Nana ihrer besten Freundin Emma ihren Sohn vor.

      Emma betrachtet und beschnupperte Max ausgiebig. Der fand Emma auf Anhieb sympathisch. Ein bisschen arg dick, aber voll nett. Als Emma Max ein paar Mal vorsichtig stupste und ihn ein wenig zwickte, musste Max laut lachen, Nana und Emma lachten mit. Während sich die beiden unterhielten, sah sich Max ein wenig um. Es war ein schöner sonniger Tag mit einem strahlend blauen Himmel. Das saftige Gras leuchtete in einem satten Grün. Der Wind blies schwach und die Nordsee war still und friedlich. Alle Schafe waren zufrieden.

      Max sah an diesem Tag Menschen, wie Nana ihm erklärte. Diese Menschen hatten auch Beine wie Max, aber nur zwei Stück. Wie die es schafften sich fortzubewegen war Max ein Rätsel.

      Nana erklärte Max, dass die Menschen sonderbar wären: meistens mit sich und der Welt unzufrieden, immer in Eile und in ständigem Stress. "Außer unser Schäfer, der ist das genaue Gegenteil davon. Immer gut gelaunt, ruhig und mit sich und der Welt zufrieden."

      Max ging davon aus, dass das Gehen für die Menschen schwierig sein musste. Warum sonst fuhren so viele von ihnen auf einem Fahrrad über den Deich? (So hießen die Dinger auf denen sie saßen, erklärte ihm Emma.) Manche von ihnen fuhren sogar mit Autos! Sie fuhren bis vor den Deich, stellten dann das Auto auf einen sogenannten Parkplatz, mussten dafür auch noch bezahlen und liefen dann entzückt zum Meer. Das versteht kein Lamm nicht.

      Emma meinte, wenn sie Mensch wäre, würde sie ein Auto bevorzugen. Bei Regen säße man wenigstens im Trockenen und das Fell würde nicht nass werden.

      Manche von den Menschen, die den Deich mit einem Fahrrad entlangfuhren, hielten an als sie Max sahen und stiegen sogar von ihren Fahrrädern ab, um ihn zu bewundern. Sie sagten Sachen wie: "Oh, ist der süß", oder: "Oh, wie goldig", und: "Ach wie putzig." Und wenn Max sich dann stolz, aufrecht und mit hoch erhobenem Kopf positionierte, fielen die Menschen aus allen Wolken und riefen die verschiedensten Entzückungsschreie. Max fand sich dann selbst unglaublich toll und genoss diese Show. Ja, er liebte es. Die Menschen wussten anscheinend, mit wem sie es hier zu tun hatten, nämlich mit Max dem Deichschaf von der Nordsee aus Greetsiel!

      Vor lauter Positionieren vergaß Max in der Nähe seiner Mutter zu bleiben. Er erschrak, als Nana nicht mehr an seiner Seite war und schrie verzweifelt nach ihr: "Mäh, mäh, määääääääähhhhhh!"

      Plötzlich stand ein riesiger Schafsbock vor ihm: "Was brüllst du hier so rum? Du hast deine Mutter verloren, was? Blödes kleines Lamm." Die Stimme des Schafsbocks war tief und gereizt. Zudem roch er sehr streng. Ganz anders als Max' Mutter oder Emma.

      "Ich bin Max, das Deichschaf von der Nordsee aus Greetsiel und … und blöd bin ich nicht, höchstens du." Hups! Was hatte er da gerade gesagt? Oh, oh, wenn das mal keinen Ärger gibt. Zur Vorsicht schrie Max noch einmal laut nach seiner Mutter: "Mäh, mäh, määäääähhh!"

      "Du wagst es?", brüllte der Schafsbock. "Jetzt hör mir mal genau zu, du Dreikäsehoch. ICH", und der Schafsbock stellte sich stolz und würdevoll vor Max hin, "ICH bin Eugen, das Alphaschaf dieser Schafsherde, der Leithammel. DU", und er betonte das Du so, dass es Max angst und bange wurde, "DU, hast mir mit Respekt und Anstand zu begegnen. Solltest DU mich noch einmal beleidigen, dann setzt es ein paar Schafsbocktritte. Hast DU mich verstanden?", fragte Eugen.

      Max zitterte an allen seinen vier Beinen. Sprechen konnte er vor Angst gar nicht mehr, so nickte er wie wild mit seinem Kopf, um Eugen zu zeigen, dass er verstanden hatte.

      "Gut so", grollte Eugen. "Und im Übrigen", sagte er noch und trat näher an Max heran, "ein kleines, unbeholfenes, noch von der Milchbar abhängiges Lamm, welches seine Mutter verliert, ist ein blödes Lamm."

      Okay, das mit der Milchbar stimmte, die brauchte Max noch, aber unbeholfen und blöd war er nicht und genau das sagte er auch und sah Eugen dabei direkt in die Augen. Als sich Eugens Augen daraufhin zu Schlitzen verkleinerten und er wütend schnaubte, machte Max aus lauter Furcht ein Angstwässerle.

      "He Eugen, halt mal den Ball flach", ertönte da plötzlich Nanas Stimme. Sie drängte sich zwischen Eugen und Max und schirmte ihr Lamm dadurch geschickt von Eugen ab.

      Max' Herz machte einen Freudensprung. Mama — endlich. Und er kuschelte sich an sie.

      "Darf ich vorstellen, Eugen", sagte Nana, "das ist Max, das Deichschaf von der Nordsee aus Greetsiel. Dein Sohn!"

       Very Nice

      Oh Mann, dachte Eugen. Dieses Balg war sein Sohn. Einer von vielen, denn Eugen hatte als Leithammel viele Kinder. Natürlich hatte Eugen auch Töchter. Eugen war