Annah Fehlauer

Worte wie wir


Скачать книгу

so oft an die Vergangenheit den­ken lassen. Manchmal kam es ihr beinahe so vor, als teste Marie sie. Die Frage nach dem Lügen zum Beispiel. Es war, als wisse Marie genau, in was für ein Wespen­nest sie mit dieser Frage stach.

      Doch das war ja Unsinn! Marie hatte keinen solchen Hinter­sinn im Sinn. Sie fragte einfach nach allem, was sie interessierte. Das war ja eine der Eigenschaften, die sie so an ihr schätzte.

      Da Marie Martin mochte, war es nur normal, dass sie früher oder später wissen wollen würde, weshalb Catharina und er nicht mehr zu­sammen waren. Und dass ihre Ehe anders als andere gewesen war, hatte sie ja selbst aufgeworfen.

      Catharina räusperte sich, schob ein letztes Mal die Äpfel auf dem Kuchenteig in Position, öffnete den vor­geheizten Ofen und schob die Kuchenform hinein.

      „Du weißt ja, dass Martin und ich sehr gute Freunde sind.“

      Marie nickte.

      „Das waren wir schon, seit wir…, nun, seit wir sehr jung waren. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und waren schon in der Schule die besten Freunde.“ Ein warmes Gefühl durch­strömte Catha­rina, als sie an ihre nun schon mehrere Jahrzehnte währende Freund­schaft mit Martin dachte. Über so lange Zeit war ihr noch nie ein Mensch so nahe gewesen, und sie schätzte sich über­glücklich, eine solche Freundschaft leben zu dürfen.

      Marie saß ganz still und sah sie aufmerksam und ernst an.

      Catharina schluckte.

      „Aber wir waren kein Liebespaar. Die meisten Menschen, die heut­zutage heiraten, sind das. Deine Eltern zum Beispiel waren ein Liebespaar, als sie geheiratet haben.“

      Marie schnaubte nur verächtlich, bevor sie sagte: „Aber jetzt mögen sie sich nicht mehr besonders. Jedenfalls reden sie kaum noch miteinander.“ Sie klang eher traurig als ärgerlich, was Catharina nicht verwunderte.

      „Als wir jung waren, hatten wir irgendwann einmal gesagt, wir könnten ja heiraten, wenn wir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht anderweitig verheiratet wären. Das war halb im Spaß und halb im Ernst.“

      Wenn man es so erzählte, hörte man die Verrücktheit dieser Idee zweier Jugendlicher, die in keine der verfügbaren Schubladen so richtig reinpassen wollten.

      „Martin ist ein Schwuler, oder?“

      Catharina blieb vor Überraschung schier die Luft weg. Wieso um alles in der Welt passierte es ihr immer wieder, dass sie Marie unterschätzte?

      Noch immer sprachlos, nickte sie stumm.

      „Und du? Bist du eine Lesbe?“

      Was jemand anders möglicherweise als Affront aufgefasst hätte, war für Catharina ein Beweis größter Nähe und Vert­rauens. Sie wusste, dass Marie sie nie etwas fragen würde, um sie in Ver­legen­heit zu bringen. Immer wieder war sie in der Vergangen­heit baff gewesen, wie wertschätzend Marie mit ihr umging, un­gewöhn­lich reif für ein Kind ihres Alters.

      „Ja, liebe Marie, wenn du so willst, bin ich eine Lesbe. Ich mag den Ausdruck nicht besonders gerne, weil es so klingt, als gehöre man zu einer bestimmten Sorte Mensch.“

      Marie nickte. „So wie eine Hunderasse“, schlug sie kichernd vor.

      „Ja, stimmt“, erwiderte Catharina lachend. „Aber wie auch immer. Was damit gemeint ist, ist ja, dass ich als Frau Partner­schaf­ten mit anderen Frauen eingehe.“ Wohl eher eingegangen bin, berichtigte sie sich in Gedanken.

      „Und Martin hat einen schwulen Freund, oder?“

      „Er ist sogar verheiratet mit seinem Freund.“

      „Seid ihr deshalb nicht mehr verheiratet, weil er gemerkt hat, dass er ein Schwuler ist?“

      „Nein, das wussten wir schon, als wir geheiratet haben. Aber wie du weißt, ist Martin Anwalt. Und viele der Mandanten, für die er arbeitet, finden die Vorstellung nicht angenehm, dass ein schwuler Mann sie vor Gericht vertritt.“

      „Warum denn?“

      „Tja, wieder einmal stellst du eine ziemlich kluge Frage, die ganz schön schwer zu beantworten ist.“ Catharina dachte an ihren Vater und an sein Entsetzen, als Martin und sie sich hatten scheiden lassen und Martin kurz danach seinen Peter heiratete. „Ja ist denn die ganze Welt verrückt geworden?!“, hatte er gewettert. „Ein schwuler Anwalt, warum ist er denn dann nicht Frisör geworden?!“ Und das waren noch die harmloseren der verbalen Ent­gleisungen gewesen.

      „Ich weiß es nicht genau. Ich stelle mir vor, dass es etwas mit Angst zu tun hat. Angst davor, dass jemand anders anders ist und man sich selbst dadurch verunsichert fühlt. Vielleicht ein bisschen so, wie manche Menschen Angst davor haben, sie könnten einen Außerirdischen treffen.“

      „Aber das wäre doch toll. Solange sie einem nichts tun. So ein Außerirdischer wie E.T. ist doch süß!“

      „Das ist genau der Punkt. Aus irgendeinem Grund scheinen manche Leute zu denken, Schwule oder Lesben würden ihnen eben doch etwas antun. Auch wenn das natürlich Quatsch ist.“

      „Ich denke jedenfalls nicht, dass du mir was antun willst.“ Marie sah Catharina vollkommen ernst an bei diesen Worten.

      „Ich denke, dass du genau richtig bist, so wie du bist.“

      Vor Rührung schossen Catharina beinahe Tränen in die Augen.

      Die Heftigkeit dieser Reaktion hatte, wenn sie ganz ehrlich war, vielleicht auch damit zu tun, dass sie so lange nicht explizit mit Marie darüber gesprochen hatte.

      Sie hatte nicht direkt Sorge gehabt, dass Marie sich von ihr abwenden würde, aber irgendwo, tief in ihrem Unter­bewusst­sein, hatte wohl doch ein Stachel aus Sorge gesessen, der sie sich hatte fragen lassen, ob Marie sich möglicherweise etwas unwohl fühlen würde, wenn sie wüsste, dass Catharina Frauen liebte. Ohne dass es ihr zuvor bewusst gewesen war, spürte sie jetzt auf einmal, wie erleichtert sie auf diese Worte reagierte.

      „Danke, meine Süße. Das ist so lieb, dass du das sagst. Und ich bin sehr froh, dass du das so empfindest!“

      „Wenn Lou nicht manchmal so blöde Sachen sagen würde, könnte ich mir auch vorstellen, sie zu heiraten. Aber ich glaub, ich heirate doch lieber einen Mann. Da ist es wahrscheinlich leichter, Kinder zu bekommen.“

      Diesmal blieb Catharina vor Überraschung tatsächlich der Mund offen stehen.

      Erst als Marie gegangen war, fiel Catharina auf, dass Marie nicht nachgefragt hatte, weshalb Martin und sie ge­hei­ratet hatten, wenn er doch schwul und sie lesbisch wäre.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAgGBgcGBQgHBwcJCQgKDBQNDAsLDBkSEw8UHRofHh0a HBwgJC4nICIsIxwcKDcpLDAxNDQ0Hyc5PTgyPC4zNDL/2wBDAQkJCQwLDBgNDRgyIRwhMjIyMjIy MjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjL/wAARCBBoC7gDASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBk