Elisa Scheer

Lösung


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Frauen machten ihn immer nervös. Nur gut, dass Susanne nie weinte – sie schmiss ihm höchstens etwas nach. Iris Wenzel weinte, und der kleine Luca hatte sich neben sie auf das andere Sofa gedrängt und beäugte Spengler feindselig. Vivian stand heftig am Daumen lutschend in der Tür, vom Baby war nichts zu sehen oder zu hören.

      Er lächelte den Kindern versuchsweise zu, aber die guckten, wenn möglich, nur noch giftiger. Dabei hatte er noch gar nichts gemacht! Iris Wenzel hatte ihn mit einem schwachen, tapferen Lächeln hereingelassen, etwas enttäuscht registriert, dass er alleine war – ja, der Charme von Schönbergers Jugend! – und war erst, als sie saßen, in Tränen ausgebrochen. Plötzlich schniefte sie heftig und sagte „Entschuldigung. Nur – jetzt wird mir das alles erst so langsam klar, wissen Sie.“

      „Das verstehe ich doch“, murmelte Spengler und reichte ihr ein neues Taschentuch aus der Box auf dem Tisch.

      „Jetzt bin ich ganz alleine. Was soll denn jetzt aus uns werden?“

      „Ich bin sicher, das wird sich alles finden.“ Hohle Worte, aber Iris Wenzel schniefte noch einmal und schien etwas beruhigt zu sein. „Ja, wahrscheinlich. Und Sabine kümmert sich sicher auch um uns. Sie war immer schon meine Stütze, wenn Achim – ach, egal.“

      „Nein. Wenn Achim – was?“

      „Naja, wenn Achim wieder mal unleidlich war. Wissen Sie, er – Luca, du gehst jetzt bitte mal mit Vivian in dein Zimmer, ja? Spielt ein bisschen.“

      „Mag nicht“, verkündete Luca und musterte Spengler weiter unfreundlich.

      „Mag nicht“, echote Vivian, wozu sie sogar kurz den Daumen aus dem Mund nahm. „Ihr habt gehört, was ich gesagt habe“, fuhr Iris ihre Sprösslinge an, und sie trollten sich tatsächlich. Spengler war beeindruckt. So ein Hascherl war sie also gar nicht?

      Sie lächelte schief. „Manchmal muss man schon streng sein. Und manchmal funktioniert es tatsächlich. Also, naja, Achim war nicht so wirklich von den Kindern begeistert. Wir haben wegen Luca geheiratet, also, weil seine Eltern so gedrängt und uns die Wohnung angeboten haben. Und als dann Vivian kam und dann noch Zoë – da war er etwas muffig. Wahrscheinlich wäre unsere Ehe irgendwann sowieso geplatzt. Ich hab halt gehofft, dass es etwas länger dauert. Damit die Kinder, vor allem Luca, wenigstens im Hintergrund einen Vater haben. Als Vorbild.“ Sie lachte zitternd auf. „Tolles Vorbild, was? Nix als Kneipe und Fußball und diesen dämlichen Sportflitzer im Kopf.“

      „Frau Wenzel“, begann Spengler und verfluchte wieder einmal im Stillen seinen Job, „ich fürchte, Ihr Mann hatte auch noch andere Interessen als Fußball, Autos und Alkohol...“

      „Was?“ Sie blinzelte etwas tränenfeucht. „Hat er – hat er irgendwas Verbotenes gemacht?“

      „Was meinen Sie?“

      „Ich weiß nicht... weil er immer mit seinen Kumpels zugange war – die können ihn doch zu sonstwas verleitet haben.“

      Spengler dachte an diese drei feigen Kleinspießer und verbiss sich ein Grinsen. „Nein. Nein, das glaube ich nicht, Frau Wenzel. Es war eher etwas anderes, aber ich glaube, Sie werden es auch nicht besonders gerne hören...“

      Sie seufzte. „Eine andere Frau?“

      „Ja. Sie wussten davon?“

      „Nein. Ich hätte es mir denken können, vermute ich. Jetzt eben ist es mir klar geworden. Wissen Sie, zwischen uns ist seit Zoës Geburt eigentlich nichts mehr gelaufen. Er hatte wohl Angst, dass wir noch ein viertes Kind produzieren. Und ich auch, ehrlich gesagt. Aber ich vertrage nun mal keine chemischen Mittel, und Achim findet – fand – naja...“ Sie errötete heftig.

      „Er fand Kondome uncool?“

      „Sozusagen. Trotzdem war jedes Kind natürlich meine Schuld... Jedenfalls hätte ich mir denken können, dass er sich eine sucht, die ungefährlicher ist. Ehrlich gesagt, hab ich mir nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht. Drei Kinder machen ordentlich Arbeit.“

      „Kann ich mir denken. Da ist man abends wahrscheinlich froh, wenn man einfach nur schlafen kann?“

      Sie lächelte. „So ungefähr. Aber Achim musste ja schließlich irgendwo hin mit seiner – seinen Bedürfnissen. Wer ist sie denn?“

      „Wir suchen noch nach ihr. Sagen Sie – nur sicherheitshalber: Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Mann sich von Ihnen trennen wollte, zugunsten dieser anderen?“

      Sie überlegte, dann holte sie tief Luft. „Schwer zu sagen. Einerseits, wie gesagt, war unsere Ehe so toll nicht, aber andererseits hätte er, solange die Kinder noch so klein sind, eine ganze Menge zahlen müssen. Vielleicht hätte er sogar diese Wohnung verloren, und er ist hier aufgewachsen. Nein, ich glaube, er hätte zumindest noch ein paar Jahre gewartet. Und dann hätte es gut sein können, dass ich die Scheidung zuerst eingereicht hätte!“, schloss sie etwas trotzig. Spengler nickte. „Mir scheint, am Boden zerstört sind Sie nicht?“

      „Sollte ich wohl, oder? Aber ich bin´s tatsächlich nicht. Vorhin, das Heulen, das war wohl eher der Schock. Die plötzliche Erkenntnis, dass ich alleine bin. Ich hab gedacht Jetzt bin ich Witwe – und dann war´s aus.“

      „Verständlich. Also, Sie wissen nichts Genaues über die Geliebte Ihres Mannes?“

      Sie schüttelte bedauernd den Kopf und er seufzte. „Wir auch noch nicht. Es tut mir sehr Leid, aber ich muss Sie das fragen – reine Routine -“

      Sie lächelte. „Ich war gestern Abend hier. Das wollten Sie doch fragen, oder? Ich bin immer hier, wo sollte ich auch hin? Mit drei kleinen Kindern? Außerdem ist Zoë momentan sehr quengelig, und die Frau Beierlein von nebenan ist rübergekommen, um sich zu beschweren. Sie wollte früh ins Bett, und Zoë war ausgesprochen laut und hat dann auch die beiden Großen wieder aufgeweckt, so dass sie rumgetobt sind.“

      Spengler notierte sich das. „Beierlein. Interessant. Übrigens – was hat Ihr Mann eigentlich beruflich gemacht?“

      „Er war Betriebswirt. Bei Criscom, die stellen, glaube ich, CDs her. Rohlinge. Und solche Geräte eben.“

      „Ich kenne die Firma“, nickte Spengler und dachte an einen alten Fall, in den der Inhaber von Criscom verwickelt gewesen war. Da dürfte er problemlos Zugang haben! Er hob den Kopf. „Hat es nicht eben geklingelt?“

      Iris ging öffnen und kam kurz darauf wieder, gefolgt von Sabine Wenzel, die in Jeans und Sweatshirt deutlich weniger glamourös wirkte als gestern. „Aha, Herr Kommissar! Haben Sie schon eine Spur?“

      „Soweit sind wir leider noch nicht.“ Spengler erhob sich und drückte Iris Wenzel fest die Hand. „Kopf hoch!“

      „Ja“, assistierte die Schwägerin, „das kriegen wir schon hin, Iris. Ich nehm dir auch jederzeit gerne mal die Kinder ab. Wenn ich nicht arbeite, heißt das natürlich. Die Wohnung erbst du ja sowieso, und in ein paar Jahren kannst du auch wieder arbeiten, und eines Tages -“

      „Eines Tages finde ich einen anderen?“, vollendete Iris. „Na, danke. Einmal reicht. Würdest du mit den beiden Großen ein bisschen spielen? Dann könnte ich mich noch mal hinlegen.“

      „Klar doch. Und, Herr Kommissar?“

      Spengler drehte sich, die Hand auf der Klinke, in der offenen Tür um.

      „Haben Sie bei Leyenschläger schon nachgefragt?“

      „Kommt schon noch“, versprach er und zog die Wohnungstür hinter sich zu.

      Draußen überlegte er, warum sie das gesagt haben mochte. War sie sich ihres Alibis so sicher? Und bewies das – was?

      Er klingelte nebenan bei Beierlein. Frau Beierlein war da. Ja, sie hatte gegen halb acht Frau Wenzel ermahnt, ihre Kinder ruhig zu halten. Sie selbst hatte in der Nacht zuvor ja so schlecht geschlafen, weil sie sich solche Sorgen gemacht hatte, ihre Tochter erwartete nämlich ihr erstes Kind und war schon zehn Tage überfällig, und gestern Nachmittag war es dann endlich soweit gewesen, ein strammer Junge und Mutter und Kind wohlauf, wie man