Entschuldigung zu und nahm sich vor, besser aufzupassen – weder Marc Ritter noch sonst jemand würde schließlich an ihrem Grab von tiefer Reue erfasst werden!
Allmählich kam sie sich vor wie vierzehn. Mit der Schmollerei musste jetzt Schluss sein! Sie würde promovieren, einen richtig guten Job finden, sich um Freunde und Familie kümmern und vergessen, dass es dieses klassizistische Haus in der Carolinenstraße jemals gegeben hatte.
Und als allererstes würde sie die neue kleine Wohnung richtig aufräumen, anstatt zwischen halb ausgepackten Tüten und Kisten zu sitzen und sich selbst Leid zu tun! Sie schritt auf dem Rest des Heimwegs gleich forscher aus, von ihren guten Vorsätzen beflügelt.
Samstag, 16.4.2005: 09:45
„Das kann doch gar nicht wahr sein“, stöhnte Anne, als sie mit drei Schritten den verwahrlosten kleinen Vorgarten durchquerten und dabei beinahe noch über ein achtlos hingeworfenes Kinderfahrrad gestolpert wären. „Wo sind die denn alle? Auf der Flucht vor dem Hausputz?“
„Ich tippe mal auf Baumarkt“, antwortete Joe, der sich ebenfalls ärgerte. Sowohl bei Regensburger als auch bei Pfeifer waren sie nur auf schrubbende Ehefrauen und mürrische Kinder gestoßen. Die Kinder waren sauer, weil sie bei dem Wetter nicht in den Garten durften, und machten ihrem Unmut so lauthals Luft, dass Joe und Anne kaum verstanden, was die dazu gehörenden Mütter sagten. Hörenswert war es allerdings ohnehin nicht – die Männer waren unmittelbar nach dem Frühstück aus dem Haus gegangen: „Macht er doch immer am Samstag. Nein, ich weiß nicht, wo er ist. Wann er wiederkommt? Keine Ahnung, vielleicht zum Mittagessen. So um halb eins rum. Vielleicht!“ (Frau Pfeifer)
„Der? Der treibt sich wieder mal irgendwo rum, damit er hier nicht mit zupacken muss, der faule Hund, der. Hab ich vielleicht keinen Job? Schufte ich nicht acht Stunden täglich? Und mach hier den Haushalt und die Kinder – marsch nach oben! Du sollst doch Vokabeln lernen, sonst schreibst du wieder einen Fünfer! Und du, junger Mann, räumst endlich mal dein Zimmer auf! In einer halben Stunde komm ich rauf, und dann setzt es was! Nee, der ist sonst wo, tut mir Leid. Zum Essen kommt er bestimmt auch nicht heim, heute gibt´s Fischstäbchen, haben sich die Kinder gewünscht, und Fisch isst er nicht. Kann ich Ihnen leider auch nicht helfen.“ (Frau Regensburger)
„Wenn der Löbl jetzt auch nicht da ist, schmeiß ich die nächste Mülltonne um“, wütete Anne.
„Ich helf dir“, versprach Joe. „Diese Kerle sind ja sowieso blöd, nachdem, was ich gestern von ihnen mitgekriegt habe, aber man kann doch nicht den ganzen Vormittag im Baumarkt rumhängen! Und dass die jetzt schon wieder in der Kneipe sind...“
„Vielleicht haben sie diesen Achim zusammen umgelegt und beraten jetzt, wie sie weiter vorgehen sollen“, schlug Anne vor, als sie ins Auto stiegen.
„Und das Motiv? Die drei fanden den doch ganz toll, weil er so ein abgefahrener Weiberheld war. Knapp besser als diese drei Armleuchter, wahrscheinlich“, machte Joe sich Spenglers Ansicht flugs zu eigen.
„Vielleicht haben sie zusammen Lotto gespielt und gewonnen. Und durch drei geteilt ist besser als durch vier.“
„Die Ziehung ist aber erst heute“, wandte Joe ein. „Wohin jetzt?“
„Allgäuer Weg 27 e. Sicher wieder so ein Reihenhäuschen aus den Sechzigern. Was ist mit Mittwochslotto?“ Joe gab es auf.
Im Allgäuer Weg hatten sie endlich Glück. Löbl war zwar noch im Morgenmantel und sichtlich schlechter Laune, da schwer verkatert, aber er war zu Hause und zur Not ansprechbar.
Seine Frau wuselte im Hintergrund herum, als er die beiden Beamten knurrig ins Haus bat, und sparte nicht mit spöttischen Bemerkungen. Schließlich begann sie sogar, Staub zu saugen, was Löbl dazu brachte, sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schläfen zu halten. Joe erbarmte sich und wies die Dame des Hauses aus dem Zimmer, dann schloss er nachdrücklich die Tür hinter ihr.
Löbl brummte etwas vage Zustimmendes, dann verfinsterte sich sein Gesicht wieder. „Müssen Sie ausgerechnet heute kommen? Der arme Achim ist noch kaum kalt. Nicht mal trauern kann man in Ruhe.“
„Aber Sie wollen doch auch, dass wir seinen Mörder finden, oder?“, fragte Anne sanft. Löbl hob seine leicht blutunterlaufenen Augen von dem Bademantelgürtel, mit dem er gespielt hatte. „Hören Sie, Süße -“
„Ich heiße Malzahn.“
„Meinetwegen. Also hören Sie: Ich weiß nicht, wer ihn umgebracht hat. Aber ich bin sicher, es war eine Frau. Der Achim hatte doch einen Haufen Eisen im Feuer, so, wie der aussah. Und jung genug war er ja auch noch. In dem Alter hab ich auch noch ganze Legionen glücklich gemacht...“ Er seufzte dem Ruhm vergangener Zeiten hinterher.
„Wenn du endlich wieder zur Tür draußen warst, wahrscheinlich“, murmelte Anne, über ihren Block gebeugt. Joe unterdrückte hastig ein Glucksen.
„Was?“, fragte Löbl mürrisch.
„Nichts. Eine Frau also, meinen Sie? Denken Sie da an eine bestimmte?“
„Nö. Irgendeine von seinen Miezen. Die Weiber sind doch immer so eifersüchtig, die geben doch nicht mehr her, was sie einmal in ihre Krallen gekriegt haben.“ Anscheinend war die Wohnzimmertür wieder aufgegangen oder geöffnet worden, denn wie aufs Stichwort schaute Frau Löbl herein. „Na, ich würde gerne wieder hergeben, was mir da an den Fingern klebt wie Schmierfett! Hau doch ab, wenn du so von der großen Freiheit träumst! Aber das sag ich dir, so eine Dumme wie mich findest du kein zweites Mal!"
Zack, flog die Tür wieder zu.
„Gestern hat – hm – Achim von einer Frau namens Cora erzählt“, begann Joe. „Wissen Sie etwas über sie? Wie sie weiter heißt, wo sie wohnt oder so?“
„Nö“, antwortete Löbl verdrießlich. „Ich weiß bloß, dass sie sich in den Arsch ficken lässt.“ Bei den letzten Worten hob er die Augen und fixierte Anne, die gleichmütig zurückstarrte.
„Mehr nicht?“, sagte sie dann. „Damit finden wir sie bestimmt nicht, schließlich interessiert so etwas die breite Öffentlichkeit nicht. Bloß so Kerle wie Sie.“
„He - !“
„Jetzt reißen Sie sich mal zusammen“, fuhr Joe den verkaterten Löbl so laut an, dass dieser zusammenzuckte. „Irgendwas muss ihr redseliger Kumpel doch erzählt haben, außer seinen Bettgewohnheiten. Los, nachdenken!“
„Ich hab Durst“, maulte Löbl.
Joe ging nach draußen, verhandelte kurz mit der zornigen Ehefrau und kam mit einer Flasche Wasser und einem Senfglas zurück. Er setzte sich an den Tisch und begann bedächtig einzuschenken.
Löbl fixierte die Luftbläschen im Glas und schluckte. Joe warf ihm einen Seitenblick zu. „Na? Denken Sie auch schön nach?“
Er stellte das Glas knapp außerhalb von Löbls Reichweite. „Also?“
„Den Nachnamen weiß ich nicht“, murrte Löbl, „aber er hat sie kennen gelernt, weil sie ihn interviewt hat. Am Marktplatz. Irgendein bescheuertes Thema, ob er an den Klimawandel glaubt oder so was Ähnliches, ich weiß es nicht mehr.“
„Dann arbeitet sie bei einer Zeitung?“, fragte Anne. „Ja, ich glaube.“ Er streckte die Hand nach dem Glas aus. Joe hielt es fest. „Bei welcher?“
„Keine Ahnung, verdammt! So was hat uns doch auch gar nicht interessiert! Sie war nichts Besonderes, mehr so Jubiläen und Bezirksliga.“
„Lokalredaktion“, notierte Anne. „Fällt ihnen sonst noch etwas ein?“
„Nein, verdammt.“ Er beugte sich hastig über den Tisch, grabschte sich das Glas und trank es hastig und laut schluckend aus. Joe schob ihm die Flasche zu und erhob sich. „Na gut, vorerst war´s das. Sie müssen natürlich noch ins Präsidium kommen und ein Protokoll unterschreiben. Sagen wir, am Montagvormittag.“
„Da muss ich arbeiten.“
„Dann