Einzelbauteilen oder bestimmte Bauteilimperfektionen (z. B. Bauteilimperfektionen für Biegeknicken oder Biegedrillknicken, siehe 5.3.4) nicht vollständig in der Berechnung des Gesamttragwerkes berücksichtigt werden, ist in der Regel die Stabilität der Einzelbauteile, die nicht in der globalen Tragwerksberechnung enthalten ist, unter Verwendung der maßgebenden Kriterien nach 6.3 zusätzlich nachzuweisen. Bei diesem Nachweis sind in der Regel die Randmomente und Kräfte des Einzelbauteils aus der Berechnung des Gesamttragwerkes einschließlich der Einflüsse aus Theorie II. Ordnung und globalen Imperfektionen, siehe 5.3.2, zu berücksichtigen. Darüber hinaus darf als Knicklänge des Einzelbauteils die Systemlänge angesetzt werden.
(8) Wird die Stabilität von Tragwerken durch einen Ersatzstabnachweis nach 6.3 nachgewiesen, ist die Knicklänge aus der Knickfigur des Gesamttragwerks zu ermitteln; dabei sind die Steifigkeit der Bauteile und Verbindungen, das Ausbilden von Fließgelenken sowie die Verteilung der Druckkräfte mit den Bemessungswerten der Einwirkungen zu berücksichtigen. In diesem Fall können die Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung ohne Ansatz von Imperfektionen ermittelt werden.
Anmerkung: Der Nationale Anhang darf den Anwendungsbereich festlegen.
Zu 5.2.2(7)
Methode a) sieht eine ggf. räumliche Tragwerksberechnung nach Theorie II. Ordnung mit räumlichem Ansatz von globalen und lokalen Imperfektionen vor. In diesem Fall sind nur Querschnittsnachweise erforderlich, da durch die nach Theorie II. Ordnung unter Berücksichtigung aller globalen und lokalen Imperfektionen ermittelten Schnittgrößen alle Stabilitätseffekte erfasst sind. Um das Biegedrillknicken in der räumlichen Tragwerksberechnung mit abzubilden, bedarf es ggf. einer Schnittgrößenermittlung nach geometrisch nichtlinearer Biegetorsionstheorie unter Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion. Die Methode b) kann auf zwei Arten angewendet werden, vgl. [K5] und [K11], bzw. [K44]. Beschränkt man den Ansatz der globalen und lokalen Imperfektionen auf die Tragwerksebene (Methode b1)), so ist das Biegeknicken in der Tragwerksebene durch die Querschnittsnachweise mit Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung abgedeckt. Lediglich für das Biegeknicken aus der Tragwerksebene und das Biegedrillknicken bedarf es dann eines Bauteilnachweises nach Abschnitt 6.3 mit Stabendschnittgrößen aus der Tragwerksberechnung nach Theorie II. Ordnung. Dieses Vorgehen ist zu empfehlen, wenn sich die Lagerungsbedingungen für Ausweichen in und aus der Tragwerksebene unterscheiden, also unterschiedliche statische Systeme für beide Richtungen vorliegen. Bei Methode b2) wird i. Allg. nur die globale Imperfektion, z. B. die Schiefstellung eines Rahmens, angesetzt und die Schnittgrößen werden nach Theorie II. Ordnung berechnet. Die Nachweise für die Stabilität am Einzelstab erfolgen sowohl in als auch aus der Tragwerksebene als Bauteilnachweise nach Abschnitt 6.3. Der Verzicht auf den Ansatz der lokalen Imperfektionen bei der Schnittgrößenermittlung nach Methode b2) ist zulässig, da diese vom Bauteilnachweis nach Abschnitt 6.3 berücksichtigt werden. In diesen Fällen sollte aber auf eine Berücksichtigung einer Knicklänge in der Ebene kleiner als die Systemhöhe verzichtet werden, da schon die Ermittlung der globalen Schnittgrößen am Tragwerk in der Ebene gewisse Einspanneffekte berücksichtigt. Das Modalverb „darf“ ist hier missverständlich. Auch kann gemäß 5.3.2(6) in Einzelfällen der Ansatz lokaler Imperfektionen (Stabvorkrümmungen) in der Berechnung des Gesamttragwerks erforderlich sein, wenn die Größe der Schnittgrößen am Stabende durch den Ansatz einer zusätzlichen Vorkrümmung im Gesamtsystem signifikant verändert wird. Das tritt ein, wenn Gl. (5.8) erfüllt ist, die im Grunde der Abfrage gemäß DIN 18800-2, Element (207) nach einer Stabkennzahl ε > 1,6 entspricht.
Zu 5.2.2(8) mit NDP dazu
Die Methode (c) entspricht dem klassischen Ersatzstabnachweis, bei dem die Knicklängen des Einzelstabes in und aus der Ebene für die maßgebende Druckkraftverteilung aus den Knickfiguren des Gesamtsystems abgeleitet werden. Dabei kann der Nachweis gemäß dem Bauteilnachweis in Abschnitt 6.3 mit den Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung, die am idealen Tragwerk ohne Ansatz von Imperfektionen ermittelt wurden, geführt werden, da durch die Berücksichtigung der Systemknicklänge indirekt bereits der Momentenzuwachs nach Theorie II. Ordnung und infolge der Imperfektionen erfasst ist. Für den Nachweis aus der Bauteilebene sind allerdings auch bei dieser Methode die Stabendschnittgrößen nach Theorie II. Ordnung erforderlich, die ggf. abgeschätzt werden müssen. Diese Momente nach Theorie II. Ordnung können berechnet werden, indem die Momente nach Theorie I. Ordnung mit dem Vergrößerungsfaktor nach Gl. (5.4) vergrößert werden.
Auch für den Fall, wenn Biegedrillknicken ausgeschlossen ist, müssen hier beim Nachweis aus der Ebene Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung berechnet werden, um den P-Δ-Effekt eines verschieblichen Systems auf die Stabendschnittgrößen zu berücksichtigen.
NDP DIN EN 1993-1-1/NA
zu 5.2.2(8) Anmerkung
Stabilitätsnachweise dürfen nach dem Ersatzstabverfahren nach DIN EN 1993-1-1:2010-12, 6.3 geführt werden, wenn die Konsequenzen für die Anschlüsse und die angeschlossenen Bauteile berücksichtigt werden. Typische Konsequenzen sind:
a) Bei der Bemessung von biegesteifen Verbindungen ist statt des vorhandenen Biegemomentes MEd das vollplastische Moment Mpl,Rd zu berücksichtigen, sofern kein genauerer Nachweis geführt wird.
b) Bei verschieblichen Systemen mit angeschlossenen Pendelstützen muss eine zusätzliche Ersatzbelastung V0 entsprechend der nachfolgenden Gleichung zur Berücksichtigung der Vorverdrehungen der Pendelstützen bei der Ermittlung der Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung angesetzt werden:
(NA.2)
mit
Pi Normalkraft der Pendelstütze i
ϕ nach DIN EN 1993-1-1:2010-12, 5.3.2(3) a)
5.3 Imperfektionen
5.3.1 Grundlagen
(1) Bei der Tragwerksberechnung sind in der Regel geeignete Ansätze zu wählen, um die Wirkungen von Imperfektionen zu erfassen. Diese berücksichtigen insbesondere Eigenspannungen und geometrische Imperfektionen wie Schiefstellung und Abweichungen von der Geradheit, Ebenheit und Passung sowie Exzentrizitäten, die größer als die grundlegenden Toleranzen nach EN 1090-2 sind, die in den Verbindungen des unbelasteten Tragwerks auftreten.
(2) In den Berechnungen sollten äquivalente geometrische Ersatzimperfektionen, siehe 5.3.2 und 5.3.3, verwendet werden, deren Werte die möglichen Wirkungen aller Imperfektionen abdecken, es sei denn, diese Wirkungen werden in den Gleichungen für die Beanspruchbarkeit von Bauteilen indirekt erfasst, siehe 5.3.4.
(3) Folgende Imperfektionen sind in der Regel anzusetzen:
a) Imperfektionen für Gesamttragwerke und aussteifende Systeme;
b) örtliche Imperfektionen für einzelne Bauteile.
5.3.2 Imperfektionen für die Tragwerksberechnung
(1) Die anzunehmende Form der Imperfektionen eines Gesamttragwerkes und örtlicher Imperfektionen eines Tragwerks kann aus der Form der maßgebenden Eigenform in der betrachteten Ebene hergeleitet werden.
(2) Knicken, sowohl in als auch aus der Ebene, einschließlich Drillknicken mit symmetrischen und antimetrischen Knickfiguren ist in der Regel in der ungünstigsten