Anja Pauli

Tausche Mann gegen Therapieplatz


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gedrückt, um mir körperlichen Abstand zu verschaffen.

      Meine Gedanken wanderten noch einmal in die Vergangenheit.

      In die Zeit, als wir uns kennenlernten.

      Zum ersten Mal sah ich Sebastian, als ich mich im ortsansässigen Reiterverein anmeldete. Zaghaft betrat ich den Boxengang, der in das hintere Vereinszimmer führte. Ich fühlte mich nicht wohl, als ich an den Pferden vorbeiging, denn obwohl ich jeden freundlich grüßte wurde ich skeptisch beäugt und nur selten kam ein „Hallo“ zurück. Es war eben eine eingeschworene Clique, dieses Reitervölkchen.

      Vor dem Durchgang zum Vereinsraum stand er, groß und raumfüllend versperrte er mir die Türe. Während er seine Hände gegeneinander rieb schaute er mich von oben bis unten aufdringlich grinsend an.

      „Na, schöne Frau, wohin des Weges?“

      „Ich möchte zum Reitstallleiter, Herrn Albers, können Sie mir sagen, wo ich ihn finde?“

      „Den Weg zeige ich Ihnen doch gerne“, sprach es, nahm mich am Arm und zog mich durch die Türe.

      Sein „Frisch-Fleisch-schnapp-ich-mir“-Blick traf mich aus über 1,80 Meter Höhe. Ich entriss ihm meinen Arm.

      „Bitte vielmals um Entschuldigung Ihnen zu nahe getreten zu sein“. Er deutete einen Kniefall an und verschränkte übertrieben die Arme auf der Brust. Er bleckte wieder die Zähne.

      Welch Unsympath!

      Drei Monate später begann ich jedoch meine anfängliche Meinung über ihn zu revidieren. Er war hilfsbereit und stets bemüht um mich.

      Eines Abends hatte er mich erfolgreich überredet mit ihm in einen Biergarten zu gehen. Wir fuhren gemeinsam, aber in getrennten Autos, vom Stall in die Düsseldorfer Altstadt. Vom Parkhaus aus liefen wir dann bei schönstem Sommerwetter die Rheinpromenade entlang.

      Ob es nun die laue Nachtluft war oder seine nicht enden wollenden Komplimente, die meine Hormone ankurbelten, ich wusste es nicht, jedenfalls küsste er mich plötzlich und ich konnte nicht bestreiten, dass es mir gefiel.

      Turtelnd kamen wir erst weit nach Mitternacht zu unseren Autos zurück und dort erwartete uns die „frohe Botschaft“, dass wir unsere fahrbaren Untersätze erst am nächsten Morgen wieder bekommen würden. Das Parkhaus hatte schon seit Stunden geschlossen! Er grinste mich schuldbewusst an, sagte aber kein Wort. Es war klar, dass er als gebürtiger Düsseldorfer genau wusste, wann welche Parkhaus schließen würde.

      Als wir uns am Morgen verabschiedeten, waren wir ein Paar. Und recht bald darauf ein Ehepaar.

      Knapp ein Jahr später wurde ich schwanger, und obwohl Sebastian – wie er allen sagte – furchtbar stolz war, kam mehr und mehr der Typ zum Vorschein, der mir einst den Weg versperrte.

      Zum Tanz in den Mai nahm er mich selbstverständlich im siebten Monat nicht mehr mit.

      „Schatz, was sollen denn die Leute sagen!?“

      Ebenso wurden andere Aktivitäten, wie Grillabende oder Ausflüge mit dem Verein, für mich gestrichen.

      „Denk an das Kind, du darfst dich nicht überanstrengen!“

      Nun kein Vorzeigepüppchen mehr, wurde ich umgehend ins dunkle Kämmerlein verbannt. Und wenn es sich Sebastians Frau, mittlerweile mit einem Plus von 20 Kilo Körpergewicht, dann dennoch wagte auf Veranstaltungen zu erscheinen, dann wurde sie nicht beachtet.

      So fristete ich mein Dasein bis zur Geburt von Robin zu Hause.

      Im neunten Monat überkam mich ein Heulkrampf nach dem anderen. Meine Waage verachtete mich bereits seit Tagen, und auch mein Spiegel wollte nichts mehr von mir wissen. Schon das Schuhanziehen am Morgen wurde zur Tortur. Was hätte ich um aufmunternde Worte gegeben?

      Zu hören bekam ich: „Habe noch niemanden gesehen, der so schnell so fett werden konnte“ oder „Muss dir bald jemand helfen beim Anziehen?“

      Schließlich hatte mein Sohnemann ein Einsehen mit seiner gebeutelten Mama und beschloss den Sprüchen ein Ende zu bereiten und auf die Welt zu kommen.

      Als ich meine Wehen bekam war Sebastian eigentlich an diesem Abend zu einer Party eingeladen. Hatten Robin und ich aber auch einen wirklich ungünstigen Termin herausgesucht!

      „Bist du dir sicher, dass das Wehen sind?“ fragte er mich ungeduldig. „Ich wollte doch gleich zum Horst.“

      „Ja, ganz sicher“, gab ich matt zurück. „Könntest du mich bitte jetzt fahren?“

      Unwillig machten wir uns auf den Weg. Meine schwere Krankenhaustasche drückte, er mir nachdem wir die Treppen hinunterkamen, in die Hand.

      „Die wirst du doch wohl selbst tragen können, bist doch nicht krank!“

      Wie nett, und warum hatte er mich dann in den vergangenen Wochen wie eine Aussätzige behandelt? Doch das eindeutige Ziehen im Bauch beendete abrupt meine gedanklichen Ergüsse.

      Im Krankenhaus fragten wir nach dem Weg zur Entbindungsstation. Sebastian fand die Vorbereitungskurse lächerlich.

      „Ich hechel da doch nicht mit fremden Leuten um die Wette!“

      Alleine wollte ich nicht dorthin gehen, und so mussten wir uns nun durchfragen und kannten weder Ärzte noch Hebammen.

      Meine Angst erklomm luftige Höhen!

      Vor dem Aufzug blieb Sebastian stehen und drückte auf den Knopf.

      „Ich fahre jetzt nicht mit dem Aufzug, stell dir vor der bleibt stecken. Nein, nein, ich gehe zu Fuß“, sagte ich ihm im gereizten Ton.

      „Schön, ich nicht, wir treffen uns dann auf der dritten Etage.“

      Mühsam schleppte ich mich die Stufen hoch, die Tasche in meiner linken Hand schien Wackersteine in sich zu haben. Dann wieder ein Ziehen und ich schnappte nach Luft.

      Die Stufen wollten und wollten kein Ende nehmen.

      Mehr als erschöpft kam ich vor dem Kreissaal an und sah Sebastian schon mit einer Krankenschwester dort stehen. Wenigstens etwas um was er sich gekümmert hatte. Doch weit gefehlt!

      „Ach so, deshalb sind sie hier!“ lachte die Schwester mit elfenhafter Stimme.

      „Ja, meine Frau meint sie hätte Wehen, könnten aber auch Blähungen sein, damit hat sie öfter zu kämpfen“, hörte ich ihn sagen.

      Ich schüttelte resignierend den Kopf.

      Nun wurde ich durchgereicht. Nach der Schwester folgte eine Hebamme, die mich an einen Wehenschreiber anschloss.

      Zuverlässige, wunderschöne, dreiminütige Wehen wurden mir diagnostiziert. Zwischen Atmen und Prusten stammelte ich Sebastian zu: „Von wegen Blähungen du Blödmann“.

      Die untersuchende Ärztin prophezeite mir die Geburt in weniger als einer Stunde, und ich wurde in einen Behelfskreissaal geführt. Alle anderen waren schon besetzt, schließlich sei heute Vollmond, da würden viele werdende Mütter reagieren und die anderen hätten sich rechtzeitig angemeldet.

      Das hatte ich davon!

      Eine kalte metallene Liege mit Beinauflagen in einem kleinen Raum, hier sollte also mein Sohn geboren werden. Die Schmerzen vermischten sich mit meiner Angst. Panik stieg in mir hoch, als ich das Krankenhauskittelchen überzog. Sebastian war noch mal schnell eine Zigarette rauchen gegangen, und ich versuchte mich selber zur Ruhe zu mahnen. Mit mir selbst vorgespieltem Interesse schaute ich mir die grünen Schränke und das nichtssagende Bild an der Wand an. Dann wurden die Schmerzen schlimmer und ich musste mich auf einen Stuhl setzen. Ich krallte mich an der Liege fest und versuchte gleichmäßig zu atmen.

      ,Atmen Karina atmen‘, sagte ich mir.

      Mir wurde schwindlig und das Herz schlug mir bis zum Hals. Panik, das war eindeutig eine Panikattacke, und ich schrie nach der Hebamme.

      „Ganz