Michaela Hössinger

Seelenecho


Скачать книгу

im und um das Haus anbrachte und legte diesen Steinkreis um das Haus. Nachts schlief sie nur mehr bei Licht, doch anscheinend verhalf ihr das alles nicht zur Ruhe. Karl hat dann einmal in Wirtshaus lauthals, als er bereits ziemlich betrunken war, es in die Welt hinaus posaunt.“ Verena sah, wie Dr. Sonnleitner nervös die Hände in die Taschen steckte.

      „Was? Was hat er denn nun erzählt. Machen sie es doch nicht so spannend.“

      „Karl sagte, nun er erzählte, dass Livi behauptete, dass es bei ihnen spuke. Sie habe mehrmals Inga gesehen. Nun, sie können sich vorstellen, welche Aufregung das verursacht hat. Öffentlich hat natürlich jeder Livi’s Ängste verspottet, doch ich glaube, so mancher war sich da dann doch nicht so sicher.“ Karla spielte nervös mit ihren Utensilien.

      Nachdenklich lehnte sich Verena zurück. „Haben andere Personen auch von solchen Vorkommnissen erzählt?“

      „Nun ja, nicht so direkt. Doch wenn ich darüber nachdenke, haben sich manche Dinge geändert. Kleinigkeiten, unbedeutsame Dinge“, gab Karla schließlich zu.

      „Die ihnen jedoch aufgefallen sind? Was zum Beispiel?“, hakte Verena nach.

      Karla schien noch innerlich mit sich zu ringen ihre Gedanken laut auszusprechen. Verena wartete geduldig ab. Denn sie wusste, hatte man einmal laut ausgesprochen, was man sonst nur ansatzweise sich gestattete im Kopf ablaufen zu lassen, eine Form annahm, der man sich danach nur mehr schwer entziehen konnte.

      „Nun, früher, um einiges früher war die Kapelle der Heiligen Katharina ein beliebtes Ausflugsziel für Picknicke und so und auch für verliebte Pärchen. Auch der Pfarrer hat des öfteren Messen dort gelesen, doch in den letzten zehn Jahren sind die Leute immer weniger dort hingekommen. Es ist irgendwie unheimlich dort geworden.“ Karlas Stimme sank immer mehr in die Tonlosigkeit ab, so als würden ihre Worte dem Unerklärlichen eine Gestalt geben.

      „Und sie, was ist mit ihnen, Karla? Finden sie es auch unheimlich?“, wollte Verena wissen.

      Nervös befeuchtete die Ärztin ihre Lippen. „Als ich nach Großkirchen gekommen bin, bin ich oft mit meinen Hunden oben gewesen. Einmal war es schon spät in der Nacht als ich nach Hause gefahren bin. Baxter hat gewinselt, weil er unbedingt sein Geschäft machen musste, so bin ich eben hochgefahren. Wie es eben seine Art war, ist er gleich zwischen den Bäumen verschwunden. Plötzlich hörte ich ihn winseln und wie ein geölter Blitz ist er aus dem Wald hervor geschossen, mit eingezogenem Schwanz. Er sprang in den Kofferraum und zitterte, er schien tatsächlich Angst zu haben.

      Ich konnte mir sein Verhalten nicht erklären, es war vollkommen ruhig und dann hatte ich plötzlich das Gefühl nicht mehr alleine zu sein. Kurz dachte ich, ich hätte eine Gestalt zwischen den Bäumen gesehen, fühlte so eine eigenartige Beklommenheit. Jedenfalls habe ich es mit der Angst zu tun bekommen und habe das Weite gesucht. Später habe ich darüber nachgedacht und bin einfach zu der einzigen vernünftigen Erklärung gekommen.“

      „Ja?“ Verena ahnte schon die Standardaussage.

      „Es war dunkel und ich war allein. Gut, Baxter hat sich seltsam benommen, doch im nach hinein weiß ich, dass diese Gefühle und Wahrnehmung einfach meiner Angst entsprungen sind.“ Karla versuchte zumindest überzeugend zu klingen.

      „Und welchen Grund haben dann die Bewohner von Groß­kirchen die Kapelle zu meiden und vor allem, warum hatte Livi Kafka Angst vor der Dunkelheit in ihrem Haus? Es liegt in der Natur des Menschen zu verleugnen, was sie nicht begreifen oder was ihnen Angst macht. Darum ist auf das Urteil eines Menschen nicht unbedingt Verlass. Aber eines können sie mir glauben Karla, auf die Instinkte eines Hundes können sie zu hundert Prozent bauen.“

      Karlas erzwungenes Lächeln gefror als sie in den blauen Augen Verenas las. „Sie waren natürlich da. Was haben sie gefunden?“

      „Ein großes Rätsel und sie können sicher sein, dass ich das Geheimnis lösen werde, was immer es auch ans Tageslicht bringt.“ Verena ließ daran keinen Zweifel erkennen.

      Karla nickte leicht in Gedanken. „Seien sie vorsichtig und wenn sie mich brauchen, dann rufen sie mich an.“

      „Das werde ich. Ich lass mich nicht so schnell unterkriegen.“

      Verena verließ die Praxis und lenkte ihren Wagen Richtung Stadt. Sie hatte eine Menge Arbeit vor sich.

      Ihr erster Weg führte sie in das Stadtarchiv, wo sie dann stundenlang die Zeitungsberichte der letzten Jahre durchblätterte. Frustriert musste sie sich schließlich eingestehen, dass es sie nicht weiter brachte. Seufzend griff sie nach ihren Telefon und wählte die Nummer eines befreundeten Beamten im Finanzamt um die ­Adresse von Livi ausfindig zu machen. Es war äußerst hilfreich gute Beziehungen zu unterhalten, wenn man auf der Suche nach etwas war. In der heutigen Zeit wurde alles digital erfasst und war somit relativ leicht zugänglich.

      Doch leider musste sie sich noch etwas damit gedulden, Frank war gerade auf Urlaub. Mit nicht mehr besonders viel Elan blätterte Verena in den Seiten weiter, war in Gedanken jedoch bei den neuen Informationen, die sie bei Karla erfahren hatte. Irgendetwas passte bei der ganzen Sache überhaupt nicht zusammen. Nach Georgs Erzählung war seine Familie auf der Bundesstraße verunglückt, die Stelle lag gute vier Kilometer von Livis Haus entfernt, warum also sollte ausgerechnet deren Geist bei Livi Kafka spuken. Das ergab doch gar keinen Sinn. Geister tauchten nicht willkürlich wo auf, sie erschienen dort, wo es einen unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem Leben oder auch Tod hatte.

      Verena blätterte eine weitere Seite um, das Leben hier schien laut der Presse äußerst ereignislos zu sein, kurz gesagt eine vorbildliche unauffällige Gegend. Sie wollte schon die Zeitung zuschlagen, da sie keine Lust mehr hatte, an diesem Tag noch weiter zu „recherchieren“.

      Verena stutzte plötzlich und beugte sich wieder hellhörig über die Zeitung. „Kapelle in Großkirchen verwaist!“ stand da in großen fetten Buchstaben. Verena las aufmerksam den kurzen Text. „Während der letzten Jahre wurde ein beliebtes Ausflugsziel im Grünen immer mehr gemieden. Obwohl niemand genauere Angaben dazu öffentlich äußern möchte, ist dieser Umstand mehr als ungewöhnlich. Die Kapelle der Heiligen Katharina in Großkirchen und Schutzpatronin des Ortes kann anscheinend ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden, die Bewohner von Großkirchen fühlen sich eben dort „nicht mehr wohl“. Viele Besucher bekamen Angstzustände und litten unter Atemnot, weiters seien während der Nacht Schreie gehört worden. Der Geistliche des Ortes fühle sich machtlos, selbst nach mehren abgehaltenen Messen habe sich die Situation nicht verbessert. Was auch immer der Grund sein mag, warum die Menschen diesen Ort in den letzten Jahren immer mehr meiden, es bleibt weiter ungeklärt. Vielleicht wird eines Tages das Geheimnis gelüftet, damit diesen Stück Erde der alte Friede wieder gegeben werden kann.“

      Nachdenklich biss sich Verena auf die Lippe, also hatten durchaus mehrere Einwohner eine Konfrontation mit der negativen Aura gehabt. Und das Muster ihres Verhaltens war ihr keineswegs unbekannt. Es konnte nicht geben, was es nicht geben darf und darum schwiegen sie es tot. Unter vorgehaltener Hand und flüsternd wurde darüber gesprochen, vermutlich schliefen sie dann auch wieder einige Nächte schlechter, wenn sie sich die Unheimlichkeit ins Gedächtnis riefen, was ihnen große Angst bereitete. Doch öffentlich und laut wollte niemand der Tatsache ins Gesicht sehen.

      Nun, sie hatte damit kein Problem und sie konnte verdammt gut laut reden, wenn die Zeit gekommen war. Jetzt war Verena auch klar, dass die Großkirchner ihre Anwesenheit sogar sehr persönlich nahmen. Die Frage war nur, wer von ihnen wusste um das Geheimnis, welches im Wald bei der Kapelle verborgen war. Dass es einer kannte, stand für sie außer Zweifel, denn es musste in den letzten zehn Jahren etwas passiert sein, vorher hatte es höchstens die weiße Frau gegeben und die hatte niemand gefürchtet, nein, sie waren sogar stolz gewesen.

      „Kaspar, wir sind hier auf eine echte Herausforderung gestoßen. Und wir müssen mit einem äußersten Fingerspitzengefühl an die Sache heran gehen. Denn auch dann werden wir vermutlich noch genug Feindseligkeiten einstecken müssen.“

      Und da Georgs Frau irgendwie in die Geschichte eingebunden war, erschwerte die Angelegenheit zusätzlich. Erstens würde es Georg nicht gefallen und den Großkirchnern noch viel weniger.