Michaela Hössinger

Seelenecho


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eine Marionette und er zog die Maschinerie durch bis wir alt genug waren um selbst im Leben zu stehen. Er wurde mit ihrem Tod einfach nicht fertig.

      Von da an, waren Karin und ich täglich bei Emilia. Sie war unsere Ersatzmutter und wir waren für sie die Kinder, die sie gerne gehabt hätte. Sie hat uns von diesem Tag an sozusagen adoptiert. Da unser Vater täglich arbeitete, war es natürlich auch die beste Lösung, die uns passieren konnte.

      Und wenn er zu Hause war, hat er versucht uns glücklich zu machen. Doch er war selten da und er vermisste unsere Mutter so schmerzlich und mit der Zeit hat er sich aufgegeben, sich immer mehr abgekapselt. Ich hatte das Gefühl, dass er uns gar nicht mehr wahrnahm.

      Sobald Karin und ich erwachsen waren, hat er noch mehr getrunken, er verlor schließlich seine Arbeit, was ihm jedoch egal war und am Hochzeitstag meiner Eltern ist er auf den Friedhof gegangen, zu ihr. Das war im Jänner, er ist erfrorenen, an ihrem Grab. Ich konnte ihn nicht retten“, flüsterte Georg rau.

      Verena betrachtet Georg, wie er ihr gegenüber saß und mit stoischem Ausdruck seine Geschichte vor ihr ausbreitete. Sie hatte ja nicht ahnen können, dass er eine solch traurige Vergangenheit mit sich herum trug. Und vor allem Schuld, unverkennbar fühlte er sich schuldig.

      „Vielleicht deswegen, weil es nicht in deiner Macht lag. Oft muss man sich zuerst selbst retten, um gerettet werden zu können. Es war nicht deine Schuld“, versicherte Verena.

      „Das habe ich mir schon oft selbst gesagt und doch, vielleicht hätten wir einen Weg finden können.“

      „Ich glaube, der einzige Weg wäre gewesen, nie erwachsen zu werden, doch das liegt nun einmal im Lauf des Lebens.“

      Georg nickte wenig überzeugt. „Wie auch immer, ich muss jetzt los. Vielleicht sehen wir uns ja noch später“, verabschiedete sich Georg

      „Klar, schönen Tag noch.“ Georg nickte ihr zu und war wenig später verschwunden.

      Nachdenklich rührte Verena in ihrer Tasse. Georg schien nicht gerade auf die Butterseite des Lebens gefallen zu sein. Er hatte schreckliche Schicksalsschläge erlitten und doch schien er nicht den Lebensmut verloren zu haben.

      Kaspar winselte mitleidig um Verenas Aufmerksamkeit zu erlangen und geistesabwesend kraulte sie ihm hinter den Ohren. „Na, wohin ist denn deine gute Laune verschwunden?“, fragte Tim mit lauter Stimme.

      „Setz dich doch zu mir, Emilia scheint ja sowieso keine Zeit für mich zu haben.“

      „Emilia hat ein großes Herz, doch sie ist ständig in Bewegung. Wenn sie zum Stillstand kommt, ist das eine ernste Sache. Also, was hast du auf dem Herzen, dass du dem alten Tim erzählen willst.“ Tims tiefe Stimme war nicht gerade unauffällig

      „Wie kommst du denn darauf?“, fragte Verena lachend.

      „Das sehe ich an deiner Nasenspitze.“ Als Verena ihn nur lächelnd ansah und ein lässiges „Ach ja“ zuwarf, brachte es er gleich auf den Punkt.

      „Georg hat dir von seiner Familie erzählt, ich kenne den Jungen sehr genau. Es geht mich ja auch nichts an, was ihr beide da so redet, aber – nun ja, ich wollte dir danken.“ Tim schien auf einmal ganz verlegen.

      „Wofür“, wollte Verena überrascht wissen. „Das du es geschafft hast, dass er sich öffnet. Georg trägt ziemlich viel Last mit sich herum, weil er manche Dinge in sich verschlossen hat. Als damals Inga und Christan den Tod fanden, befürchteten Emilia und ich, dass er es seinen Vater gleichtun könnte. Nun, ich meine…“ Tims Verlegenheit stieg. Was tat er da eigentlich, er mischte sich grundsätzlich nicht in solche Sachen ein, das tat normal Emilia.

      „Du meinst, an Kummer sterben?“, vollendete Verena seinen Satz.

      Ihre Augen trafen sich, Tim war ein guter Mann unter seiner Schale steckte ein einfühlsamer Mensch mit großem Herz, der sich um andere sorgte. „Er hat doch euch beide, ihr seid auf eine Art seine Familie, so wie er auf eine Art euer Sohn ist.“

      Tim presste unschlüssig seine Lippen aufeinander. Er räusperte sich und Verena konnte sehen, dass er sich unbehaglich fühlte. „Georg braucht wieder eine eigene Familie. Und ihr beide scheint zusammen zu gehören. Er mag dich.“ Tim deutete verlegen und fahrig mit seinen Händen herum, während Verena ihn entgeistert anstarrte.

      „Du solltest dir nicht unmögliche Hoffnungen machen und ganz sicherlich möchte ich niemanden verletzen. Ich werde wieder gehen Tim, wenn ich meine Arbeit hier beendet habe. Und nur, weil wir uns gut verstehen, heißt das nicht, dass wir mehr als gute Freunde sind. Außerdem kennen wir uns kaum.“

      Tim nickte ernst mit dem Kopf. „Wir werden noch sehen. Du bist ein gutes Mädel. Ich mag dich auch.“ Verena sah perplex Tim hinterher, wer hätte gedacht, dass gerade er solche Gedanken mit sich herumtrug.

      „Komm, Kaspar. Wir fahren zu Dr. Sonnleitner, bevor auch noch Emilia uns in die Zange nimmt.“ Und fluchtartig räumte Verena ihren Platz.

      Kapitel 11

      „So, du bist fast wie neu, mein Guter.“ Als Versöhnung wegen der weiteren Spritze hielt die Tierärztin Kaspar einen leckeren Hundeknochen vor die Nase. Doch Kaspar zierte sich.

      „Ach herrje, ein typischer Mann, immer gleich beleidigt“, lachte sie.

      „Gibt es noch etwas, was ich für sie tun kann?“, fragte Karla Sonnleitner fröhlich.

      „Ja, da gäbe es etwas. Kennen sie den momentanen Aufenthaltsort von Livi Kafka?“ Verena sah den überraschten Ausdruck auf Karlas Gesicht.

      „Livi? Nun, lassen sie mich nachdenken. Ich glaube, sie ist nach Siebenhirten gezogen, das liegt am anderen Ende der Stadt. Dort lebt sie bei einer Freundin. Doch Georg weiß das sicherlich und wie ich so gehört habe, sehen sie sich ja täglich.“ Karla zwinkerte belustigt mit den Augen. „Und Karl wird es natürlich auch wissen“, fügte Karla hinzu.

      „Ich ­denke, der ist nicht besonders gut auf mich zu sprechen“, mutmaßte Verena

      „Ja, da haben sie Recht“, stimmte Karla zu.

      „Obwohl ja nicht alle Frauen der Welt für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich gemacht werden können“, seufzte Verena auf.

      „Ihre Ehe ist nicht gescheitert, zumindest nicht so wie sie es offensichtlich denken“, versuchte Karla die Sache richtig zu stellen.

      „Was meinen sie damit?“ Verena horchte auf und das Kribbeln in ihren Bauch meldete sich zurück.

      „Livi Kafka und Inga Reuter waren sehr gute Freundinnen und infolge dessen standen sich die Familien sehr nahe. Als dieser schreckliche Unfall vor drei Jahren passierte, wo Inga und ihr Sohn starben, da hat es begonnen.“ Verena sah sehr wohl, dass sich Karla unwohl zu fühlen begann.

      „Was hat begonnen. Bitte Karla, lassen sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen.“ Verena war hellhörig, sie fühlte wie sich ein neues Teil von ihrem Puzzle Gestalt annahm.

      „Hören sie Verena, ich erzähle ihnen was ich gehört habe, was jedoch nicht heißen soll, dass da irgendetwas dran ist. Die Leute reden soviel Blödsinn und ich möchte nicht als Klatschtante dastehen.“

      „Ich weiß, dass auch Unglaubliches der Wahrheit entsprechen kann. Lassen sie mich doch selbst urteilen. Und ich werde unser Gespräch natürlich vertraulich behandeln.“

      „Ja, gut. Schließlich sind sie ja sozusagen Experte auf dem Gebiet.“ Karla lachte nervös auf. „Livi behauptete, dass sie in dieser Nacht, in der der Unfall passierte, Schreie gehört hätte und das sie felsenfest der Überzeugung war, dass Inga ihre Hilfe brauchte. Das sie versuche zu ihr zu gelangen. Livi hat solange Karl traktiert, bis er sich ins Auto gesetzt hat und mit Livi die Gegend abgesucht hat. Sie haben sie dann auch gefunden, doch da waren sie schon tot.

      Doch von diesem Tag an, hat Livi keine Ruhe mehr gefunden. Man sah es ihr an, dass es ihr schlecht ging, doch am Anfang sagte sie kein Wort. Sie begann sich nur seltsam zu verhalten.“