Michaela Hössinger

Seelenecho


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kurzen Moment diese Spannung zwischen ihnen wie am Morgen.

      „Ich komme jetzt gut alleine klar.“ Dieser Satz beinhaltete eine doppelte Bedeutung und vor allem, sie musste alleine klar kommen. „Natürlich tust du das, daran hege ich keinen Zweifel. Aber wie gesagt, zu zweit fällt manches leichter. Komm, ich fahr dich.“ Und ohne weiter auf ihre Zustimmung zu warten, hob er Kaspar auf die Ladefläche und begab sich zum Fahrersitz.

      „Du musst nicht deinen Dienst vernachlässigen, ich kann fahren“, versuchte sie es erneut.

      „Verena, widersprich nicht einem Polizeiinspektor im Dienst oder muss ich dir die Schlüssel abnehmen?“

      „Das wagst du nicht!“

      Doch Georg zog nur provozierend die Augenbraue hoch. „Du kannst doch nicht…“ Verena fehlten momentan die Worte. „Du kannst doch nicht deine Autorität als Beamter ausnutzen!“ Doch ihr entrüsteter Aufschrei beeindruckte Georg überhaupt nicht.

      „Willst du es darauf ankommen lassen? Obwohl du Karl erschreckt hast, bin ich sicher, dass er deine Fahrtüchtigkeit in Frage stellt.“

      Verenas Augen zogen sich gefährlich zusammen. „Herrgott noch mal, jetzt mach doch nicht so einen Aufstand, weil dich ein Mann ins Dorf fahren will. Du verlierst dabei kein bisschen an deiner Eigenständigkeit. Lässt du denn niemals einen Mann ans Steuer?“ Schon wieder eine doppeldeutige Aussage. Verena konnte ihn nur anstarren. Irgendwie schien sich die Situation ihrer Kontrolle zu entziehen.

      „Na bitte, wenn du es unbedingt für erforderlich hältst“, gab sie schließlich nach und seufzte dabei hörbar auf.

      „Nicht unbedingt erforderlich, doch es macht mir Spaß“, murmelte Georg. Und mit einem breiten Grinsen setzte er sich hinter das Steuer.

      Gerade als Georg den winselnden Kaspar von der Ladefläche hob, stürmte Emilia auf den kleinen Parkplatz. „O mein Gott, ist euch etwas passiert. Soeben hat mir Karla erzählt, dass Verena in einen Unfall verwickelt war. Ich hatte die ganze Zeit schon so ein komisches Gefühl.“ Emilia war ganz aus dem Häuschen auch wenn sie die Blumen noch gar nicht gesehen hatte, dachte Verena sarkastisch.

      „Verena ist nichts passiert, Emilia. Nur der arme Kaspar hat sich eine Prellung zugezogen, als er von den Pflanzen gegen die Bordwand gedrückt wurde“, erklärte Georg sachlich.

      „Pflanzen, welche Pflanzen?“, fragte Emilia verwundert.

      „Diese da, viel ist leider nicht mehr davon übrig. Ich glaube, da kann nicht einmal unser Pflanzenwunder Weidmann helfen“, schnaufte Verena.

      Emilia fielen fast die Augen aus dem Kopf als sie auf die Fracht sah. „Ach herrje, ist es nicht schon etwas spät um Blumen zu setzen? Ich hatte bis jetzt gar nicht den Eindruck, dass du dich mit so was beschäftigst. Und du hast sogar eine Hoya, gleich zwei davon“, verwunderte sich Emilia.

      „Nun, das sollte alles für dich sein, wegen heute Morgen. Und Hans Weidmann hat mir erzählt wie sehr du diesen Wachsblumenstock haben möchtest und na ja, Kaspar hat ihn in seiner Panik halbiert, darum sind es jetzt zwei.“ Verena war das furchtbar peinlich.

      „Was? Für mich? Das hat ja ein kleines Vermögen gekostet.“

      Georg sah wie Emilia feuchte Augen bekam. „Meinst du, man kann davon noch was retten?“, fragte er praktisch. Emilia schien die Sprache verloren zu haben, doch sie nickte heftig mit dem Kopf.

      „Hör mal Emilia. Paul kommt dann auch vorbei, wir dachten, wir könnten gleich bei dir essen, bevor wir wieder auf die Wache müssen. Wenn du also Hilfe bei dem Grünzeug brauchst, dann sage es gleich.“ Georg lehnte lässig am Verenas Pick up und vermittelte nicht den Eindruck es eilig zu haben.

      „Zuerst bringst du Verena hinein, Tim soll ihr schon mal eine Suppe servieren. Mein Gott, Kindchen, was für ein Tag.“ Emilia fasste Verena um die Schultern als bestünde die Gefahr, dass sie jeden Moment umfallen könnte.

      „Mir geht’s gut, ehrlich. Und wenn ich gewusst hätte, dass dich ein kleiner Unfall dazu bringt endlich du zu mir zu sagen, wäre ich schon eher in Versuchung geraten.“

      Doch Emilia fand das gar nicht komisch und klopfte ihr tadelnd auf die Brust. Sie zuckte zusammen, als ihr die harmlose Geste einen stechenden Schmerz bereitete und dabei leise aufstöhnte. Georg verließ seine gute Miene und fixierte Verena scharf, die sich die schmerzhafte Stelle rieb, die doch ungewöhnlich schmerzte.

      „Mach deine Bluse auf!“, forderte Georg bestimmt.

      „Was? Hast du den Verstand verloren? So gut kennen wir uns noch lange nicht.“ Verena sah entgeistert auf.

      „Ich bin zwar kein Arzt und auch kein Sanitäter, doch ich erkenne sehr wohl, wenn jemand Schmerz verspürt. Du hast dich doch verletzt!“

      „Und weil ich nun vermutlich ein paar blaue Flecken habe, soll ich mich auf der Straße ausziehen?“

      Doch bevor Georg auch nur den Mund aufmachen konnte, schaltete sich Emilia bestimmt ein. „Damit macht man keine Scherze Verena. Du wirst sofort mit Georg rein gehen und dich ansehen lassen und danach wird gegessen. Auf jeden Fall solltest du bei unseren Arzt vorbei schauen.“

      „Und die Blumen? Ich meine, ich habe eine Menge Geld dafür bezahlt. Rette sie!“ Verena konnte nicht anders, die Situation war absurd.

      „Die Blumen müssen warten, ich kümmere mich gleich darum. Und nun widersetzte dich nicht einen Polizisten.“ Emilia und Georg hatten sich gegen sie verschworen und morgen würde sie vermutlich in Gedanken daran, lachen.

      So kam es, dass sie fünf Minuten später vor Georg mit geöffneter Bluse auf dem Tisch saß. „Na bitte. Blaue Flecken, ich glaube, ich werde es gerade mal noch überleben.“ Georg sah finster drein.

      „Das ist ja wohl eher schon ein Bluterguss, ich werde dich gleich nach den Essen bei Dr. Edelbach absetzten, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Sicherlich stehst du unter einem leichten Schock und möglicherweise ist mehr passiert als zu sehen ist.“

      Fassungslos begann Verena wieder die Knöpfe zu schließen. „Mir geht es gut, ehrlich. Und falls es dir entgangen sein sollte, ich bin volljährig, niemanden verpflichtet und es ist wirklich nicht notwendig.“ Georg fixierte sie jedoch nur finster und unwillkürlich wurde ihr die Kehle unter dem Blick eng. „Ich lass mich von dir nicht einschüchtern!“

      „Gut, dann werde ich Emilia sagen, welch ein Sturkopf du bist und dann kannst du dir sicher sein, dass sie dir die Hölle heiß macht und glaub mir, sie setzt Sanktionen, wenn sie es für nötig hält.“

      „Das ist Erpressung!“, empörte sich Verena.

      Doch Georg grinste sie nur frech an. „Genau so ist es.“

      Kapitel 8

      Und so kam es, dass sie im Wartezimmer von Dr. Edelbach geschlagene zwei Stunden wartete. Zeit genug, um den total aus der Bahn geratenen Tag Revue passieren zu lassen. Und was ihr am meisten in den Sinn kam war Georg Reuter. Sie musste zugeben, dass er vermehrt ihre Gedanken beschäftigte. Und das Seltsamste daran war, dass sie miteinander umgingen als würden sie sich bereits seit zwei Jahren kennen und nicht erst seit zwei Tagen.

      Da sie sich mit dieser Situation aber nicht beschäftigen wollte und sie im Moment nicht darauf erpicht war mit den Menschen im Arztzimmer, die hinter verdeckter Hand über sie redeten, näher in Kontakt zu treten, konzentrierte sie sich auf Karl Kafka.

      Der Mensch war wirklich ein Unikat an einem frauenfeindlichen Bild. Doch da war noch mehr gewesen. Angestrengt versuchte Verena sich die Worte ins Gedächtnis zu rufen. Da waren persönliche Probleme gewesen und hatte Karla nicht gesagt, seine Frau hätte ihn verlassen? Doch da war noch etwas in ihrem Hinterkopf und mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf die Szene. Irgendetwas mit seiner Frau Lisa, nein, Lydia, nein, das war doch die Tochter von Stegersbach. Wie hatte er sie genannt?

      Verena war so vertieft, dass sie ihren Namen gar nicht hörte, als sie aufgerufen