Michaela Hössinger

Seelenecho


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Plötzlich zitterten Verenas Hände und sie fühlte sich gar nicht mehr gut. Der Ablauf der letzten viertel Stunde schien sich erst jetzt langsam in ihren Hirn zu realisieren und heftig presste sie ihre Handflächen gegen ihre Stirn. Wir kurz das Leben doch sein konnte und dabei wollte sie nur ein paar Blumen transportieren. Und auch wenn sie sich es nicht gerne eingestand, sie war froh ein bekanntes Gesicht zu sehen.

      Georg kam mit Riesenschritten auf sie zu. „Mein Gott Verena, alles in Ordnung.“

      „Wie man es nimmt. Kaspar hat sich den Hinterlauf geprellt, die Blumen um zweihundertfünfzig Euro liegen dahinten auf der Straße und soeben wurde ich mit antifeministischen Argumenten nieder gewalzt.“

      „Wenn interessieren die Blumen, bist du verletzt?“

      Hörte sie da echte Sorge in seiner Stimme? „Ja, ja, ich bin okay.“

      „Kannst du mich dabei ansehen?“

      Verena kämpfte mit ihrem inneren Chaos. „Später, ich bin gerade etwas aus der Bahn, in Ordnung? Gib mir fünf Minuten.“ Verdammt, wie weinerlich sie sich anhörte. Doch Georg schien fürs erste damit zufrieden und drückte ihr aufmunternd die Schulter.

      Dieser Karl Kafka brüllte gerade die Tierärztin an und gestikulierte wild in der Luft und auch Georgs Kollege schien ihn nicht beruhigen zu können.

      „Dem ist nicht zu helfen. Wie heißt denn ihr Hund?“, fragte die Tierärztin. Wenigstens Karlas Gesicht war freundlich.

      „Kaspar. Ich glaube, sein Hinterlauf ist geprellt, er wurde gegen die Bordwand gedrückt und die Pflanzenkübel haben ihn eingezwickt.“

      „Ist es nicht schon etwas spät für den Blumenanbau?“, war Karla verwundert.

      „Sollte eine Wiedergutmachung für Emilia werden. Wir haben ihr heute Morgen einige kaputt gemacht.“

      „Ohne neugierig zu wirken, doch ich nehme an, sie sind die bereits legendäre Geisterexpertin, die seit zwei Wochen die Runde in Großkirchen macht.“

      „Hundert Punkte. Verena Ritter.“

      „Fühlen sie sich jetzt besser?“ Verena nickte zur Antwort und während ihres Gespräches tastete Karla fachmännisch Kaspar ab. „Ich glaube, sie hatten Recht mit ihrer Diagnostik. Ich gebe ihm eine Spritze gegen die Schmerzen und morgen kommen sie in meine Praxis. Und in einer Woche ist er wieder wie neu“, versicherte sie.

      „Danke.“

      Verena streichelte ihren Hund tröstend und er winselte erbärmlich wegen des kleinen Picks der Spritze. Georg kam auf sie zu und ging vor ihr in die Knie. „Geht’s wieder? Wir müssen einen Unfallbericht aufnehmen“, erklärte er.

      „Ja, klar. Das wird sicherlich interessant. Dieser Karl Kafka ist ja sehr kommunikativ.“ Verenas Kommentar und ihre Miene entlockte der Ärztin ein Lachen.

      „Hallo Karla“

      „Hey, Georg. Das wird ja sicherlich noch ganz unterhaltsam.“

      „Wie geht’s Kaspar?“

      „Fast wie neu.“

      „Danke, dass du angehalten hast.“ ­

      „Ehrensache, wir hören uns.“ Georg nickte zum Abschied und ­Verena bedankte sich.

      Sie atmete tief durch. „Ich nehme an, er gibt mir die Schuld?“, fragte Verena resigniert.

      „So in etwa“, stimmte Georg zu.

      „Natürlich, allein das ich eine Frau bin, reicht aus um mich für die ganze Misere verantwortlich zu machen.“

      „Verena, Karl ist kein schlechter Kerl, er hat nur persönliche Probleme, in seiner Ehe ist es in letzter Zeit nicht gut gelaufen. Lass uns das ­klären, dann bring ich dich in Emilias Café.“

      Verena straffte sich und innerlich gewappnet trat sie Karl Kafka gegenüber, der sich inzwischen beruhigt zu haben schien. Doch vielleicht war ihm auch nur die Puste ausgegangen.

      Georg ergriff gleich das Wort. „Also, wir wollen den Unfallhergang eruieren. Zuerst, ich bin Georg Reuter und mein Kollege Paul Kuhnt. Karl Kafka, Peter Lensen und Verena Ritter.“

      Doch als dieser Karl die Namen hörte, explodierte er erneut. „Was, Ritter, doch nicht die irre Geisterjägerin. Was wollt ihr denn da noch wissen. Die hat ja nicht alle Tassen im Schrank, sieht an allen Ecken und Enden Geister, vermutlich ist sogar einer davon gefahren. Die Weiber haben ja alle einen Knall. Wie Livi, hörte und sah auch Dinge, die gar nicht da waren.“

      „Jetzt reicht es aber, Karl“, rief ihm Georg streng zu Ordnung und in den Augenwinkel konnte er erkennen, wie alle Farbe aus Verenas Gesicht wich.

      In Verena brodelte es, nicht nur, dass sie einen total blöden Tag gehabt hatte, dazu auch noch dieser Kerl, der sie in einem herab machte. „Der einzige, der hier einen Knall hat, sind doch sie, Karl Kafka. Und wenn sie sich mit mir anlegen, bedenken sie, dass ich ihnen einen netten lästigen Geist in ihr Haus schicken werde. Wissen sie, dass ist nämlich der Vorteil bei meiner Arbeit und gelegentlich äußerst praktisch.“

      Obwohl diese Drohung absolut lächerlich war, erblasste Karl Kafka innerhalb Sekunden zu einer Leichenblässe und der Mund blieb ihm offen stehen. Und Verena hätte schwören können, dass sie sogar den Angstschweiß an ihm wahrnehmen konnte. Doch in dem Moment hatte sie kein Mitleid und alles war ihr egal. Der angesammelte Zorn der letzten Jahre brach aus ihr hervor und sie ergoss ihn über diesen frauenfeindlichen Karl. Er war das Sinnbild für all die Demütigungen und Tuschelein der Leute über ihre Person und ihre Arbeit.

      „Und wenn sie endlich einmal aus ihrem benebelten Hirn zur Besinnung zurück finden, werden sie offen zugeben müssen, dass sie mich vor dieser Kurve überholen wollten, weil sie vermutlich keine Zeit hatten, eine Minute später an ihr Ziel zu kommen und unerwartet Peter Lensen mit seinem Laster auf der Gegenfahrbahn vor sich sahen.“

      „Sie sind zu langsam gefahren“, widersprach er kleinlaut.

      „Ja, verdammt noch mal. Weil ich um scheiß viel Geld Grünzeug auf der Ladefläche hatte und meinen Hund. Und das Beste aus Weidmanns Gewächshaus liegt jetzt da drüben auf der Fahrbahn. Und wenn sie es noch einmal wagen mich als verrückt zu bezeichnen, dann werden sie ein unvergessliches Erlebnis mit der blöden Ziege haben. Ist das klar?!“ Verena brüllte Kafka an, der nur mehr nickte und sie erschreckt anstarrte. Doch sie hatte genug und sie war nicht verrückt. „Und während ihr hier euren Unfallbericht schreibt, werde ich mein Zeug aufladen und zu Emilia fahren.“ Wütend machte Verena kehrt und stapfte zurück auf die Straße und ließ die Männer einfach stehen.

      Kapitel 7

      Es dauerte nicht lange und Georg tauchte neben ihr auf und fasste ohne zu fragen die kümmerlichen Reste zusammen. „Du brauchst mir nicht helfen, ich schaffe das auch alleine“, knurrte Verena ihn an. Sie war noch immer wütend und auch der Schreck vom Unfall steckte noch in ihren Gliedern.

      „Ich weiß, doch zu zweit ist es leichter“, versuchte Georg zu besänftigen.

      „Ich glaube, es schadet ihren Ruf Herr Reuter, wenn sie sich mit einer Irren abgeben, die Geister an ihr Steuer lässt.“

      „Du bist gerade nicht fair“, erwiderte Georg ernst.

      „Ach ja? Wann sind denn die Leute zu mir fair, hey? Ich habe es satt, fair zu ihnen zu sein, denn sie verdienen es nicht!“ Verena starrte ihn wütend an, sie hatte die Nase voll davon allen ins Gesicht zu lächeln, die hinter ihren Rücken ihr den Vogel zeigten. Doch dann seufzte sie tief auf. Er hatte recht, sie war gerade nicht fair und es war nicht ihre Art, dermaßen ihre Gefühle offen zu legen und einfach den nächst besten anzuschnauzen, ob er es nun verdiente oder nicht. Der Unfall hatte ihr psychisch doch mehr zugesetzt als sie zu erkennen gab.

      „Es tut mir leid. Ich habe gerade meinen Frust an dir abgelassen und dabei glaube ich, dass du ein guter und verlässlicher Freund sein kannst.“ Verena schämte sich