Michaela Hössinger

Seelenecho


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Bürste und natürlich zierte sich der Rüde wieder einmal.

      Anschließend griff sie in den Kleiderschrank, in dem sie einfach vor zwei Wochen die Tasche mitsamt den Kleidern hinein befördert hatte und zog eine leicht Bluse heraus, die hervorragend mit ihrer Cordhose harmonierte. Mit einem erneuten Blick auf die Uhr eilte sie zur Tür als ihr Blick auf den Spiegel fiel, der im Flur hing. „O Gott, meine Haare!“, stöhnte sie und hätte sich beinahe mit der Hundebürste gekämmt. Schließlich atmete sie tief durch und zwang sich zur Ruhe. Aus dem Spiegel sah ihr eine ordentlich gekleidete Frau entgegen, nicht bieder aber auch nicht zu modern mit einem Hauch von Weltoffenheit. Verena musste über ihre eigene Musterung lächeln. Seit wann gab sie viel auf ihr Äußeres. Nun ja, sie sah auch gerne hübsch aus und sicherlich brauchte sie sich nicht zu verstecken und nobody is perfect. Doch vor allem wollte und musste sie kompetent erscheinen.

      Die Menschen, wie zum Beispiel auch die Gräfin von Stegersbach legten keinen Wert darauf öffentlich in welcher Form auch immer mit Geistererscheinungen in Verbindung gebracht zu ­werden.

      Dreivierteldrei! „Kaspar, jetzt müssen wir aber aufs Gas treten, Ich hoffe, wir fallen diesbezüglich nicht auf.“ Schwungvoll ließ Verena die Tür ins Schloss fallen und fragte sich, warum noch niemand Türschlösser erfunden hatte, die wie bei einem Auto mit einem Sender funktionierten. Genauso schwungvoll warf sie ihre Tasche mit dem Diktiergerät und ihrem Schreibzeug auf den Boden beim Fahrersitz und Kaspar sprang manierlich auf den Sitz und sah aus dem Fenster.

      „Na, dann los. Hoffen wir, dass die Gräfin es als Etikette ansieht nicht ganz so pünktlich zu sein.“ Und zehn Minuten vor Drei fuhr der Pick up rasant auf die Hauptstraße Richtung Stegersbach.

      Kapitel 4

      Die Regeln der Höflichkeit mussten schon ziemlich dehnbar sein, wenn Verena ihre Verspätung von mehr als einer halben Stunde als akzeptabel gelten ließ. Nicht nur dass sie zu spät dran war, nein, sie hatte sich zweimal verfahren. So kam es, dass ihr Pick up erst knapp um drei viertel vier in den Hof des Schlosses Stegersbach einfuhr.

      Inzwischen hatte sich auch ihr Haar wieder strähnchenweise aus ihrem lockeren Zopf gelöst und Verena gab es auf, daran noch etwas zu ändern. „Kaspar, bitte benimm dich. Ich hoffe, wir werden überhaupt noch rein gelassen.“

      Sie hatte gerade den Finger von der Glocke genommen, als auch schon die Tür aufging. Eine kleine Frau in den Fünfzigern in einer Schürze und erdigen Fingern stand im Eingang. Sie hatte dunkelbraunes Haar, das nicht weniger unordentlich aussah als ihre eigenen. In ihren Augen lag das Lachen wie auch auf ihren Lippen und Verena hoffte, wenn die Gräfin solch gut gelauntes Personal hatte, dass ihre Position doch nicht ganz so hoffnungslos war.

      „Guten Tag, ich bin Verena Ritter. Ich habe einen Termin mit der Gräfin, leider habe ich mich zweimal verfahren, doch ich hoffe, die Dame des Hauses ist dennoch bereit, mir etwas von ihrer Zeit einzuräumen.“ Ach herrje, es erstaunte sie immer wieder selbst, wie leicht sie zwischen der echten Verena und der förmlichen wechseln konnte.

      „Ach mein Gott, ist vielleicht heute schon der sechzehnte?“ Der Ausruf der Frau brachte Verena etwas aus dem Konzept.

      „Wie bitte?“

      „Entschuldigen sie meine Liebe. Meine Tochter hält mir jedes Mal vor, dass ich mir nichts daraus mache, welchen Kalendertag wir haben. Willkommen auf Schloss Stegersbach Frau …?.“

      ­„Ritter, ­Verena Ritter.“ Verena brauchte mindestens zehn Sekunden um zu rekapitulieren das die Frau im Türrahmen, die nun die Erde auch auf ihren Händen verteilte, die Gräfin selbst war. Die Situation war so überraschend für Verena, dass ihre Gefühle sich auf ihren Gesicht zeigten.

      „Falls sie eine Dame mit lackierten Nägeln, zwei Schoßhündchen und einer Kompanie Dienern erwartet haben, muss ich sie enttäuschen“, lachte die Gräfin. „Ach herrje, jetzt habe ich sie ganz schmutzig gemacht. Kommen sie herein.“ Nun, jedenfalls schien die Gräfin keineswegs verschlossen zu sein.

      „Hatty, zeigen sie doch Frau Ritter das Bad. Stellen sie sich vor, ich dachte, heute wäre der fünfzehnte.“

      „Nein, Gräfin, heute ist der sechzehnte und Frau Ritter ist fast eine Stunde zu spät“, erwähnte die Haushälterin brummig.

      Verena zeigte der Haushälterin lächelnd ihre Zähne. Was war schon eine Stunde gegen einen ganzen Tag.

      Verena hatte sich schon lange nicht mehr so wohl in der Gesellschaft einer Gräfin gefühlt. Sie war vollkommen unkompliziert, freundlich und ausgesprochen guter Laune. Und vor allem hatte sie keine Probleme aus dem Nähkästchen des Schlosses zu plaudern.

      „Und sie hatten schon mehrmals Begegnungen mit geisterhaften Erscheinungen auf Schloss Stegersbach?“ Verena macht sich nebenbei eifrig Notizen, obwohl auch das Aufnahmegerät das Interview aufzeichnete.

      „So kann man das nicht sagen. Ich habe noch nie einen Geist gesehen, ich glaube, dafür fehlt mir die richtige Polung. Doch ich habe schon oft einen gehört. Mit der Zeit gewöhnt man sich sogar daran und es fallen dann einen nur mehr die wirklich außergewöhnlichen Geräusche auf. Manches Mal fühle ich auch die Anwesenheit einer Person, obwohl ich alleine bin.“

      „Und was sind das für Geräusche?“, fragte Verena interessiert.

      „Ein Schuss, zum Beispiel. Den bereits sogar mehrmals und immer um die gleiche Zeit“, nahm die Gräfin den Faden wieder auf.

      „Ein Schuss?“, hakte Verena nach.

      „Ja, im letzten Jahrhundert lebte hier die Familie Stegersbach bereits in dritter Generation. Der älteste Sohn Ottokar war in die schöne, junge Helena verliebt, die jedoch nicht dem gesellschaftlichen Stand der Familie entsprach. Angeblich soll der Vater darauf bestanden haben, sich von ihr zu trennen. Die beiden Liebenden hatten keine Aussicht je mit dem Segen der Familie heiraten zu können. Die ganze Situation hat sich immer mehr zugespitzt und die beiden sind verzweifelt gewesen. Nach einer letzten gemeinsamen Nacht haben sie sich erschossen – im blauen Zimmer. Ja und diese zwei Schüsse kann man hin und wieder hören.“

      „Eine unglückliche Liebe, wahrlich nicht selten in den Herrschaftshäusern“, merkte Verena an. „Darf ich das Zimmer nachher sehen?“

      „Natürlich meine Liebe, gerne zeige ich ihnen alles sehenswerte hier, sozusagen eine all inklusive Führung.“ Die Gräfin tätschelte ihr mütterlich die Hand.

      „Das wäre toll. Was haben sie sonst noch ungewöhnliches bemerkt?“ Verena war in ihrem Eifer nicht mehr zu bremsen.

      „Nun, da gibt es die Standardgeräusche wie Türen schlagen, klopfen und sonstiger Krach. Aber einmal hatte ich auch ein Erlebnis, dass mich zumindest erschreckt hat.“ Die fröhliche Miene wechselte zu einer ernsteren und Verena wurde hellhörig.

      „Ja? Was war das?“

      „Wie gesagt, einmal habe ich es gehört. Ich schreckte mitten in der Nacht von einem gewaltigen Lärm auf. Männer brüllten laut, Pferde trampelten, Schwerter klirrten. Es hämmerte laut am Tor, verlangten Einlass. Sogar meine beiden Hunde haben sich gefürchtet, verkrochen sich jaulend unter meinem Bett. Der Radau dauerte etwa zwei Minuten an und dann zogen sie weiter.“ Die Gräfin nippte an ihren Tee.

      „Sie zogen weiter?“, fragte Verena verwundert.

      „Ja, Es wurde wieder still und alles war wie immer. Ich habe keine Angst in meinem Haus, doch wenn diese Horde vorbei zieht, ziehe ich es vor nicht außerhalb dieser Mauern zu sein. Hier bin ich sicher.“

      Verena wusste ziemlich genau wann ihr jemand eine Geschichte auftischte und wann sie wahr war. Nachdenklich ließ sie ihren Bleistift kreisen. „Es sind die Schweden, die vor etwa sechshundert Jahren durch unser Land gezogen sind.“ Die Gräfin erwähnte diese Begebenheit als hätte Verena danach gefragt.

      „Was macht sie da so sicher?“

      „Auch wenn es selten unter Schloss- und Burgbesitzern der Fall ist, zuzugeben, dass es Dinge gibt, die man mit