Michaela Hössinger

Seelenecho


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fixierte er noch Martha, seine Frau, die hob jedoch nur unschlüssig die Schultern. Sie wusste einfach nicht, woran sie glauben sollte. Sie glaubte Verena, doch ihr Mann war in diesen Belang unnachgiebig. Verena schien sich zumindest nicht vor Erscheinungen zu fürchten, sie fand es „normal“. Sie wusste, dass ihre Schwiegermutter nie einen Hehl daraus gemacht hatte, mit der Geisterwelt in „Verbindung“ zu stehen. Doch Martha hielt es nicht für ratsam sich zwischen die Fronten zu stellen, denn eines hatten ihre Schwiegermutter und ihr Mann gemeinsam – einen unglaublich sturen Kopf.

      Kapitel 1

      Leichte Nebelschwaden stiegen dunstartig aus dem feuchten Boden hoch und schienen anzukündigen, worauf Verena schon seit Stunden wartete. Fröstelnd zog sie sich ihre Jacke enger um den Körper als sie der auffrischende Wind anhauchte. Gespannt und abwartend wechselte ihr Blick von der Nadel ihres hochempfindsamen elektronischen Messgerätes zu dem Dunkel zwischen den Bäumen.

      Es war bereits empfindsam kalt für eine Septembernacht und ihre Knie waren schon ganz steif von der ungewohnten Haltung. Doch Hartnäckigkeit war eine ihrer Spezialeigenschaften.

      Mitternacht war bereits lange vorbei und obwohl die meisten Leute ihre Arbeit belächelten und sich hinter ihren Rücken ihre Späße machten, war Verena zuversichtlich, dass die meisten von ihnen nicht den Schneid hatten, alleine an den Orten zu nachtsschlafender Zeit zu verharren, wie sie es tat.

      Inzwischen störte sie der Beiname Geisterjäger nicht mehr sonderlich, obwohl er ihre Arbeit total fälschlich darstellte. Sie erforschte das Phänomen der Geistererscheinungen, dokumentierte, sammelte Fakten, Berichte, suchte nach Augenzeugen und letztendlich suchte sie die Begegnung mit der Erscheinung selbst. Von je her waren diese Begegnungen ein Teil ihres Lebens gewesen.

      Allgemein konnten die Leute ihre Begeisterung nicht teilen. Denn meisten bescherte das Thema wohl eher schlaflose Nächte, Verena akzeptierte es, doch ihr selbst erging es meistens nicht so. Die Leute wollten nur an Dinge glauben, die sie sehen konnten, da sie nicht sehen konnten, konnten sie auch nicht glauben. Zumindest in der offiziellen Version.

      Verena zog tief die klare Luft ein um ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und beobachtete erneut die Umgebung.

      In kaum merklichen Wellen begann sich die Nadel ihres Gerätes zu bewegen und zeichneten die Schwingungen auf das Papier. Der Energiefluss war aber nur schwach und nahm auch nicht merklich zu. Es war wie in den vorangegangen zwei Nächten und aufmerksam beobachtete Verena die Lichtung mit der Kapelle, die ruhig und dunkel da lag. Sie konnte auch mit erhöhter Aufmerksamkeit keine Veränderung bemerken und nun entschloss sie ihre Taktik zu ändern, sie wollte nicht noch eine Nacht ereignislos verstreichen lassen.

      Spontan packte Verena ihren Rucksack und bewegte sich vorsichtig auf die Bäume zu und die Nadel ihres Messgerätes begann stärker auszuschlagen. Verenas Herzschlag beschleunigte sich als die Energien fühlbar zunahmen, doch auch ihre geschulten Sinne konnten nichts Ungewöhnliches wahrnehmen.

      Langsam formierte sich in ihren Hinterkopf, dass irgendetwas hier gar nicht zusammen passte. Die Schwingungen wurden immer stärker, schienen aus verschiedenen Quellen zu kommen und ohne Vorwarnung überrollte Verena eine Welle der Angst und ­Beklemmtheit. Die Nadel sprang bereits unkontrolliert über das Papier als stünde sie mitten in einem Epizentrum eines Erdbebens.

      Sie fühlte ihren Puls durch den Körper rasen und das Blut rauschte in ihren Ohren. Die Energie war fast greifbar, alarmiert stellten sich ihre Härchen auf und mit untrüglicher Gewissheit fühlte Verena, dass sie nicht mehr alleine war. Langsam und vorsichtig begann sie sich zu drehen und sah keine fünf Meter von ihr entfernt eine Frau stehen, ihre Haare hingen nass herunter, ebenso wie ihre Kleidung. Ihre Augen starrten regungslos gerade aus, sahen durch sie hindurch. Mehr aus den Augenwinkeln nahm sie weitere Bewegungen wahr, die blitzartig auftauchten, aber nicht beständig blieben und als ein schriller Schrei ertönte, fuhr Verena ruckartig herum. Die Luft vibrierte und das Wort Gefahr hallte in ihren Ohren und übertönte selbst das laute Pochen ihres Blutes.

      Verena stand alleine zwischen den Bäumen, die Gestalt der Frau war verschwunden als hätte sie soeben nur davon geträumt. Nur die Rolle Papier, die von ihrem Gerät herabhing, war der einzige Beweis dafür.

      Der Energiefluss ebbte merklich ab und die Nadel kam wieder zu Ruhe, nur der Rest von Energie hielt sie weiterhin in einem ­ruhigen Rhythmus. Verena atmete tief durch und die negative Emotionswelle verflüchtigte sich.

      Sie strich sich noch leicht zitternd die Haare aus dem Gesicht, die Nacht war noch nicht zu Ende. Mit neuer Entschlossenheit trat sie zwischen die Bäume und folgte einfach ihren Instinkt. Dieser Ort war mit Schwingungen überhäuft und sie waren überwiegend negativ, hier musst etwas Furchtbares passiert sein.

      Allmählich begann ihre Nadel wieder an Leben zu gewinnen und auch das Gefühl der Beklemmung nahm wieder zu. Mit einem Mal war sich Verena nicht mehr allzu sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, völlig unvorbereitet weiter zu gehen. Erneut begann die Nadel auf ihren Gerät verrückt zu spielen und die Schwingungen stürmten massiv auf ihren Körper ein. Die Luft wurde ihr eng, so als ob jemand gegen ihre Kehle drückte und schwer zog sie die kühle Nachtluft in ihre Lungen.

      Unkontrollierbare Panik überrollte sie und ohne weiter darüber nach zu denken, ließ sie ihr Gerät fallen und machte kehrt. Sie lief, sie lief um ihr Leben, fühlte wie ihr jemand folgte. Die Äste peitschten ihr ins Gesicht und keuchend versuchte sie den Waldrand zu erreichen. Erneut tauchte vor ihren Augen die Frau auf und unfähig klar zu denken schlug sie einen Hacken und setzte mit einem Satz zwischen den Bäumen hervor.

      Schwer atmend blieb sie stehen, die Panik, die Beklemmung war mit einem Schlag verschwunden. Und auch sonst war nichts mehr Ungewöhnliches zu sehen oder zu fühlen, nur ihr rasendes Herz, das dröhnend in ihren Ohren schlug.

      Keuchend strich sie sich die Haare aus dem Gesicht. Hier war etwas Schreckliches passiert und diese Geschehnisse waren noch nicht alt. Sie hatte die weiße Frau sehen wollen, die hier seit Jahrhunderten immer wieder auftauchte, aber auf das war sie nicht vorbereitet gewesen. Obwohl sie eigentlich nicht überrascht sein sollte. Sie hatte von Anfang an den Eindruck gehabt, dass die Leute, mit denen sie gesprochen hatte, ihr etwas verschwiegen.

      Verena blickte zurück zwischen die Bäume, alles schien wieder ruhig, doch für den Moment hatte sogar sie genug. Es war vernünftiger, am Tag hierher zurück zu kehren.

      Kapitel 2

      Drei Stunden später reckte sich Verena müde, sie brauchte dringend einen Kaffee. Die zwei Stunden Schlaf hatten nicht wirklich zur Erholung beigetragen. Die Sonne schickte ihre Strahlen durch das Fenster und seufzend schlug sie die Decke zurück. Noch immer trug sie die Sachen der letzten Nacht und die Gedanken an ihr Erlebnis ließ sie noch leicht schaudern.

      Seit ihrer Kindheit war sie ständig mit der Anderswelt in ­Verbindung gewesen. Doch das zurückliegende Erlebnis war vollkommen neu.

      Entschlossen schüttelte sie ihre Gedanken ab und ver­suchte den Rest mit einer Dusche abzuspülen. Sie fühlte sich auch gleich erheblich besser und mit noch feuchten Haaren schlug sie die Tür hinter sich zu und pfiff nach Kaspar, ihrem Labradorrüden.

      Überschwänglich umtanzte er seine Herrin und lief bellend vor ihr her. Es war gerade einmal sechs Uhr vorbei und nur wenig Leben war in diesen kleinen Ort in der Nähe der Stadt um diese Zeit zu bemerken.

      Verena genoss die Stille, die Ruhe. Es war einer der Zeitpunkte am Tag, an dem die Welt noch im Gleichgewicht schien.

      Emilias Café rückte langsam in ihr Blickfeld und auch Kaspar zog schnüffelnd in seine Richtung. Der Duft von frischem Brot und Kaffee schlug ihr entgegen, als sie die Tür öffnete und genussvoll zog Verena das Aroma in sich auf. Das Lokal gehörte Emilia, die auch täglich die köstlichsten Mehlspeisen aus dem Hut zauberte. Sie strahlte eine Mischung aus Mutter und guter Freundin aus und genauso fühlte sich Verena in ihrem Café, immer willkommen, so wie es zu Hause sein sollte.

      Doch an diesem Tag saß bereits