Jörg Müller

Meier im Quadrat


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in Deutschland ein sehr erfolgreiches Unternehmen gibt, das genau diesen Firmennamen trägt. Ist es möglich, dass es sich um das gleiche Unternehmen handelt?“

      Adele musste zugeben, dass der Engländer geschickt reagiert hatte. Jetzt waren sie und Klara am Zug.

      Sie war jetzt im Nachhinein froh, dass sie erst vor kurzem mit ihrem Bruder telefoniert und ihn danach gefragt hatte, was er genau macht.

      „Mein Bruder ist im Bereich des Maschinenbaus tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Beratung anderer Maschinenbauunternehmen, und hier besonders in der Optimierung der Prozessabläufe. Er arbeitet auch für Firmen außerhalb Deutschlands, zum Beispiel in England und Finnland.“

      Der Schwede und der Engländer wechselten einen kurzen Blick. Dann ergriff der Engländer wieder das Wort.

      „Obwohl ich als Realist nicht an Zufälle glaube, so muss ich heute wohl eine Ausnahme machen. Mein Freund und ich haben in den letzten Tagen tatsächlich über die Firma Ihres Bruders gesprochen. Wir würden die Leistung der Maschbau GmbH gerne in Anspruch nehmen, wissen aber nicht, wie wir vorgehen sollen. Vielleicht können Sie uns behilflich sein?“

      Adele konnte. Als die Herren am Wochenende das Schiff verließen, hatte sie ihnen einen Termin bei ihrem Bruder besorgt. Harry war hocherfreut, dass sich sowohl seine Tochter als auch seine Schwester für die Belange seiner Firma interessierten. Er hatte sich in der letzten Zeit wiederholt darüber Gedanken gemacht, wie die Zukunft der Maschbau GmbH aussehen könnte. Er war jetzt fast 62 und wollte nicht ewig die Verantwortung für das Unternehmen übernehmen. Und bei aller Wertschätzung für die beiden Meier, sie waren auch schon Mitte fünfzig und Fremde und kamen deshalb aus seiner Sicht für seine Nachfolge nicht in Frage. Vielleicht würde Klara ja doch noch die Kurve kriegen, zu ihm zurückkommen und in die Firma eintreten. Dann würde sich sein größter Wunsch erfüllen.

      Drei Wochen später saßen der Engländer und der Schwede in Harry Menzels Büro. Harrys Englisch reichte gerade für den anfänglichen Smalltalk. Da Hans Meier in Finnland unterwegs war, bat er Heinz Meier hinzu, den er als den kaufmännischen Leiter des Unternehmens vorstellte. Dann bat er seine beiden Gäste, sich selbst vorzustellen. Der Engländer kam Harry Menzels Wunsch umgehend nach und dann gleich zur Sache.

      „Wir möchten Ihr Unternehmen für die Länder England, Schweden und Finnland als Dienstleister für den Bereich Prozessoptimierung der Betriebsabläufe unserer Unternehmen verpflichten. Wir haben neue Produkte entwickelt, die wir aber zurzeit nicht wirtschaftlich vermarkten können. Haben Sie Interesse und kurzfristig Kapazitäten frei?“

      Harry Menzel blickte rüber zu Heinz Meier, der die Beantwortung der Fragen übernahm.

      „Unsere aktuellen Projekte in England und Finnland stehen kurz vor dem Abschluss. Wir sind zwar gut ausgelastet, aber für ein gutes Geschäft sind immer Kapazitäten vorhanden.“

      Der Schwede zog eine kleine Mappe aus der Tasche und legte sie für alle einsehbar auf den Tisch.

      „Ich habe hier einige Projekte aufgelistet, bei denen wir aktuell Beratungsbedarf sehen. Darunter steht der Betrag, den wir bereit sind, für Ihre Leistung zu zahlen.“

      Harry Menzel blätterte die Mappe kurz durch und reichte sie dann an Heinz Meier weiter.

      „Meine Herren, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir drei gehen etwas essen und Herr Meier wird in der Zwischenzeit Ihre Unterlagen einer ersten Prüfung unterziehen.“

      Kurz darauf saß Heinz in seinem Büro und prüfte die ihm vorliegenden Unterlagen so gut, wie es die kurze Zeit zuließ. Über seine Quellen holte er Auskünfte sowohl über die beiden Personen als auch über die genannten Unternehmen ein. Die Bonität der beiden Herren war gut, bei den aufgeführten Unternehmen gab es Unterschiede. Die angebotenen Konditionen waren sehr gut.

      Nach dem Essen kamen die vier wieder zusammen. Heinz teilte kurz das Ergebnis seiner Analyse und die Auskunft seiner Quellen mit. Die beiden Gäste waren überrascht. Das hatten sie nicht erwartet.

      „Meine Herren, die von Ihnen angefragten Leistungen können wir erbringen und das vorgelegte Angebot ist fair. Herr Menzel, ich schlage vor, dass wir das Thema am Wochenende noch einmal abschließend mit Hans Meier besprechen, denn er muss die Hauptarbeit leisten. Wir könnten uns dann zu Wochenbeginn bei den Herren zwecks Klärung noch offener Punkte melden.“

      Die Herren verabschiedeten sich. Kurz darauf meldete sich Klara über Satellitentelefon bei ihrem Vater.

      „Wie war euer Gespräch, Papa?“

      „Heinz Meier und ich haben einen guten Eindruck. Wir wollen am Wochenende noch abschließend mit Hans Meier, unserem technischen Leiter, sprechen und dann Montag mit den beiden Geschäftsleuten telefonieren.“

      „Papa, ich möchte, dass du den Auftrag auf jeden Fall übernimmst. Ich bin so stolz, dass ich dann auch mal einen Beitrag zu dem Erfolg unserer Firma geleistet habe.“

      Harry Menzel wurde es ganz warm ums Herz, und er versprach seiner Tochter, auch gegen eventuelle Bedenken seitens Hans Meier den Auftrag anzunehmen.

      Am Samstagvormittag saßen die beiden Meier mit ihrem Chef in seinem Büro zusammen. Heinz hatte Hans schon grob in Kenntnis gesetzt. Daraufhin hatte Hans über seine Kanäle Informationen über den Engländer und den Schweden eingeholt.

      Heinz Meier erläuterte das vorliegende Angebot des Engländers und des Schweden, und dann bat Harry Menzel Hans Meier um seine Meinung. Hans war dank Heinz gut vorbereitet.

      „Herr Menzel, meine Recherchen haben ergeben, dass die Unternehmen, die wir beraten sollen, in direkter Konkurrenz zu den Unternehmen stehen, die wir schon seit vielen Jahren erfolgreich betreuen. Besonders möchte ich hier die Unternehmensgruppe meines Freundes Mikael Nielsson aus Finnland nennen, der wohl mit unserer Hilfe hauptsächlich das Wasser auf verschiedenen Gebieten abgegraben werden soll. Für die Abwicklung dieser Aufträge stehe ich nicht zur Verfügung.“

      Harry Menzel blickte Hans Meier erstaunt an. Heinz lehnte sich besorgt auf seinem Stuhl zurück. Er kannte seinen alten Spezi Hans wie kein zweiter.

      „Ist das Ihr letztes Wort, Herr Meier?“

      „Selbstverständlich. Bis heute bin ich davon ausgegangen, dass Verlässlichkeit und Loyalität die zwei Hauptpfeiler unserer Unternehmensphilosophie sind.“

      „Herr Meier, meine Tochter hat zum ersten Mal in ihrem Leben Interesse für meine Firma gezeigt und den Kontakt zu den beiden Herren hergestellt. Ich habe ihr bereits versprochen, dass wir diesen Auftrag annehmen und, wie man es von der Maschbau GmbH gewohnt ist, auch perfekt abwickeln werden. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie am Montag gemeinsam mit ihrem Namensvetter Kontakt zu dem Engländer und dem Schweden aufnehmen und die weiteren Details besprechen.“

      So emotional und wütend hatten die beiden Meier ihren Chef noch nicht erlebt. Aber Hans Meier war in den letzten Jahren sowohl als Mensch als auch als Geschäftsmann gereift.

      „Herr Menzel, ich habe meine Prinzipien und damit sind die Maschbau GmbH und auch Sie persönlich in den letzten Jahren finanziell sehr gut gefahren. Ich habe nie auf „eigene Kappe“ gearbeitet, obwohl mir dies von verschiedenen Seiten angeboten worden ist. Auf den Punkt gebracht: ich habe mich Ihnen gegenüber immer absolut loyal verhalten. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie Ihrer Tochter den Gefallen tun wollen, aber ich kann nicht für die Konkurrenz der Firmen arbeiten, die über viele Jahre unsere Stammkunden sind und von mir betreut werden, die mir vertrauen. Deshalb werde ich am Montag meine Arbeit ordnungsgemäß an meine Kolleginnen und Kollegen übergeben, meinen Schreibtisch räumen und das Unternehmen, das bis gerade seit über dreißig Jahren mein Lebensinhalt war, für immer verlassen.“

      „Ist das Ihr letztes Wort?“

      „Ja, das ist es.“

      Hans Meier erhob sich von seinem Platz, nickte Heinz kurz zu und verließ den Raum. Als er das Firmengelände verlassen hatte, hielt er kurz inne. Ihm wurde auf einmal bewusst, dass er im Alter von 55 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben arbeitslos war, und das aus eigenem