Jörg Müller

Meier im Quadrat


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      „Stört es Sie, wenn Jason und ich rauchen?“

      „Nein, ganz im Gegenteil. Ich mag den Rauch einer guten Zigarre. Ich rauche also indirekt gerne mit.“

      Der Araber gab sich mit der Antwort des Deutschen zufrieden. Er bat die beiden, sich gemeinsam mit ihm an den kleinen Tisch zu setzen.

      „Herr Meier, auch wenn Sie es als unhöflich empfinden, ich werde ihnen keine Auskünfte über meine Person geben. Allerdings möchte ich so viel wie möglich über Sie erfahren. Ist das für Sie in Ordnung?“

      Hans nickte zustimmend.

      „Jason hat Sie empfohlen. Das spricht für Sie, vor allen Dingen auch deshalb, weil ich weiß, dass er nicht gerade als Freund der Deutschen gilt. Ich möchte Sie nicht weiter auf die Folter spannen und Ihnen den Grund meiner Einladung erläutern.

      In meiner Heimat verdienen wir mit der Förderung und dem Verkauf von Erdöl viel Geld. Aber unser Ölreichtum ist nicht unendlich. Wir verfolgen deshalb langfristig zwei Ziele, die in einem engen Zusammenhang stehen:

      1. Den Aufbau von neuen Wirtschaftszweigen in unserer Region, die uns mittel- und langfristig wirtschaftlich unabhängig von unseren Ölvorkommen machen.

      2. Den Aufbau einer funktionsfähigen Infrastruktur, die allen aus dem Punkt 1. resultierenden zukünftigen Anforderungen gerecht wird.

      Für die Realisierung beider Ziele benötigen wir die Unterstützung Dritter. Meine Aufgabe besteht darin, den englischen und europäischen Markt auf passende Geschäftspartner zu untersuchen. Der Rahmen ist für alle zukünftigen geschäftlichen Partnerschaften gleich: Wir gründen für neue Geschäftsfelder, die zu unserem Gesamtkonzept passen, gemeinsame Unternehmen mit potenziellen Partnern. Wir akquirieren die Aufträge und garantieren eine pünktliche Bezahlung unserer Leistungen, und unsere Partner bringen das Know-how ein. Die Geschäftsanteile sind immer gleich. Wir halten 51% und unser Partner 49%. Können Sie mir so weit folgen?“

      Hans nickte. Aber er konnte immer noch nicht erkennen, was er damit zu tun hatte. Dies schien der Araber zu spüren.

      „Es ist für uns sehr schwierig, im Vorfeld die Leistungsfähigkeit, die Qualität der Fertigungsprozesse und die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer potenziellen Geschäftspartner zu beurteilen. Wir sind daher auf die professionelle Unterstützung Dritter angewiesen. Ich habe für den englischen Markt Jason ins Vertrauen gezogen. Es ist natürlich in seinem Interesse, dass möglichst viele englische Firmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von unseren Ölmilliarden profitieren. Aber Jason weiß auch, dass die meisten englischen Firmen zum Beispiel den deutschen Firmen hinterherhinken, was die Qualität und die Effektivität angeht. Er hat mir davon erzählt, wie er Sie kennengelernt hat, und dass Sie in der Lage sind, ein Unternehmen bezüglich der Qualität der Prozessabläufe zu analysieren und eventuell erforderliche Optimierungen der Prozessabläufe zu begleiten. Kommen wir nun zum eigentlichen Grund, warum ich Sie näher kennenlernen will. Ich habe hier eine Liste vor mir liegen, auf der zehn englische Firmen aus dem Bereich des Maschinenbaus stehen, die laut Jason für eine eventuelle Partnerschaft mit arabischen Firmen in Frage kommen. Sind Sie bereit, in meinem Namen diese Unternehmen zu analysieren, ob sie unseren Ansprüchen genügen? Für den Fall, dass Sie meiner Bitte nachkommen, woran ich keinen Zweifel habe, werden wir uns über Ihre Entlohnung schnell einig. Als Anzahlung erhalten Sie 100.000 £ von mir. Selbstverständlich übernehme ich auch alle Spesen.“

      Hans musste erst einmal tief durchatmen. Einen Augenblick kam er sich vor wie in einem amerikanischen Thriller. Er blickte hinüber zu Jason, der ihn erwartungsvoll ansah.

      „Mister Unbekannt, die von Ihnen gerade geschilderte Aufgabe ist sehr reizvoll, und ich möchte mich ausdrücklich für das Vertrauen bedanken, das Sie mir entgegenbringen. Ich arbeite für eine deutsche Firma als leitender Angestellter. Dies bedeutet, dass ich mich mit meinem Kollegen Heinz Meier abstimmen möchte, ob wir genügend freie Kapazitäten haben, um Ihren Auftrag kurzfristig ausführen zu können. Wenn dies der Fall ist, werde ich gemeinsam mit meinem Kollegen ein Angebot ausarbeiten und Ihnen zur Prüfung vorlegen. Wie hoch das Angebot sein wird, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.“

      Der Caballero sah ihn verblüfft an. Ihm war bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, dass Hans nicht selbstständig war. Vorwurfsvoll blickte er Jason an.

      „Herr Meier, ich befinde mich in einer unangenehmen Situation. Jason hat mir nicht gesagt, dass Sie abhängig beschäftigt sind. Aber Ihre Antwort auf mein Angebot bestärkt mich darin, dass Sie der Mann sind, den ich suche. Meine Geschäfte stehen alle auf zwei Säulen: Diskretion und Loyalität.

      Sie stehen loyal zu Ihrem Chef, also kann ich auch erwarten, dass Sie sich mir gegenüber im Fall einer Zusammenarbeit genauso verhalten. Ich möchte daher meine Bitte an Sie neu formulieren: Verschaffen Sie sich ein Bild von dem augenblicklichen Zustand der Firmen auf meiner Liste. Jason wird Sie dabei unterstützen. Dann erwarte ich von dem Unternehmen, für das Sie tätig sind, ein Angebot. Ich bin mir sicher, dass ich zufrieden sein werde.“

      Der Caballero stand auf, um seine Gäste zu verabschieden. Hans sah dem Gastgeber lange in die Augen. Dann sagte er nur: „Auf Wiedersehen“, drehte sich um, und verließ gemeinsam mit Jason und dem Butler den Raum. Der Caballero griff zum Telefonhörer und wählte die Nummer seines Privatsekretärs:

      „Ich habe gerade die Bekanntschaft eines deutschen Ingenieurs gemacht. Ich bin mir sicher, dass er eine entscheidende Rolle bei der Realisierung unserer Pläne spielen wird. Besonders imponiert hat mir die absolute Loyalität zu seinem Chef. Eröffnen Sie bei meiner Bank ein Konto und überweisen darauf 100.000 £. Falls ich mit der Firma, für die der Deutsche arbeitet, einig werde, kann er über dieses Konto jederzeit verfügen, wenn er einmal in Not geraten sollte. Er weiß nichts davon und ich möchte, dass dies bis auf Weiteres auch so bleibt.“

      In der darauffolgenden Woche flog Hans wieder nach England, um mit Jason die zehn Firmen zu besuchen. Diesmal begleitete ihn Heinz Meier. Zwei Wochen später übergaben die beiden Meier dem Privatsekretär des Caballeros das Angebot. Nicht einmal 24 Stunden später erhielt die Maschbau GmbH den lukrativsten Aufrag ihrer Firmengeschichte und für Hans Meier lagen auf einem Bankkonto 100.000 £ als „Notgroschen“ bereit.

      . . . . . . .

      Anfang Dezember besuchte Hans im Anschluss an einen Arbeitsbesuch in Finnland für zwei Tage Mikaels Familie in Lappland. Die kleinen Ortschaften ringsherum waren verschneit und vorweihnachtlich geschmückt. Hans erwartete, dass jeden Augenblick der Weihnachtsmann mit seinem Rentierschlitten um die Ecke kommen würde. Das Thermometer zeigte -30° C an. Mikael hatte für Hans die den Wetterverhältnissen angepasste Kleidung in seiner Größe besorgt, und da es absolut windstill und die Luft klar und trocken war, kam er gut mit den für ihn ungewohnten Temperaturverhältnissen zurecht. Auch das für ihn neue Phänomen, dass es nur zwischen 10.00 Uhr und 14.00 Uhr leicht dämmerte und die Dunkelheit den Rest des Tages fest in ihren Klauen hielt, empfand er nicht als bedrückend. Er fühlte sich im Gegenteil auf eine angenehme Art und Weise entspannt und vermisste die Sonne nicht. Ella ließ es sich nicht nehmen, Hans bei mehreren Ausfahrten mit dem Hundeschlitten das winterliche Lappland zu zeigen. Die beiden Tage vergingen wie im Flug und Hans machte sich wieder auf den Weg zurück nach Deutschland, denn seiner Frau bedeutete es sehr viel, die Adventszeit gemeinsam mit Lothar jun., ihren kleinen Lieblingen und natürlich auch mit ihm in ihrem vorweihnachtlich geschmückten Haus zu feiern. Außerdem hatte Harry Menzel um einen Termin gebeten. Er wollte mit den beiden Meier über die ihm von Heinz Meier vorgelegten Planzahlen für das nächste Jahr sprechen. Mikael begleitete Hans mit der Linienmaschine bis nach Helsinki, denn die Privatmaschine seiner Familie war zurzeit nicht verfügbar.

      Der Flug nach Düsseldorf hatte Verspätung und so setzten sich Hans und Mikael noch in einer Bar an die Theke, um das ebenso teure wie schmackhafte finnische Bier zu genießen. Direkt neben Hans saß ein älterer Mann, dessen Kleidung auch schon bessere Tage gesehen hatte. Er machte einen ungepflegten Eindruck, starrte in sein leeres Bierglas und schien das Treiben auf dem Flughafen nicht wahrzunehmen. Hans tat der Mann Leid und er sprach ihn auf Englisch an, ob er mit ihm und Mikael ein Bier trinken würde. Der Mann