Jörg Müller

Meier im Quadrat


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unser kleines Paradies.“

      Die beiden streiften stundenlang durch die Wälder, vorbei an vielen Seen mit glasklarem Wasser. Ella wollte alles über Hans erfahren. Sie gab offen zu, dass sie und ihre Schwester neugierig waren, ihn näher kennenzulernen, denn Mikael war normalerweise nicht der Typ, der mit einem Fremden sofort Freundschaft schloss.

      Nach drei Tagen flog Hans gemeinsam mit Mikael nach Helsinki. Der Finne wollte ihm noch ein Sägewerk zeigen, das seiner Familie gehörte. Schon im Flugzeug wurde Hans bewusst, dass Lappland ihn nicht mehr loslassen würde. Als er Mikael seine Empfindungen mitteilte, legte ihm der Finne vorsichtig seine riesige Hand auf die Schulter:

      „Mein Freund Hans, als ich dich zum ersten Mal sah, wusste ich sofort, dass du dich bei uns wohl fühlen würdest. Du bist meiner Familie jederzeit willkommen.“

      Mikael zeigte Hans stolz das Sägewerk. Am Abend saßen die beiden gemeinsam mit dem Werksleiter Anton beim Abendessen zusammen.

      „Na, welchen Eindruck hast du als Profi von unserem Werk? Anton und ich legen großen Wert auf deine Meinung.“

      Hans besorgte sich Papier und Bleistift. Und dann vergaß er alles um sich herum. Er skizzierte, erläuterte, lobte und entwickelte Alternativen. Die beiden Finnen sahen ihm fasziniert zu. Eine Stunde später hielt Hans inne. Er sah von seinen Entwürfen auf und blickte Mikael und Anton verlegen an.

      „Tut mir leid, ich habe jedes Zeitgefühl verloren und sehe auch keinen Anlass zur Kritik. Ich gebe gerne zu, dass mich die Produktionsabläufe im Sägewerk interessieren.

      Anton sah hinüber zu Mikael und grinste dann.

      „Kein Problem, Hans. Mikael hat mich vorgewarnt. Ich bin von deiner Analyse beeindruckt. Hast du Lust, die aus unserer Sicht notwendige Optimierung der Prozessabläufe in unserem Werk zu begleiten?“

      Eigentlich waren die Kapazitäten der Maschbau GmbH ausgereizt. Aber die Aussicht, wieder nach Finnland und Lappland zurückzukommen, gab für Hans den Ausschlag.

      „Ich rufe morgen meinen kaufmännischen Kollegen an, um mich mit ihm abzustimmen. Ich denke, dass wir den Auftrag noch irgendwie dazwischen schieben können.“

      Und so pendelte Hans in den nächsten Wochen und Monaten zwischen Deutschland, England und Finnland. Seine Aufenthalte in Finnland plante er immer so, dass die Zeit für einen kurzen Ausflug nach Lappland reichte, um Hete, Ella und die Kinder zu besuchen. Er entwickelte auch den Ehrgeiz, etwas Finnisch zu lernen. Allerdings erwies sich das als noch schwieriger als erwartet.

      . . . . . . .

      Es war ein sehr windiger und verregneter Novembermontag des gleichen Jahres. Passend zum englischen Wetter meldete sich Jason bei Hans.

      „Hallo, Hans, was machen die Geschäfte?“

      „Hallo, Jason, wir sind sehr zufrieden. Vor allen Dingen dank deiner Unterstützung haben wir auf der Insel einige Anschlussprojekte akquirieren können.“

      „Ich weiß, mein Freund, denn ich beobachte deine Aktivitäten in England ebenso kritisch wie wohlwollend. Kommen wir zum Grund meines Anrufes. Wir, damit meine ich einige englische Unternehmen und mich als Gewerkschaftsfunktionär, brauchen deine Unterstützung. Wann kannst du in England sein?“

      „Wir haben heute Montag. Ich kann am Donnerstag auf die Insel kommen.“

      „Das klingt gut. Du bist selbstverständlich eingeladen. Ich schicke dir ein Flugticket und hole dich am Flughafen ab. Plane bitte zwei Tage ein. Und packe einen dunklen Anzug und eine passsende Krawatte ein.“

      Jason erwartete Hans schon am Flughafen. Er begrüßte ihn wie einen alten Bekannten.

      „Vielen Dank, dass du so schnell kommen konntest. Wir fahren jetzt zuerst zu deinem Hotel. Wenn du eingecheckt hast, erläutere ich dir den Grund meines Anrufs. Am Abend sind wir dann bei einem in vieler Hinsicht interessanten Geschäftsmann eingeladen. Er erwartet, dass seine Gäste der Tageszeit entsprechend gekleidet sind. Deshalb Anzug und Krawatte.“

      Eine Stunde später saßen die beiden an der Bar. Jason legte sofort los.

      „Mein einziger deutscher Freund, ich vertraue dir. Also enttäusche mich bitte nicht. Ich habe auf Grund meiner Tätigkeit als Gewerkschaftsfunktionär gute Kontakte in ganz England. Für mich sind zwei Dinge in meinem Leben von besonderer Bedeutung: die Absicherung meiner Familie und das Wohl meiner Kolleginnen und Kollegen, für die ich verantwortlich bin. Und am besten geht es mir, wenn ich diese beiden Ziele optimal miteinander verbinden kann. Das Geschäft, über das ich mit dir sprechen möchte, erfüllt diese beiden Vorgaben. Ich habe einen älteren Bruder, der Inhaber eines Sicherheitsdienstes ist. Aber nicht irgendeines Sicherheitsdienstes. Er betreut rund um die Uhr vermögende Bürger aus allen Ländern dieser Welt, die in England diskret und sehr erfolgreich Geschäfte machen, aber nicht belästigt und von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen. Durch meinen Bruder habe ich daher schon das eine oder andere Mal interessante Menschen kennengelernt. Eine besondere Persönlichkeit ist der Caballero, in dessen Haus wir heute Abend eingeladen sind. Das ist ein besonderes Privileg, denn der Caballero empfängt sehr selten Gäste. Damit der Abend für alle Beteiligten ein voller Erfolg wird, bekommst du jetzt von mir einige sehr wichtige Informationen und Verhaltensregeln. Wenn du das Haus unseres Gastgebers betrittst, hast du das Gefühl, einen Palast aus „Tausend und einer Nacht“ zu betreten. Der Caballero entstammt einer sehr reichen Familie aus dem arabischen Raum. Seine Urururahnen haben angeblich eine maßgebliche Rolle bei der Besetzung Spaniens durch die Mauren gespielt. Man munkelt, dass er spanisches Blut in den Adern hat. Und da sein Benehmen dem eines spanischen Edelmannes aus früheren Zeiten in nichts nachsteht, hat er hier in England den Spitznamen „der Caballero“ bekommen. Seinen richtigen Namen und seine genaue Herkunft hält er geheim. Er hat in England und in der Schweiz studiert und pendelt in den letzten Jahren zwischen seiner Heimat und England hin und her. Der Caballero ist sowohl in der arabischen Welt als auch in England und weiten Teilen Europas hervorragend vernetzt. Er scheut die Öffentlichkeit und erwartet von seinen Geschäftspartnern äußerste Diskretion und absolute Loyalität.“

      Als Jason und Hans das Haus des Caballeros betraten, sah Hans sofort, dass Jason nicht übertrieben hatte. Die Haustür bildete die Grenze zwischen zwei Welten, dem Abendland und dem Orient. John, der Butler, begrüßte die beiden Männer höflich und distanziert. Er schien Jason gut zu kennen. John geleitete die beiden durch mehrere prunkvoll ausgestatte Zimmer bis in einen kleineren Raum, der auch in jedes englische Herrenhaus des 19. Jahrhundert gepasst hätte. Zwei Seiten des Raums waren mit Bücherregalen und die anderen beiden Seiten von verschlossenen Schränken eingefasst. Der große Tisch in der Mitte war für drei Personen eingedeckt. In einer Ecke des Raums stand ein kleiner Tisch mit drei Stühlen. John bat die beiden, an dem kleinen Tisch Platz zu nehmen und bot ihnen einen Cherry an. Kurz darauf erschien der Caballero. Der Name passte. So hatte sich Hans immer einen spanischen Edelmann vorgestellt. Der Araber war so groß wie er und tadellos gekleidet. Er begrüßte Jason sehr herzlich und blickte dann Hans neugierig mit seinen pechschwarzen Augen an. Hans hatte das Gefühl, vor einem Röntgenschirm zu stehen.

      „Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim, Herr Meier. Bitte fühlen Sie sich wie zu Hause.“

      „Es ist mir eine Ehre, in Ihrem wunderschönen Haus Ihr Gast zu sein. Ich bin schon sehr gespannt, welchen Beitrag ich zum Gelingen dieses Abends beisteuern darf.“

      Der Araber lächelte. Der Deutsche schien die erste Prüfung bestanden zu haben.

      Dann wurde das Essen serviert. Es war eine interessante Mischung aus Köstlichkeiten der arabischen und der französischen Küche. Der Caballero erläuterte seinen beiden Gästen Gang für Gang die Zusammensetzung der Speisen. Hans hatte das Gefühl, dass die Zusammenstellung des Menüs ein Hobby des Arabers war. In den Pausen zwischen den Gängen unterhielten sich die drei über Fußball. Der Caballero war ein großer Fan der englischen und der spanischen Fußballligen.

      Nach dem Essen bot er Jason und Hans eine Zigarre an. Hans zögerte:

      „Bitte haben Sie Verständnis dafür,