Veronika Wlasaty

Das Vertrauen der Erde in die Samen


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in dem Bewusstsein, dass Sprache ein Instrument unserer Wirklichkeit ist, ein einigermaßen ausgewogenes Verhältnis anstrebe. In erster Linie sehe ich uns jedoch als Menschen mit unterschiedlichen Temperamenten, Charakteren, Fähigkeiten, Eigenschaften, Sehnsüchten… und geschlechtsspezifischen Merkmalen. Das, was uns – ob männliches oder weibliches „Kostüm“ – verbindet, sind unsere elementaren Bedürfnisse, zu denen ich neben den die physische Existenz sichernden auch jene (über)lebensnotwendigen Bedürfnisse, wie Anerkennung, Zugehörigkeit und Liebe zähle, die uns Mensch werden und bleiben lassen.

      Vorwort

      Das Privileg jedes Menschen in einem freien Land – und dafür bin ich zutiefst dankbar – ist es, seine Gedanken öffentlich kund zu tun, auch wenn diese mangelnden Konformismus mit den Überzeugungen gesellschaftstragender Systeme und deren Vertretern aufweisen. Unsere demokratische Pflicht ist es, dies auf konstruktive Weise auch zu tun, da alles, von dem man nicht Gebrauch macht, irgendwann verkommt. So auch die Demokratie.

      Es geht mir in meinen Ausführungen nicht vorrangig um ein Anprangern oder gar Verurteilen des Schul- und Bildungssystems, da solch eine Form von Kritik in meinen Augen kein Veränderungspotential birgt. (Zudem gibt es bereits Schriften zuhauf, in denen vieles von vielen beklagt wird.) Ich nehme mir jedoch die Freiheit, kritisch zu hinterfragen und zum Hinterfragen anzuregen, ohne mich in die Reihe der Kläger zu stellen. Stattdessen möchte ich gerne meinen Blick auf das für mich Erstrebenswerte richten, das im Potential ebenso vorhanden ist und zunächst einmal von vielen erkannt und mit der „Energie“ der Aufmerksamkeit versorgt werden muss, ehe es in Erscheinung treten und seine Kraft entfalten kann. Das zunehmende Beklagen von gesellschaftlich-sozialen, politischen, wirtschaftlichen und anderen (krisenhaften) Entwicklungen verleitet zur Problemanhaftung. Ein Fokus, der unerwünschte Aspekte ins Visier nimmt, lässt uns allzu oft, vergleichbar dem Kaninchen vor der Schlange, in ängstlicher Starre und Ohnmacht verharren. Unser Hang zur übermäßigen Beachtung von Problemzuständen verstärkt und verfestigt diese noch und lässt uns nicht vom Unerwünschten loskommen. Es bedarf also zuallererst eines Wechsels der Blickrichtung. Unser persönlicher Fokus liegt zu jeder Zeit in unserer eigenen Verantwortung. Wir allein bestimmen, was wir in Gedanken, mit Worten und mit unserem Engagement stärken wollen. Die „Ich allein bin machtlos“-Mentalität hat ausgedient. Nicht erst seit Kenntnis des Schmetterlingseffekts (wonach der Flügelschlag eines Schmetterlings anderswo, weit entfernt einen Tornado verursachen kann) bin ich zutiefst davon überzeugt, dass jedes Tun einen Unterschied macht. Wir alle verfügen über Handlungsmöglichkeiten und Spielräume, auch wenn wir diese zunächst oft nicht erkennen. Es gilt für jede/n einzelne/n von uns, dort, wo er/sie gerade steht, diese auszuloten und eine Wahl zu treffen. Denn eines kann unser Tun mit Bestimmtheit nicht: Es kann nicht nichts bewirken.

      Was ich kann und hiermit getan habe, ist, meine Gedanken in eine manifeste Form zu bringen, um ihnen mehr Kraft zu verleihen. Wenn diese Zeilen jene, die sie lesen, auch erreichen und bei ihnen auf Resonanz stoßen, dann hat sich diese „Manifestation“ gelohnt.

      Mein Weg – meine Verantwortung, eine Einleitung

      „Der Weg jedes Menschen ist ein Weg zu sich selber hin…“ (Demian, H. Hesse)

      Im Zuge meiner professionellen Beschäftigung mit Schulentwicklung, zuletzt als Betreuungs- und Beratungslehrerin, ergab sich die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit Themen, welche die schon lange Jahre stattfindende Schulreformdebatte mit sich brachte. Vieles von dem, was ich hier niedergeschrieben habe, trage ich schon eine ganze Weile mit mir herum. Manches stammt aus einer Zeit, in der noch keine Reform angedacht war – es sei denn in meinem Kopf, der sich immer weniger mit den vorfindbaren systemischen „Sachzwängen“ abfinden und arrangieren wollte. All das, was schon geraume Zeit darin herumspukte, hat in dieser Niederschrift ein Ventil gefunden. Zusammenhängendes und Bruchstückhaftes, alte, immer wiederkehrende Gedanken und neue Ideen miteinander zu verweben und in eine anschauliche, verständliche Form zu bringen, war dabei die schriftstellerische Herausforderung. Das vorliegende Buch, ursprünglich als persönliches Erkenntnis- und Lerntagebuch gedacht, wurde nicht in einem Guss geschrieben. Man möge mir Redundanz nachsehen und wiederholt aufscheinende Gedanken als mein persönliches, „geistiges Destillat“ ansehen, als Essenz, die herauszufiltern und hervorzuheben mir wichtig erschien, vergleichbar dem Refrain eines mehrstrophigen Liedes. Die Atmosphäre beim Komponieren dieses „Liedes“ war erfüllt mit wohltuenden und harmonischen, aber auch aufwühlenden und verstörenden Klängen. Im Zuge des Verfassens lichtete sich mein innerer Nebel, der mich lange Zeit in der Schullandschaft umherirren und nach einem Platz mit „guter Aussicht“ suchen ließ, meine Sicht wurde klarer. Und als alle Gedanken zu Text geworden waren, wusste ich, ich konnte nie mehr „die Alte“ sein, wenn ich mir selbst treu bleiben wollte. Aber noch war ich mitten im Geschehen ohne Vorstellung, wie es gut für mich weitergehen konnte. Als ich eines Tages, wie ich das gerne mache, mit dem Rad umherfuhr und mich am Ufer eines Teiches zur Rast niederließ, hatte ich plötzlich meine „gute Aussicht“ gefunden. Ich hatte eine Auszeit noch nie ernsthaft in Erwägung gezogen, jetzt kam sie wie ein Gedankenblitz und wurde zum Entschluss des Augenblicks, ohne Zögern getroffen. Tags darauf suchte ich um das erste Freijahr an, nach dessen Ablauf ich die Klarheit hatte, die ich benötigte, um schließlich nach Ablauf eines weiteren Jahres die Kündigung einzureichen. Was ich schon intuitiv geahnt hatte, war zur Gewissheit geworden. Mit einem Weitermachen wie zuvor, hätte ich all meine Überzeugungen verraten einschließlich mir selbst. Heute weiß ich, dass es weniger um ein Zurücklassen von etwas ungeliebtem Alten ging, als vielmehr um einen Aufbruch zu etwas Neuem, das auch noch ausprobiert werden wollte (unter anderem das Schreiben) – um den nächsten Schritt in meiner Biographie. Deshalb liegt es mir fern, zu meinen, es gäbe im Fall mangelnder Zufriedenheit mit dem Schulsystem keine andere Option als zu kündigen, und noch ferner, meinen Weg als den einzig (moralisch) „richtigen“ zu betrachten. (Es wäre bestimmt nicht förderlich, würden alle unzufriedenen und kritischen LehrerInnen, plötzlich kündigen.)

      Lange habe ich mich gefragt, ob ich mich mit meiner „Komposition“ an die Öffentlichkeit wagen soll, auf das Risiko hin, bei anderen Dissonanz zu erzeugen. Die Vorstellung mich mit meinen Gedanken zu exponieren und als Utopistin zu gelten, bereitete mir zunächst Unbehagen. Die Erkenntnis, dass ich nichts zu verteidigen habe, weil ich nicht Recht habe – und auch nicht Unrecht, ermöglicht mir die Preisgabe meiner Wahrheit. Ich persönlich ziehe vor, diese nicht als Utopie, sondern als anregende Vision zu betrachten.

      Eine neue Küche

      Lange Zeit war die Schule meine berufliche Heimat. Noch bevor ich meine Tätigkeit als literarische Lehrerin an einer Hauptschule hinter mir ließ und zu den Beratungs- und BetreuungslehrerInnen wechselte, verspürte ich jedoch schon so etwas wie pädagogisches Bauchweh. Immer öfter machte sich das Gefühl der Appetitlosigkeit auf das, was das System zu bieten hatte, breit. Vieles von dem, was ich aus meiner Ausbildung, zum Teil auch noch aus der eigenen Schulzeit übernommen und praktiziert hatte, war für mich ungenießbar geworden und ließ mich nach „alternativer Kost“ suchen. Reformpädagogische Fortbildungen und ein Pädagogikstudium vermochten den Appetit kurzfristig wieder anzuregen, aber die Veränderung, die ich gesucht hatte, fand ich darin nicht. Aus ersten Kochexperimenten in meiner Kindheit weiß ich, dass ein einmal verdorbenes Gericht auch durch ein paar neue Zutaten (als gut gemeinte Rettungsversuche) nicht mehr genießbar wird. Dieses „Gericht“ namens Schulsystem ist dabei, gründlich zu verderben. Die Zutaten sind alt und unbrauchbar geworden. Zu viele Maitres, die in Ego-Manier und zueinander in Konkurrenz stehend, ohne Rücksichtnahme oder Befragung der Klienten (denen die Kost ja schließlich zumutbar sein sollte) ihre Rezepte durchsetzen wollten, haben daran herumexperimentiert, sodass der Geschmack immer schaler wird. Die wenigsten essen noch mit Lust und die