Kräuter gedeihen, die er uns dann in die Weinkrüge schüttet. Dann sind wir endgültig hin!"
Und unter dem Gelächter der aufgekratzten Freier bemerkte ein anderer: "Oje, wer weiß, unter Umständen geht er mit seinem Schiff irgendwo verloren oder gar unter, fern den lieben Seinen, genau wie Odysseus. Das wäre aber hart! Wir hätten noch mehr Mühe und Arbeit als bisher: Seinen gesamten Besitz müssten wir dann unter uns verteilen! Das Haus zum Glück nicht, das bliebe ja seiner Mutter erhalten und ihrem zukünftigen Gatten." So scherzten sie miteinander.
Telemachos aber ging in den Keller, der sehr groß war und eine gewölbte, hohe Decke hatte. Dort lagerten haufenweise Gold und Erz, Truhen voller Gewänder, Gefäße voll duftender Öle und fässerweise alter, wohlschmeckender Wein; ein göttliches Gesöff, rein und ohne streckende Zusätze. Reihenweise ruhten die Fässer da, hinten an der Wand, und warteten darauf, Odysseus zu trösten, wenn er nach unendlichen Durststrecken wieder heimkehrte. Davor aber stand ein aus soliden Brettern gebauter Verschlag mit abschließbarer Doppeltür. Den einzigen Schlüssel hatte die mit allen Wassern gewaschene Haushälterin, die Tag und Nacht über die Vorräte wachte: Eurykleia, die Tochter des Ops, der wiederum von Peisenor abstammte.
Telemachos rief sie herbei und sagte zu der Alten: "Mütterchen, füll mir Wein in Krüge mit zwei Henkeln; eine gute, süffige Qualität bitte, die beinahe an den Göttertrunk heranreicht, den du in deiner Weisheit für den Unglücklichen zurückbehältst, falls er den Keren, den Botinnen des Todes und der Nacht, von der Schippe springt und doch noch heim kommt, dieser Geniestreich der Götter, mein Vater Odysseus. Mach ein dutzend Amphoren voll, verschließe sie mit Deckeln, und füll mir auch noch Gerstenmehl ab, zwanzig Maß, feingemahlen in der Schrotmühle; aber in Säcke bitte, deren Nähte dichthalten. Keiner außer dir darf davon wissen! Wenn du alles beisammen hast, komme ich es holen, abends, nachdem meine Mutter auf ihr Zimmer gegangen ist, um sich schlafen zu legen. Denn ich fahre nach Sparta und ins sandige Pylos, um mich umzuhören, ob jemand etwas über die Rückkehr meines lieben Vaters weiß."
Entsetzt schrie Eurykleia auf, seine treusorgende Amme, und unter Jammerklagen sprudelten die Worte aus ihr: "Was hast du dir bloß in den Kopf gesetzt, mein Kindchen! Du, unser einziger, unser Liebling? Was willst du da draußen in der weiten Welt? Wir haben doch schon Odysseus in der Fremde verloren. Und sobald du weg bist, hat man hier Gelegenheit, böse Komplotte, sogar Mordpläne gegen dich auszuhecken. Sie werden restlos alles, was dir gehört, unter sich aufteilen. Ach, bleib doch hier bei den Deinen! Was bringt es denn, auf den wilden Weltmeeren herumzuirren und üble Erfahrungen zu machen." Ihr hielt der bedächtige Telemachos, der sich alles gut überlegt hatte, entgegen: "Nur Mut, Mütterchen, es wird schon werden! Mein Entschluss kam nicht ohne göttlichen Zuspruch zustande. Aber schwöre mir, dass du meiner lieben Mutter nichts sagst, zumindest die nächsten elf, zwölf Tage nicht. Gut, wenn sie mich arg vermisst oder eh von anderen hört, dass ich abgereist bin, dann tröste sie. Sonst verderben ihr die Tränen noch den makellosen Teint."
Und die Alte schwor bei den Göttern den heiligen Eid. Nachdem sie geschworen und den Schwur mit der korrekten Formel abgeschlossen hatte, goss sie sofort Wein in Krüge mit zwei Henkeln und füllte Gerstenmehl in Säcke, deren Nähte dicht hielten. Telemachos ging wieder in den Männersaal, wo die Freier zusammensaßen.
Da ersann Athene, die Göttin mit den strahlenden Augen, wieder etwas Neues: Sie nahm die Gestalt des Telemachos an und lief, von ihm äußerlich durch nichts zu unterscheiden, kreuz und quer durch die Stadt, sprach mit verschiedenen Männern und bat sie, sich gegen Abend im Hafen zu versammeln. Um das Schiff bat sie den gut beleumdeten Noëmon, den Sohn des Phronios, der es bereitwillig auslieh.
Die Sonne war untergegangen, dunkel lagen Straßen und Wege, als sie das Schiff ins Wasser zog, all die Gerätschaften an Bord brachte, die ein gutes Ruderschiff mit Oberdeck nun einmal braucht, und es am Ende des Hafens vertäute, wo die braven Gefährten schon gut gelaunt versammelt waren. Denn die Göttin war einfach mitreißend. Und noch einen Einfall hatte Athene mit den strahlenden Augen: Sie ging zum Haus des Odysseus und goss hypnotisch Müdigkeit aus über die Freier. Die ohnehin schon Angetrunkenen machte sie volltrunken und derart orientierungslos, dass ihnen die Becher aus den Händen glitten. Das starke Schlummerbedürfnis zwang alle, den Palast zu verlassen und heim in ihre Betten zu taumeln. Sie hätten sich auch gar nicht mehr auf ihren Stühlen halten können, so schwer hatte sich der bleierne Schlummer auf ihre Augen gelegt. Telemachos aber holte Athene noch vorher aus dem wohnlichen Saal, und von Mentor war sie nicht zu unterscheiden für den, der sie sah und ihre Stimme hörte.
"Komm, Telemachos, die Gefährten sitzen bereits in ihren schönsten Rüstungen an den Rudern und warten auf dich. Beeilen wir uns, damit sich die Abfahrt nicht weiter verzögert."
Nach diesen Worten ging Pallas Athene schnellen Schritts voraus, und Telemachos folgte ihr auf dem Fuße. Als sie unten am Meer und beim Schiff angelangt waren, trafen sie am Strand auf die Gefährten, die stolz ihr Haar lang trugen. Mit einmal verdammt energisch sagte Telemachos:
"Los, Freunde, jetzt holen wir den Reiseproviant. Alles liegt schon im Palast bereit. Meine Mutter weiß von nichts, auch die Dienerinnen haben nichts gemerkt, nur eine einzige weiß Bescheid."
Er ging schnellen Schritts voraus und die anderen folgten ihm auf dem Fuße. Sie schafften die Vorräte heran und verstauten sie auf Befehl von Telemachos am Boden des Schiffs. Er ging als zweiter an Bord, Vortritt hatte Athene, die auf dem Achterdeck Platz nahm. Er setzte sich direkt an ihre Seite. Die andern banden die Haltetaue los, gingen an Bord und setzten sich an die Ruder. Athene besorgte günstigen Wind, eine kräftige westliche Brise brauste über die dunklen Wogen. Der Sohn des Odysseus wies seine Gefährten an, die Takelage klarzumachen. Sie taten, was er sagte, stellten den hohen Mast aus Tannenholz auf, sicherten ihn im Mastfuß, zurrten die Seile fest und zogen mit geflochtenen Lederriemen das weiße Segel empor. Der Wind fuhr hinein, blähte es auf, Gischt spritzte um den Bug. Das Schiff nahm schnell Fahrt auf und glitt durch die dunklen Wellen, von der Strömung noch beschleunigt, hin zum Ziel der Reise. Und als auf dem teerschwarzen Schiff die Segel gerichtet und alle Taue befestigt waren, stellten sie die Krüge voll schäumenden Weines vor sich hin, vergossen einige Tropfen auf das Deck als Opfer an die unsterblichen Götter - und besonders an die Göttin mit den strahlenden Augen - und tranken. Hin durch die Nacht schoss das Schiff und erreichte frühmorgens sein Ziel.
Kapitel 3: Telemachos bei Nestor
Helios stieg aus dem wunderschönen Meere, seinem nächtlichen Hafen, in den stahlblauen Himmel empor, den Unsterblichen zu scheinen, wie auch die Menschen auf fruchtbarer Erde zu wärmen, als die Reisenden Pylos erreichten, die gut befestigte Stadt des Königs Neleus. Die Pylier waren gerade dabei, am Meeresstrand schwarze Stiere zu opfern für den dunkel gelockten Poseidon, der die Elemente beherrscht. In neun Reihen saßen sie, in jeder Reihe fünfhundert Menschen, und jede Gruppe hatte neun Stiere aufgeboten. Eben verspeisten sie die Innereien, die Schenkel hatte man dem Gott zu Ehren verbrannt, als das Schiff aus Ithaka mit eingeholtem Segel heranglitt. Die Besatzung machte es fest und ging an Land. Als Telemachos hinter Athene von Bord ging, sagte die Göttin mit den strahlenden Augen zu ihm:
"Jetzt bloß nicht schüchtern sein, Telemachos! Du bist den weiten Weg über das Meer gekommen um herauszufinden, ob dein Vater unter der Erde liegt, und welches Schicksal ihn dahin brachte. Du suchst am besten sofort den Pferde- und Streitwagenexperten Nestor auf. Mal sehen, ob er etwas weiß, das auch wir wissen sollten. Du musst ihn aber schon selbst bitten, dir Auskunft zu geben. Anlügen wird er dich nicht, dazu ist er zu klug."
Darauf erwiderte zögerlich Telemachos: "Mentor, was soll ich bloß sagen, wie soll ich mich ihm gegenüber verhalten? Ich habe doch überhaupt keine Erfahrung in Konversation. Ich bin extrem schüchtern, wenn ich als junger Mann einen älteren ausfragen soll."
Darauf sagte mit leuchtenden Augen Athene: "Telemachos, du musst dir nicht immer so viel Gedanken machen! Fang einfach an zu reden, die Götter werden dir schon weiterhelfen. Du bist doch auch, denke ich, nicht gegen den Willen der Unsterblichen geboren und groß geworden!"
Nach dieser Äußerung ging Pallas Athene schnellen Schritts voran, und Telemachos folgte ihr auf dem Fuße. Sie kamen zu dem Platz, wo