Angelika Nickel

Cemetery Car®


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einfach ungefragt vor einem aufzutauchen.

      »Wie auch wenn ich gar nicht angeklopft habe. Ich habe die Stimme Amores gehört, und da war ich mir sicher, dass ich Sie bei nichts Wichtigem stören würd‘«, tat sie, als wollte sie sich entschuldigen.

      »Na, ich darf doch sehr bitten! Als wenn Gespräche mit mir als unwichtig zu bezeichnen wären«, entrüstete sich auch prompt Salvatore. »Ich mag eine erfundene Figur aus Zinks unfertigem Roman sein; auch ein Astralwesen, wenn man’s richtig betrachtet. Dennoch heißt das noch lange nicht, dass Gespräche mit mir unbedeutend wären oder man sie so einfach unterbrechen und sich in sie hineinzwängen kann. Auch Sie nicht, Evelyn li Nola!« Die ausgeblichene Fliege an seinem Hals wippte auf und ab, dermaßen verärgert war er.

      »Das habe ich damit keineswegs sagen wollen.« Evelyn ließ sich auf das Bett des Professors fallen. »Jetzt mal Butter bei de‘ Fische, Professor«, wandte sie sich an Gräulich und hakte damit das unangenehme Gespräch mit Salvatore für sich ab. »Was steht uns dieses Mal bevor? Nur so eine etwaige Richtung, hm, wie wär’s damit? Werden wir es wieder mit wahnsinnigen Machtbesessenen zu tun haben? Oder müssen wir erneut gegen die Diener der Finsternis antreten? Jetzt aber raus mit der Sprache. Was wird es dieses Mal sein?«

      »Ich weiß es nicht, Lady li Nola. Ich weiß nur, dass auch hier Quentin und Kim Gefahr drohen wird. Deshalb sind wir ja auch alle gemeinsam in den Urlaub gefahren, um bei ihnen zu sein, wenn sie unserer Hilfe bedürfen.«

      »Damit erzählen Sie mir nichts Neues, Professor.« Evelyns Stimme klang enttäuscht.

      »Bedauere, dass ich Ihnen beiden nicht mehr sagen kann. Aber, wie Sie beide wissen, Evelyn«, er schenkte ihr ein Kopfnicken, um anschließend den Blick in Salvatores Richtung schweifen zu lassen, »Salvatore, ich habe keinen Einfluss auf meine Visionen.«

      Da sie nichts weiter von dem Professor erfahren konnten, verließen Salvatore und die Geisterlady Gräulich und gingen zurück auf ihre eigenen Zimmer.

      3 – Die Glocken Saint Claires

      Kim drehte sich unruhig im Schlaf. Immer wieder träumte sie, dass Hände nach ihr griffen. Gesichtslose Hände. Körperlose Hände.

      Mitten in der Nacht erwachte sie schweißgebadet. Mit einem raschen Blick auf den schlafenden Quentin, verließ sie das Bett, sehr darauf bedacht, ihren Verlobten nicht zu wecken.

      Sie nahm ihre Zigaretten und ging barfüßig auf den einladenden Balkon, der an ihrem Zimmer angrenzte.

      Nachdem sie sich eine Zigarette angezündet hatte, blies sie den Rauch von sich.

      Sie beugte sich übers Geländer, dabei wanderte ihr Blick zur Gartenterrasse des Le Petites, und auf all die Blütenpracht, die sich unter ihr auftat, die sie im Dunkel der Nacht jedoch nur erahnte.

      Von fern hörte sie einen Kater maunzen. Dem folgte das aufgebrachte Gebell eines Hundes. Wahrscheinlich jagt er die Katze. Zornig hörte der Hund sich an.

      Kim ließ sich in den breiten Terrassensessel fallen und lehnte sich an. Sie schloss die Augen und dachte über ihren Traum nach.

      Wie hieß es im Volksmund? Dass wahr werden würde, was man in der ersten Nacht in einem fremden Bett träumte.

      »Na danke, dann steht mir in diesem Urlaub nichts Gutes bevor«, formten sie die Worte über ihre Lippen, von einem Frösteln begleitet.

      Wofür konnten sie nur stehen, diese Hände, die sie in ihrem Traum verfolgt, und nach ihr gegriffen hatten? Die versucht hatten, sie zu sich hin zu zerren.

      Warum waren sie überhaupt nach Frankreich gefahren, obwohl sie doch durch Gräulichs Vision bereits im Vorfeld gewusst hatten, dass Frankreich nichts Gutes für sie bereit halten sollte. Zumindest, dass sie auch hier wieder in Gefahr sein würden.

      Statt den Urlaub in ein anderes Land zu verlegen, waren sie übereingekommen, dass sie dieses Mal die Erholungstage gemeinsam antreten würden. Sie allesamt. Doch konnte das die Lösung sein?

      Kim drückte ihre Zigarette aus. Nervös zog sie bereits die nächste Zigarette aus der Packung und steckte sie an.

      Ein warmer Luftzug umspielte ihre roten Locken. Von fern zog der Geruch der Seine zu ihr herüber.

      Kim lehnte sich erneut zurück. Wieder schloss sie ihre Augen. Nochmals überkam sie die Erinnerung an ihren Traum.

      Von Weitem hörte sie die Glocken St. Claires schlagen. Lauter und lauter wurden die Glockenschläge.

      Sie bohrten sich in Kims Ohren, hoch zu ihrem Gehirn. Was wollten sie ihr sagen? Wollten sie sie warnen? Oder drohten sie ihr womöglich?

      Kim durchwühlte mit ihren Händen ihre schweißnassen Haare. Kopfschüttelnd stand sie auf.

      Wie konnte sie sich nur von einem Traum dermaßen aufwühlen lassen?

      Mit einem Seufzer auf den Lippen, entschied sie sich, zurück ins Bett zu gehen.

      Vorsichtig kuschelte sie sich neben Quentin. Suchte seine Nähe, fühlte seinen regelmäßigen Atem an ihrem Gesicht. Und plötzlich überkam sie das Gefühl, dass, gleich, was auch auf sie zukommen, was immer auch geschehen sollte, alles gut werden würde.

      Der Gedanke beruhigte sie und sie fiel in einen traumlosen Schlaf.

      Der vorherige Alptraum kehrte wieder.

      Kim schlief bis zum Morgen durch, als sie erneut den Klang der Glocken St. Claires hörte. Von deren Läuten sie geweckt wurde.

      Doch dieses Mal hatte ihr Klang weder etwas Bedrohendes noch etwas Warnendes an sich.

      Die Glocken St. Claires waren an diesem Morgen einfach nur läutende Kirchenglocken, die zur vollen Stunde schlugen.

      Die Glocken der Kathedrale St. Claire.

      4 – Das Portrait

      Nach dem Frühstück machten sie sich gemeinsam auf den Weg, die Altstadt Paris’ zu erkunden.

      Zink war angetan von den vielen Geschäften, die es in diesem Teil der Stadt gab. Auch faszinierte sie das Altaussehende der Geschäfte. Doch nicht nur Geschäfte erregten ihre Aufmerksamkeit. Auch die Straßenmaler, die mit bunter Kreide farbenfrohe Bilder auf die Pflastersteine der Trottoirs malten, oder Portraits von Passanten zeichneten.

      »Madame! Bleiben Sie stehen! Bitte. Erlauben Sie mir, Ihr natürliches Naturell in einem Bild festzuhalten. Ihre Schönheit mit meinen Augen aufzufangen und auf Papier zu bringen. Madame, ich möchte Sie malen. Ich muss Sie einfach malen.« Sein Charme traf sie. Er setzte alles daran, sie zu betören. »Meine Finger gieren danach, Ihren Liebreiz für immer auf dem Papier festzuhalten.« Sein Blick war beinahe flehend, als er ihn auf Zink richtete. »Ich muss Sie zeichnen. Unbedingt!«, rief ihr ein junger, gut aussehender Franzose zu. »Er schleuderte ihr in einer hilflosen Geste, die Hände entgegen und zeigte auf seine kribbelnden Finger. »Es ist schon beinahe, wie ein Zwang«, setzte er dazu an, sie zu überreden, nachdem er ihr Zögern bemerkte.

      »Na los, Zink, nur keine Hemmungen! Geh hin und tu dem Jungen den Gefallen. Lass dich portraitieren, dann wirst du immer eine Erinnerung an deinen Urlaub in Paris haben«, forderte Evelyn sie auf.

      Auch die anderen hielten es für einen guten Einfall, dass Madame Zink sich malen lassen sollte, zumal sie in ihrem Zuhause eine Vielzahl an Bildern hängen hatte, da würde ein Portrait von ihr persönlich, ihrer Sammlung noch ein Zusätzliches, eine persönlichere Note verleihen.

      Von den anderen überredet, saß sie dem Straßenmaler Modell. Der junge Mann begann voller Begeisterung mit dem Zeichnen, wofür er einen Skizzierstift verwendete. Seine schwarzen Haare fielen ihm in die Stirn. Immer wieder radierten seine Finger Zeichenstriche aus. Als er mit dem Portrait zu Ende war, reichte er es mit strahlendem Lachen, Madame.

      Doch als sie die Zeichnung sah, hatte sie