ich bitte dich, was soll an diesem so besonders sein? Es ist ein Chinesischer Gong unter vielen.«
»Eben nicht, Pierre. Ich hoffe, dass sie es niemals bedauern wird, den Gong gekauft zu haben. Dass sie niemals hinter sein Geheimnis kommen muss.«
»Geheimnis?«
»Nicht jetzt, Pierre. Der Chinesische Gong ist derzeit nicht unser Problem. Nicht heute. Vielleicht irgendwann einmal, aber nicht heute. Nur so viel noch: Der Chinesische Gong, man kann ihm nicht entkommen. Hat er sich erst einmal für jemanden entschieden, wird er nicht ruhen, bis derjenige sein Augenmerk auf ihn gerichtet hat und ihn besitzen will.« Er sah seinen Enkel nachdenklich an. »Und jetzt frag nicht weiter.« Pierre, wie gerne hätte er ihm bereits heute schon alles erzählt. Doch er durfte nicht. »Wo, sagtest du, wohnen sie?«
»Bisher sagte ich diesbezüglich noch gar nichts. Ich habe nur erwähnt, dass ich ihnen gefolgt bin. Mehr aber auch nicht.«
»Du bist ihnen gefolgt. Du weißt also, wo sie untergebracht sind?«
»Ja. Und jetzt rate einmal, wo das ist.«
»Woher soll ich das wissen, Junge.«
»Im Le Petite«, zeigte Pierre sich ebenfalls geheimnisvoll. »Das passt, nicht wahr?« Pierre lächelte. »Denn auch das Le Petite ist mitunter sehr geheimnisvoll, nicht wahr? Zumindest hast du mir das in meinen Kindertagen immer erzählt.«
»Wenn man davon ausgeht, dass an den Überlieferungen, dass Philippe Lafaiette dort den Tarot gemalt hat, etwas Wahres ist, dann ja. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles nur Zufall sein soll. Da steckt mehr dahinter, dessen bin ich mir sicher.« Destin senkte nachdenklich den Blick, um gleich darauf zum Tresor zu wandern. So vieles schien einzutreffen. Doch er konnte und durfte seinem Enkel nichts davon erzählen. Noch nicht. »Passt einfach alles. Auch, dass sie den Chinesischen Gong gekauft haben.« Unterdessen war sein Blick zu Pierre zurückgekehrt. »Diese Frau, die älteste von den drei Frauen, mit ihr ist irgendetwas. Ich konnte es spüren, gleich, nachdem sie meinen Laden betreten hat.«
»Was deutest du damit an, Grand-père?«
Das Gesicht des alten Mannes hatte einen sehr ernsten Ausdruck angenommen. Leise antwortete er: »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass wir es bei ihr mit einem Geist zu tun haben.«
Pierre begann zu lachen. »Sag, Großvater, wie viele Gläser Rotwein hast du heute schon getrunken?«
Entrüstet sah André Destin auf seinen Enkel. »Nicht einen Schluck!«
»Hauch mich mal an, denn ich kann nicht glauben, was du eben gesagt hast.« Pierre putzte seine Ohren, doch das Gesagte blieb gleich. Kopfschüttelnd sah er seinen Großvater an. »Geister, Opa, die gibt es nicht.«
»Sei davon nicht so überzeugt.« Er blickte in Pierres Gesicht. »Mein Gefühl trügt mich eigentlich nie.«
»Wie vielen Geistern, bist du bisher begegnet, um dafür ein Gefühl zu haben?«, fragte Pierre, und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
»Ich habe es dir vorhin schon einmal gesagt, Pierre:« Mit der Geste der Verzweiflung, rang er seine Hände. »Du bist noch keine fünfundzwanzig. Selbst, wenn ich wollte, ich dürfte dir diese Frage noch gar nicht beantworten. Und jetzt geh, Pierre, versuche herauszufinden, was die Leute vorhaben, und wieso sie ausgerechnet im Le Petite abgestiegen sind.«
Pierre stand auf, verabschiedete sich, und verließ den Laden, allerdings nicht ohne das Schild wieder auf geöffnet gedreht zu haben.
André Dustin stand ebenfalls auf. Er ging ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. »Kann sie tatsächlich ein Geist sein?«, fragte er sein Spiegelbild und sah vor seinem geistigen Auge das Gesicht Evelyn li Nolas auftauchen.
7 – Sorbonne
Madame Zink hatte den Chinesischen Gong auf der Theke des Le Petites abgestellt, während Professor Gräulich mit Nickels Hundeleine als auch dem Bilderrahmen, den er für Zinks Portrait gekauft hatte, kämpfte.
Madame Le Blanc kam freudig zu ihnen heran. »Wie? Schon zurück? Sagen Sie nicht, dass Ihnen unser Paris nicht gefällt!«, sagte sie in spaßigem Ton.
Hinter ihr kam schwanzwedelnd ein Dalmatiner angesprungen.
Im gleichen Augenblick riss Nickel sich los und hechelte auf den Dalmatiner zu.
»Nickel, wirst du wohl!«, rief Madame Zink aufgeregt aus.
»Keine Angst, Madame, Sorbonne tut Ihrem Hund nichts.« Sie wandte sich der Dalmatiner-Hündin zu. »Nicht wahr, Sorbonne, du bist ein ganz liebes Mädchen.«
»Eine Hundedame, na dann«, antwortete Zink erleichtert.
»Hast du’s nicht gehört, Zink? Der Dalmatiner ist eine Hündin!«, warnte Evelyn.
»Was sagst du? Ach du dickes Hühnerei, daran habe ich gar nicht gedacht. Hierher, Nickel, aber sofort!«
»Aber, aber, lassen Sie die beiden doch. Sehen Sie nur, wie gut sie sich verstehen.«
»Sicher, schon. Nur, mein Hund ist ein Rüde.«
»Um so besser, nicht wahr? Dann können auch unsere Hunde den Flair der Liebe, der über Paris liegt, kennen lernen«, amüsierte sich Madame Le Blanc.
Professor Gräulich kämpfte unterdessen mit dem großen Bilderrahmen. Mit betroffenem Gesicht sah er Madame an. »Beinahe wäre er mir aus der Hand gefallen. Nicht vorzustellen, wenn er zerbrochen wäre und Ihr Portrait zerstört hätte.«
»Oh ja, nicht auszudenken, Gräulich. Da hätte ich doch tatsächlich nichts mehr, worüber ich mich jeden Tag aufs Neue ärgern könnte«, entgegnete Madame mit einem angewiderten Blick auf das Bild, das der Straßenmaler als ihr Portrait bezeichnet hatte.
»Gib jetzt Ruhe, Zink! Bring deinen Chinesischen Gong nach oben. Ich will endlich zu meiner Franzosenkappe kommen.« An den Professor gerichtet, fragte sie: »Nicht wahr, mein bester Gräulich, Sie kaufen mir doch eine Baskenmütze. Aber fliederfarben, wenn ich bitten darf. Und was das Finanzielle angeht: Sie wissen ja selbst, weshalb ich nicht in der Lage bin, mir selbst eine zu kaufen. Es sein denn, einer von euch würde mir mit ein bisschen Kleingeld aushelfen. Nur ein paar Euro, damit ich nicht ganz so arm wirke.« Sie drehte sich zu Quentin. »Nun, wie wär’s, Junge? Gibst du deiner armen Großtante ein bisschen Geld?«
Madame Le Blanc folgte dem Gespräch mit Überraschung. »Haben Sie Ihr Porte-monnaie verloren, Madame Li Nola?«, erkundigte sie sich besorgt.
»So kann man das nicht sagen«, versuchte sich Evelyn herauszureden. Wie hätte sie Madame Le Blanc auch erklären sollen, dass sie ein Geist war, und Geister weder Geld, noch Porte-monnaies benötigten.
»Nein, so ist es auch nicht.« Kim blickte mit einem verschwörerischen Blick zu Evelyn. »Unsere Tante ist in einem Alter, da verlegt man schon einmal etwas, ohne zu wissen, wohin. Aber seien Sie unbesorgt, bisher hat sich alles immer wieder angefunden.«
»Ah, so«, antwortete die Le Blanc verständnisvoll und bedachte Evelyn li Nola mit einem Blick des Bedauerns. Vergesslich, nein, so hätte sie die alte Dame gar nicht eingeschätzt. Eher im Gegenteil. Zumal sie so alt gar nicht wirkte.
Quentin war es, der das unbequeme Thema beendete. Er bückte sich zu dem Dalmatiner und strich ihm über den Kopf, dabei wandte er sich Madame Le Blanc zu, während Zink nach oben ging, um endlich den Chinesischen Gong in ihrem Zimmer abzustellen.
»Sorbonne? Ein etwas eigenartiger Name für einen Hund. Mich erinnert er an die Universität. Oder wollen Sie damit andeuten, dass der Dalmatiner überaus schlau ist, um dass er diesen Namen trägt?«, erkundigte sich Quentin.
Madame Le Blanc lächelte. »Sorbonne, sie ist ein sehr schlaues Tier, das stimmt. Allerdings hat sie nicht deswegen ihren Namen. Ein Freund meines verstorbenen Mannes Albert, Gott hab ihn selig, hat ihn auf dem Universitätsgelände gefunden. Der Freund meines Alberts, er ist Professor. Er lehrt