George Tenner

Insel der Vergänglichkeit


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nur daran gedacht, wie du mich erobern kannst.«

      »Ach was.«

      »Ich bin überzeugt davon, dass du das nie zugeben würdest. Warum eigentlich nicht?«

      »Ärgert dich das?«

      »Es ärgert mich nur, dass du mir unter Vorspiegelung falscher Tatsachen diese Reise untergejubelt hast. Ich war einfach nicht wachsam genug. An deinen Gesten hätte ich wissen müssen, dass du gar nicht daran denkst, nur mit mir zu verreisen, um die Zeit mit mir, und nur mit mir zu verbringen. Ein Glück, dass meine Mutter uns Elina bis Sonntag abgenommen hat.«

      Er stellte sich hinter sie, beugte sich leicht vor und begann ihren Nacken zu streicheln. Noch bevor sie etwas sagen konnte, fing er an, sie zu massieren. Monika tat das gut. Manchmal fühlte sie, wie ihr Rücken und Nacken sich versteifte, dann sich langsam die Verspannungen nachließen.

      »Denkst du oft daran, wie es ist, wenn du zum zweiten Mal Vater wirst?«, fragte Monika unvermittelt.

      Dieser Gedanke nahm Larsson mit einem Mal die Luft.

      »Willst du damit sagen, du bist wieder schwanger?«

      Sie sah ihn durchdringend an. »Wäre das so ein unangenehmer Gedanke für dich?«

      »Wie kommst du denn darauf? Bist du oder bist du nicht?«

      »Eher nicht. Und ich werde mir sehr überlegen, ob ich mit dir noch ein zweites Kind haben will.« Sie grinste ihn unverschämt an.

      Wenn er ehrlich war, so war dieses Gesicht eine einzige Aufforderung, ihn abhängig zu machen. Und wenn er etwas hasste, dann war es, seine Unabhängigkeit zu verlieren. Doch jedes Mal, wenn sie Sex haben wollte, brachte sie es fertig, ihn dafür im Handumdrehen zu gewinnen. Ihm war klar, dass er sich in einer gewissen Abhängigkeit befand. Dennoch würde sie auch dieses Mal wieder Sieger sein.

      »Hey«, sagte sie. »Bist du überhaupt in Lohme?«

      »Wieso?«

      »Weil ich denke, dass du mit deinen Gedanken weit weg bist. Manchmal denke ich, du würdest in diesem Zustand nicht mal merken, wenn ich dir einen blase.«

      »Vielleicht denke ich darüber nach, wie du in eine Verdi-Oper passt«, parierte er.

      »Lucia di Lammermoor.«

      »Verdi«, verbesserte Larsson. »Nicht Donizetti.«

      »Spießer.«

      »Ich werde dich in Zukunft Azucena nennen, wie Verdis Zigeunerin im Troubadour benannt ist.«

      »Bin ich eine Zigeunerin?«

      Larsson hob die Schultern.

      »Manchmal denke ich, dass du gar nicht in der Lage bist, mit deinen Gefühlen innerhalb deiner Familie zu sein. Du lebst wie ein Single in einer kleinen Familie ... Au … Das ist die harte Stelle. Sei bitte vorsichtig.«

      Larsson strich die kleine Massage aus und gab ihr einen kleinen Klaps.

      »Der Single geht jetzt gleich in das gelbe Haus neben der Ruine«, sagte er. »Ich weiß noch nicht, wie lange das dauert.«

      »Wenn du mir das nur vorher gesagt hättest ...« Sie schäumte vor Wut.

      Er kannte sie genau, wusste, wie sie reagierte. Sie pflegte nicht zu brüllen, ganz im Gegenteil. Ihre Stimme wurde fast leise, blieb aber dennoch intensiv in einer Tonlage, die er gar nicht schätzte.

      »Vielleicht ist es ja ganz interessant. Möglicherweise gibt es eine Chance, dich nachzuholen.«

      »Untersteh dich. Ich gehe nirgendwohin.«

      »Fühlst du dich gut, wenn du so grantelst?«

      »Nicht wirklich.«

      »Ich auch nicht.«

      »Das ist aber weiß Gott nicht meine Schuld«, beharrte Monika.

      »Es wäre vielleicht doch besser gewesen, du wärst zu Hause geblieben«, sagte er bissig. »Immerhin ist das ein Freundschaftsdienst.«

      Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Mal ist es deine Arbeit, ein anderes Mal ein Freundschaftsdienst. Fakt ist, dass wir wieder ein Wochenende unterwegs sind, in dem wir gar nichts voneinander haben.«

      Irgendwie musste er ihr Recht geben. Was zum Teufel hatte ihn nur geritten, diese Mission zu übernehmen? Dann besann er sich. Auch eine Freundschaft verlangt hin und wieder mal nach einer Streicheleinheit. Und so sah er diese Aufgabe als das, was sie war: ein Freundschaftsdienst.

      *

      Larsson wartete, bis der Pulk Autos an ihm vorbeigefahren war. Dann ging er über die Straße, maß noch einmal den hässlichen Kasten, der wohl Anfang der Siebzigerjahre entstanden sein musste. Kurz darauf stand er vor dem Eingang des Hauses. Im Garten sah er eine junge Frau mit einem Kleinkind spielen. Das Kind war in jedem Fall älter als Elina. Die Frau schien ihn nicht zu bemerken.

      Er klingelte. Kurz darauf erschien eine Frau in der Tür. Sie mochte um die sechzig oder etwas älter sein, schlank. Sie machte einen gepflegten Eindruck. Doch spürte er sofort, dass sie etwas bedrückte. Ihre Augen sahen verweint aus.

      »Mein Name ist Lasse Larsson«, stellte er sich vor. »Frau Makowski?«

      Die Frau nickte.

      »Ich hatte mit Ihrem Mann telefoniert. Er war so freundlich, mir zuzusagen, dass er mit mir in einer delikaten Angelegenheit reden würde.«

      »Kommen Sie bitte herein.«

      Der Raum, den sie jetzt betraten, war abgedunkelt. Dennoch drang für Larsson genügend Licht durch die zugezogenen Vorhänge, um den Mann, der am Tisch saß, zu erkennen.

      »Herr Larsson«, sagte die Frau mit dünner Stimme.

      Larsson nahm wahr, wie sein Gegenüber ihn musterte und dann mit einer Handbewegung auf den Stuhl, der ihm gegenüberstand, deutete.

      »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee vielleicht?«, fragte die Frau.

      Larsson schüttelte den Kopf. »Danke, nein.«

      »Du solltest uns lieber ein Bier bringen. Herr Larsson trinkt bestimmt eins mit.« Herr Makowski schaute Larsson herausfordernd an.

      Larsson wusste, dass, würde er jetzt kneifen, der Mann für ihn nicht mehr erreichbar sein würde.

      »Würden Sie ein Bier mit meinem Mann trinken?« Er merkte, dass der Frau diese Frage widerstrebte.

      »Gern«, sagte Larsson.

      Er sah aufs Fenster. Durch den Schleier der Gardinen sah er schemenhaft, dass der Himmel blau war, und dass die Sonne schien, während sie hier saßen, wie in einem Verlies des Todes.

      »Wir haben gleich gesehen, dass dieser Mann unserem Mädel den Tod bringen würde. Er hat sie nicht geliebt, er hat sie beherrscht.«

      Die Frau kam aus der Küche zurück und brachte zwei Flaschen Bier und zwei Gläser.

      »Du weißt, dass ich aus der Flasche trinke«, herrschte Makowski seine Frau an.

      »Und Sie?«

      »Ich würde gern ein Glas nehmen«, sagte Larsson.

      Leise, wie sie gekommen war, ging sie hinaus. Wahrscheinlich stellte sie das überflüssige Glas nur ab, denn sie kam wieder herein und setzte sich in einen Sessel, der in der Ecke stand. Larsson nahm sie schattenhaft wahr.

      »Sie kommen also in seinem Auftrag.«

      Er hatte keinen Namen genannt, doch Larsson wusste, wen er meinte. Sie hatten am Telefon kurz darüber gesprochen.

      »Herr Thun hat mich beauftragt, mit Ihnen über Ihre Tochter Suzanne zu sprechen.«

      »Gerd Thun und ich kannten uns aus der Werkstatt von Auto-Kruse, wo ich beschäftigt war.«

      Makowski prostete Larsson zu, und die beiden Männer nahmen einige Schlucke