Wolfgang Max Reich

Von Bremerhaven bis Kiel


Скачать книгу

schon bei dem bevorstehenden Weihnachtsfest. Am ersten Advent saßen wir alle gemütlich im Wohnzimmer. Wir hatten das Radio an und lauschten den bereits jetzt schon ausgestrahlten Weihnachtsliedern. Wir vertrieben uns die Zeit mit Gesellschaftsspielen, wie Halma, Mühle oder Mensch ärgere dich nicht. Als es zu dämmern anfing zündete Mama die erste Kerze auf dem Adventskranz an. Sie hatte leckeren Spekulatius eingekauft, den sie uns nun auf den Tisch stellte. Oft saßen wir stundenlang zusammen auf der Couch und Papa erzählte von seinen Kriegserlebnissen und seiner Kriegsgefangenschaft in Russland. Meine Mama dagegen von ihrer Flucht aus ihrer Heimat in Schlesien. Ich saß neben meinen Eltern und lauschte wie gebannt den Erzählungen. Mein Vater gab mir schon damals seine Erkenntnis mit auf den Weg. Er sagte zu mir, Junge, das wichtigste im Leben ist eine warme Stube, genügend zu Essen und Zufriedenheit. Alles andere ergibt sich, wenn es so sein soll von selbst. Wenn er von den Entbehrungen und den kalten Nächten während des Krieges und der Gefangenschaft erzählte versuchte ich mir das bildlich vorzustellen. Aber für einen Jungen waren seine Erzählungen spannend und ich saugte sie auf wie ein Schwamm. Er sagte zu mir hoffentlich musst du das nie selbst miterleben und seine große Hoffnung war das die Menschen aus dieser Erfahrung gelernt haben und sein größter Wunsch war es das es nie wieder Krieg geben würde. Am Montag als wir um 8 Uhr das Klassenzimmer betraten, sahen wir das an der Decke auch ein großer Adventskranz hing. Der Klassenlehrer zündete nun auch die erste Kerze an und schaltete das Licht im Klassenzimmer wieder aus. Bei schummerigen Kerzenlicht stimmte er mit uns ein Weihnachtslied an, dass er auf der Geige begleitete. Nun las er uns noch eine kleine Weihnachtsgeschichte vor. Nach ca. einer halben Stunde begann dann der eigentliche Unterricht. In den nächsten Tagen wollte er dann mit uns Weihnachsterne basteln. Wir sollten uns dann Alleskleber und Gold- und Silberpapier besorgen. Nicht weit von unserer Schule entfernt befand sich ein kleines Schreibwarengeschäft. Es hieß Alfred Lefeber, wie sein Inhaber. Meine Mutter ging mit mir am Nachmittag dorthin, um die Bastelutensilien einzukaufen und ich freute mich schon auf die Bastelstunde mit unserem Lehrer. Am nächsten Tag war es dann soweit. Unter der Anleitung unseres Lehrers haben wir dann Weihnachtssterne gebastelt. Zuhause angekommen habe ich sie stolz meiner Mutter gezeigt. Da von dem Gold- und Silberpapier noch je ein Bogen übrig war habe ich den Nachmittag genutzt und habe in unserer Küche meiner Mutter vorgeführt, wie man diese Sterne herstellte. Die fertigen Sterne stellten wir dann auch den Stubentisch neben den Adventskranz. Als Papa am Abend von der Arbeit nachhause kam, konnte ich es kaum erwarten, ihm meine gebastelten Sterne zu zeigen. Und er war über mein Bastelgeschick sehr erfreut.

      Nun war es wieder an der Zeit das alljährliche Weihnachtspaket für die Oma zu packen, um es danach zur Post zu bringen. Denn wir wollten das es pünktlich vor dem Fest bei Oma ankam. Meine Eltern wussten ja, dass Pakete in die DDR, unheimlich lange unterwegs waren. Jetzt war auch wieder die Zeit gekommen, wo ich mir die Nase an unserem Küchenfester plattdrückte, wenn ich den Paketwagen der Post in unserer Straße entdeckte. Aber so viel Mühe und Geduld ich auch aufwendete. Er kam einfach nicht zu uns und ich dachte schon das Oma mich in diesem Jahr wohl vergessen hatte. Oder vielleicht war sie ja auch krank. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass das Paket von Oma bereits angekommen war. Es kam nämlich während ich in der Schule war. Meine Eltern hatten aber beschlossen mir nichts zu erzählen. Sie wollten damit die Spannung und meine Vorfreude auf Weihnachten noch steigern. Was ihnen sichtlich gelungen war. Denn Tage bis zum Fest vergingen immer mehr und ich wurde immer unruhiger, ich konnte einfach nicht glauben, dass die Oma mich vergessen haben sollte.

      Ebenso schwirrte im meinem Kopf der Gedanke, ob mein Bruder vielleicht wieder einmal am Heiligenabend zuhause sein würde. Langsam rückten die Weihnachtsferien und der Heiligabend immer näher und es gab noch unendlich viel vorzubereiten. Es wurde überlegt was es an den Festtagen zu Essen geben sollte und vieles andere mehr. Dann war da noch der Tannenbaum, der ja auch noch besorgt werden musste. Den Baum kauften wir bei einem Händler, der seinen Stand ganz in der Nähe unseres Mietshauses hatte. Zu Fuß schleppten wir den Baum nachhause, wo er dann erstmal auf unserem Balkon gestellt wurde. Dort war es kalt genug, denn er sollte ja nicht schon vor dem Fest seine Nadeln verlieren. Den Mohnstrietzel den es traditionell an Weihnachten und Silvester gab, war bei einer Bäckerei in Nordenham, bereits vorbestellt und musste nur noch abgeholt werden. Ebenso waren die schlesischen Weißwürste bei einer Fleischerei, in der Papa noch zusätzlich zu seiner Arbeit, als Metzgergeselle aushalf bestellt. Dazu muss man wissen, dass mein Vater vor dem Krieg in Breslau, das Metzgerhandwerk erlernt hatte. Der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien war nun auch geschafft. Über die Bekanntgabe in der Nordseezeitung erfuhren wir, dass das Schiff mit meinem Bruder, einen Tag vor dem Heiligabend in Bremerhaven ankommen sollte. Nun konnten wir uns auch darauf einstellen für wie viele Personen Mutter kochen musste. Nun brachen wir zu unserem letzten Großeinkauf nach Bremerhaven auf. Unser Ziel war die Bürgermeister-Smidt-Straße. Hier hatte Mutter die größtmögliche Auswahl um alles benötigte zu bekommen. Mutter wollte außerdem auch noch ein Geschenk für meinen Bruder besorgen. Alle anderen Geschenke hatte sie bereits vor längerer Zeit besorgt und in der Zeit wo ich in meinem Kinderzimmer schlief, schon liebevoll in Geschenkpapier verpackt und mit kleinen Kärtchen versehen, auf dem der Name stand, für den das Geschenk war. Der heutige Einkauf bestand in erster Linie aus den benötigten Lebensmitteln und Getränken fürs anstehende Fest. Bevor Mutter mit den Einkäufen begann aßen wir im Restaurant vom Kaufhaus Horten zu Mittag. Wir hatten Glück gehabt und einen Fensterplatz mit Ausblick auf die Außenweser ergattert. Nach dem gemeinsamen Essen begann Mutter mit den Besorgungen. Sobald sie etwas gefunden und bezahlt hatte deponierte sie die Taschen bei uns am Tisch, damit sie mit freien Händen den nächsten Einkauf tätigen konnte. Papa und ich verkürzten uns die Wartezeit bei einem Bier und einem Eisbecher. Ich nutzte die Zeit um in der Spielwarenabteilung, die zur Weihnachtszeit besonders groß war, zu stöbern und erfreute mich an vielen Neuen Dingen. Aber besonders habe ich die Kartons mit den Modellbausätzen durchgesucht, denn ich war immer auf der der Suche nach einem Bausatz von einem Fischtrawler. Ich wollte einfach solch ein Modell von einem Schiffstyp, auf dem mein Bruder zu See fuhr besitzen. Leider gab es solch einen Bausatz nicht. Frachtschiffe, Fähren, Passagierschiffe, Kriegsschiffe und historische Segelschiffe gab es in den verschiedensten Ausführungen aber der Wunsch von mir ließ sich nicht erfüllen. Mittlerweile war ich wieder bei Papa am Tisch es war bereits dunkel geworden und man konnte die fahrenden Schiffe auf der Weser an seinen bunten Positionslichten gut erkennen. Als Mutter mit ihren letzten Einkäufen an den Tisch kam, tranken meine Eltern noch eine Tasse Kaffee und ich einen Kakao. Nach dem wir bezahlt hatten machten wir uns mit unseren Einkäufen auf den Heimweg. Trotz der Trollies waren es noch einige Taschen zusätzlich geworden und wir hatten schwer zu tragen. Daheim wurde dann erstmal alles verstaut, bis Mama das Abendessen zubereitete. Nach dem Essen wurden noch einige Runden Mensch ärgere dich nicht gespielt bis es dann für mich ins Bett ging. Am Vormittag des Heiligabends fuhr Papa mit dem Fahrrad noch Nordenham, um den bestellten Kuchen und die Weißwürste abzuholen. Mama war bereits damit beschäftigt den Kartoffelsalat herzustellen. Am Nachmittag wurde der Baum vom Balkon in die Stube geholt und von Mutter liebevoll geschmückt. Während sie noch damit beschäftigt war klingelte es an der Tür und mein Bruder traf ein. Er hatte zwei große Pakete, die in normales Packpapier eingewickelt waren dabei und gab die nach einer herzlichen Begrüßung, meiner Mutter. Sie waren wohl für mich und sie sollte sie unter den Baum legen. So nun war unsere Familie, seit langem, an einem Weihnachtsfest wieder komplett. Die Freude meinen Bruder wiederzusehen überlagerte alles und ich verfolgte ihn auf Schritt und Tritt. Nachdem Abendessen, läutete Mama mit dem Glöckchen zur Bescherung. Nun ging es ans Geschenke auspacken. Als erstes packte ich die mit einfachen Packpapier eingewickelten Pakete von meinem Bruder aus. In dem ersten befand sich ein Original Rettungsring von seinem Schiff und im zweiten hatte er einen Seehasen präpariert und der Bordelektriker hatte in den Fisch noch eine Fassung mit einer Glühlampe eingebaut. Darüber das mein Bruder mir trotz seiner harten Arbeit auf See noch etwas zu Weihnachten gebastelt hat freute mich sehr und beides bekam in meinem Kinderzimmer sofort einen Ehrenplatz. Ein weiteres großes Paket war mich. Nun stellte ich fest, dass Oma mich doch nicht vergessen hatte. Sie hatte mir tatsächlichen einen Baukasten für eine Motoryacht geschickt. Die Teile waren alle auf Sperrholzplatten gedruckt und mussten erst mit der Laubsäge ausgesägt werden, damit hatte ich gar nicht gerechnet und auch über dieses Geschenk freute ich mich sehr. Von meinen Eltern hatte ich einen Modellbausatz von einem Passagierschiff, der „United States“ bekommen. Damit hatte ich für die nächste Zeit genug