Horst Fesseler

Das Böse wartet schon


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an. Er konnte nicht dagegen angehen, wollte es auch nicht. Jetzt verlangte er nach diesem hellen Schein.

      Unaufhaltsam trieb er weiter, gleitete schwerelos vorwärts. Das Licht wurde immer größer und größer, heller und leuchtender, kräftiger in den Farben. Schließlich hüllte es Heiko vollkommen ein. Er spürte die Wärme und die angenehme Ruhe, die von dort ausstrahlten, die wohltuende Entspannung, welche ihn plötzlich durchflutete. Es war, als würde er mit seinen Händen, seinem ganzen Körper diesen wundervollen Anblick umarmen, in ihm aufgehen, verschmelzen mit der Ewigkeit.

      Plötzlich spürte Heiko, dass er ein Teil davon war, wie ein klarer Wassertropfen in der Masse, ein winziger Partikel der elementaren Kräfte. Vollkommen eins mit allem. Und er empfand es einfach als grandios. Er kam sich in der Unendlichkeit so unscheinbar und bedeutungslos vor und sah sich dennoch als ein wichtiger Bestandteil, der dieses Gebilde zusammenhielt. Ein nie gekanntes Glücksgefühl der Befriedigung durchflutete ihn. Keine belastenden Gedanken, keine Probleme, keine Sorgen und Nöte bedrückten ihn. Es war, um es mit einfachen Worten auszudrücken, prächtig und unvergleichlich harmonisch. Dieses angenehme Licht, dieser liebliche Schein, begünstigte ihn noch in seinen Empfindungen.

      Heiko schaute sich nach allen Seiten um, genoss mit voller Hingabe den wundervollen Anblick. Es gab hier kein Unten und kein Oben, kein Rechts und kein Links. Zeit- und raumlos befand er sich inmitten einer ihm absolut neuen, unbekannten Dimension. Sie hatte nicht im Geringsten mit der bisherigen zu tun.

      Heiko brauchte keinen organischen Körper, ein solcher war hier vollkommen überflüssig. Er kam auch ohne ihn zurecht und konnte sich so bedeutend freier und ungezwungener bewegen. Das machte ihn viel empfänglicher für die Impulse der elementaren Energien und der ihn umgebenden hellen Strahlen, deren Ursprung nicht auszumachen war. Bunte Lichtpunkte in schillernden Farben kreisten um ihn. Sie hüllten ihn ein, als wollten sie neue Lebenskraft spenden. Heiko verharrte für einen Augenblick. Wie lange, wusste er nicht. Er labte sich an diesem Anblick und genoss die tiefe unsagbare Freude und Zufriedenheit.

      Irgendwelche unbekannten Geräusche klangen an sein Ohr. Sie ließen sich nicht genau definieren. Auf jeden Fall wirkten sie beruhigend und wohltuend. Mit einem Mal gab es nun keine Erinnerungen mehr an die Vergangenheit, keine Gedanken an die Zukunft. Nur der Moment des Erlebens zählte jetzt. Und der sollte niemals vergehen ... Heiko schwebte wie auf dünnen Nebelschwaden dahin. Er ließ es sich gefallen, es war wunderschön.

      Die ihn umgebenden farbenprächtigen Lichtblitze stellten dynamische Gedanken von unvergänglichen Seelen dar, die ihm die Reinheit und Entzückung der Ewigkeit verkündeten. Wie ein offenes Buch offenbarten sie sich Heiko. Und er erkannte darin all das Wirken und Leben längst vergangener Geschöpfe.

      Heiko trieb weiter durch einen Strom der Schwerelosigkeit. Er fühlte sich geborgen und behütet von einer angenehmen Macht, die jetzt kraftvoll auf ihn einwirkte. Sie nahm ihm die Furcht vor dem Ungewissen und steigerte seine Neugierde. Er wollte wissen, was ihn erwartete.

      Plötzlich kamen Heiko dünne, wie Silberstreifen wirkende Lichtschwaden entgegen. Ihr Glanz faszinierte ihn. Das waren die Seelen von Verstorbenen, die Heiko im Leben nahe gestanden hatten. Und er erkannte viele vertraute Gesichter darunter. Eine vertrauenerweckende und freundliche Gestalt kam aus dem Nichts hervor.

      Sie sprach zu Heiko: „Erkennst du mich? Ich bin es, deine Mutter, die vor vielen Jahren von dir gegangen ist. Und hier finden wir uns wieder vereint.“

      „Ja, du bist es wirklich und hast dich nicht verändert“, entgegnete Heiko würdevoll und spürte eine unsagbare Freude in sich aufsteigen, „aber wie ist das möglich?“

      „Du bist noch an der Schwelle zum Jenseits, am Scheidepunkt zwischen den Toten und den Lebenden, an der Pforte in das Reich der Seelen und des unvergänglichen Geistes. Noch musst du diese Hürde überwinden. Wenn du wirklich in deinem Innersten reif dafür bist, wird es dir gelingen und die Barriere wird sich für dich öffnen. Ich aber bin dein Wächter und dein Medium, damit du in die wundervolle Ewigkeit hinübergelangen kannst, denn du hast mich mit deinen Gedanken und Gefühlen ausgewählt. Ich bin gekommen, dir den Weg zu weisen. Bist du also bereit, den Schritt zu wagen?“

      Heiko nickte und antwortete gelassen: „Ja, Mutter, ich bin es, mit all meinen Gefühlen und Empfindungen. Mit meinem Geist, mit meinen Gedanken. Und meine Sehnsucht verlangt danach. Ich will diesen Schritt in das Ewige und Unvergängliche wagen.“

      Eine fremde Stimme sprach jetzt zu Heiko: „Erkennst du den Geist, der dir gegenübersteht? Siehst du all die anderen Wesen rings um dich? Schau dich um, Heiko!“

      Das Bild seiner Mutter war plötzlich verschwunden. Ein Meer von glitzernden Punkten umgab Heiko, das Wärme und Geborgenheit ausstrahlte. Und mitten heraus formte sich ein gleißendes Licht wie eine pulsierende Kugel. Heiko empfand eine angenehme und unbekannte Kraft tief in sich hineinströmen, wurde gewahr, wie das Licht ihn ausfüllte. Er spürte die gewaltigen und wohltuenden Energien des gesamten Universums durch seinen Geist sprudeln und genoss diesen wundervollen Augenblick.

      „Ja!“, rief Heiko. „Ich erkenne ihn, diesen Geist. Er ist so, wie er mir in meinen Träumen stets vorschwebte, wie ich ihn schuf und wie ich ihn mir ausdachte. Genau nach meinem Willen. Gleiches gilt auch für die anderen Seelen, die sich bei ihm befinden. Denn sie sind ein Produkt meiner geistigen Kraft, meiner Energien. Und nur in meiner Vorstellung sind all diese Erscheinungen real. Aber in Wirklichkeit sind es nur die Gedanken, die sich zu einem Bild formen und mir Gestalten aus meinem Leben offenbaren. Es ist die Welt, die ich mir geschaffen habe. Jetzt in diesem Augenblick in der Dimension einer Überzeit, fernab von Zeit und Raum. Hinter dem Horizont meines vergangenen Lebens.“

      Einer der funkelnden Punkte antwortete ihm mit leiser Stimme: „So ist es! Denn was hier geschieht, was du erlebst, ist nicht vergleichbar mit der irdischen Wirklichkeit. Viele unserer Seelen leben bereits in einem anderen Körper, sind hinübergegangen in eine Dimension des materiellen Seins. Für den Bruchteil einer Sekunde, im Pulsschlag des Universums, erfahren wir gemeinsam eine Realität, die in kein Zeitgefüge passt. Wir alle, die wir dir erschienen sind, bilden einen Teil deiner Fantasie als identisches Abbild eines unnachahmlichen Originals. Verbunden durch elektrische Impulse des endlos weiten Universums und von den statischen Wogen der Ewigkeit zusammengehalten.

      Du wirst nun bald aus deinem geistigen Traum hinaus in die Wirklichkeit des Reichs aller Seelen gehen. Dorthin, wo die Gedanken wie unsichtbare Wellen dahinströmen. Und du wirst sie sehen. Du wirst sie erkennen und deuten. Dort, wo der Geist in dir gedeihen kann.

      Lass dich treiben in dem Strom der Elemente, mein Freund. Wehre dich nicht dagegen. Denn von nun an bist du ein Teil des Universums. Unvergänglich, unsterblich, rein wie der Geist der Erkenntnis. Klar und unverdorben, unbefleckt. Der Geist wird dich erleuchten und führen.“

      Heiko bewunderte den ihn umgebenden Glanz, all die bunten Lichtpunkte, das Leuchten der vielen wunderschönen Sterne mitten in der Helligkeit. Ringsum erstrahlte Licht, das ihn durchflutete und ihm Kraft spendete. Langsam trieb er in diesem Strom dahin.

      Neue und vielfältige Gestalten tauchten vor ihm auf, Erscheinungen unbekannter Wesen. Friedlich umringten sie ihn, spendeten wohltuende Wärme, sprachen irgendwelche Worte, die Heiko aber nicht verstand.

      Die fremden Wesen geleiteten ihn zu einem dunklen Loch, mitten in dem nebelhaften Gebilde, in das er nun eintrat. Dort machten sie Halt und schoben Heiko behutsam und still bis zum Rand vor. Er verspürte keinerlei Furcht dabei. Im Gegenteil. Eine große Erleichterung überkam ihn, obwohl er noch nicht wusste, was ihn erwartete.

      Wenig später sah Heiko den strahlenden Kranz, der sich um die dunkle Öffnung legte. In dem Kranz erkannte er eine Unzahl bunter Farben, die wie bei einem Kaleidoskop ineinander zu fließen schienen. Es waren Farben mit leuchtendem Glanz, noch viel prächtiger, als er es je kannte, unbeschreiblich in ihrer Vielfalt.

      Heiko spürte, wie er in eine schwarze Leere fiel, tief hinein in die absolute Dunkelheit. Es war angenehm und entspannend, denn er wusste, dass ihm nichts geschehen würde. Das endlose Loch breitete sich immer weiter aus, Ewigkeiten schienen zu vergehen. Frei von allen Gedanken genoss Heiko diesen Augenblick. Er machte ihn so leicht, erfüllte ihn mit Freude. Ein