Lucy Darkness

Blutige Finsternis


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war in meine Gedanken eingebrochen.

      Ich rubbelte mein Gesicht trocken und blickte erneut in den Spiegel. Alles war plötzlich dunkel. Ich konnte nichts mehr sehen, aber ich fühlte, ich war nicht alleine.

      Die Schwärze löste sich auf und für ein paar Sekunden nahm ich das Gesicht der alten Zigeunerin wahr. Sie kicherte, danach erlosch ihre Stimme und ich stand kreidebleich im Badezimmer.

      Die nächsten Tage waren grauenvoll. Es passierte nichts, aber genau diese Stille geißelte mich, erdrückte mich mit der Furcht vor dem Nahenden. Ich traute mich nicht aus der Wohnung. In der Nacht saß ich in einer Ecke mit einer Taschenlampe und dem Revolver in meiner Hand. Die Narben in meinem Gesicht schienen von Tag zu Tag größer zu werden.

      Tagsüber befand ich mich in meinem Büro. Mein Blick wirkte leer. Ohne jegliche Gefühlsregung beobachtete ich die Aktien-Charts auf den Monitoren. Mein Erfolg schlich dahin. In den letzten Tagen erzielte ich einen Verlust nach dem anderen. Am Ende der Woche war das Minus bereits groß.

      Essen konnte ich kaum noch etwas. Alles schmeckte gleich und kaum hatte ich es runtergeschluckt, musste ich es sofort wieder ausspucken. Meine ganze Haut war bleich. Fast zehn Kilo verlor ich in zwei Wochen. Nach 3 Wochen waren die Verluste beim Handel so groß, dass ich an mein Erspartes musste.

      Zwar hatte ich keine Erscheinungen mehr, aber es lief immer schlimmer in meinem Leben. In nur wenigen Sekunden verlor ich im Handel so viel Geld ... es wurde immer schwerer für mich, die Verluste auszugleichen. Mein Erspartes floss dahin. Ich musste eine Hypothek auf meine Wohnung beantragen. Doch auch dieses Geld löste sich einfach in den kommenden Tagen in Luft auf. Nicht einen einzigen erfolgreichen Trade hatte ich in den letzten sechs Wochen erzielt. Stattdessen verlor ich mehr, als ich in den ganzen Jahren gewonnen hatte.

      Mir wurde klar, dass mich der Fluch vollends eingenommen hatte. Ob nun tatsächlich als eine Art schwarzen Zauber oder nur als eine manipulative Wirkung in meinem Unterbewusstsein. Der Fluch richtete mich zugrunde. Finanziell sowie körperlich.

      In meiner Not besuchte ich einen Hellseher. Es war ein alter Mann. Er selbst beschrieb sich als eine Art Hexer, der schon über 150 Jahre auf unserem Planeten wandelte. Natürlich war das gelogen. Alt war er aber tatsächlich. Zunächst wollte er mich für dumm verkaufen und mir die Zukunft mit einer Kristallkugel vorhersagen. Erst als ich seinen dunklen Salon, der mit uralten Möbeln ausgestattet war und in dem überall schwere Teppiche hingen, verlassen wollte, ergriff er meine Hand.

      »Warte! Ich fühle Dein Leid ...«, er drückte kräftig meine Hand und kam immer näher zu mir.

      Er umarmte mich. Ich fühlte seinen warmen Atem an meinem Hals. Plötzlich ließ er von mir los, ein kalter Lufthauch zwängte sich zwischen uns. Er erstarrte für ein paar Sekunden und schien plötzlicher voller Furcht.

      »Dir kann keiner helfen ... Geh! Geh!« Seine Stimme wirkte kalt.

      »Bitte, ich brauche Hilfe. Was soll ich machen. Mein Leben bricht zusammen! Bitte!« Ich bettelte ihn förmlich an.

      Die Angst in seinem Gesicht war zu spüren. Ich wollte seinen Salon nicht verlassen und schlussendlich bat er mich, erneut Platz zu nehmen. Seine Worte wählte er nun mit bedacht und der Hellseher hielt viel Abstand zu mir. Er wagte es kaum, mich zu berühren.

      Mit Hilfe von Telepathie und dem Versuch die Akasha Chroniken (Hinweis: Buch des Lebens) abzufragen, konnte er nun erkennen, ob ich tatsächlich mit einem Fluch belegt war. Sein Blick sagte in diesem Moment alles.

      Er wirkte verzweifelt, ängstlich. Ob es die Angst vor mir war oder die Furcht davor, mir nicht helfen zu können, wusste ich nicht. Er bestätigte nur, dass die alte Frau mich mit schwarzer Magie belegt hatte.

      »Nur sie kann den Fluch brechen. Wenn Du sie findest, hast Du eine Chance ... aber bitte verlasse meinen Salon und komm nie wieder!« Seine Angst stand in seinem Gesicht geschrieben.

      Ich musste sie finden. Diese alte Frau. Doch wie? Ich kannte nicht einmal ihren Namen. Jerina war der einzige Anhaltspunkt. Doch sie könnte mittlerweile überall sein. Die Narben in meinem Gesicht wurden von Tag zu Tag furchterregender.

      In meinem Briefkasten lag die letzte Mahnung zur Zahlung meiner Hypothekenrate. Aber ich hatte kein Geld mehr. Mit Mühe und Not konnte ich den Strom und den Internetvertrag bezahlen. In den kommenden Tagen suchte ich nach Anhaltspunkten. Wo waren die Zigeuner? Wo gab es Jahrmärkte? Kannte jemand Jerina? Ich schrieb in Foren, beschrieb die junge Frau, aber niemand meldete sich.

      Es gab nur noch eine Möglichkeit. Ich suchte Jahrmarkt für Jahrmarkt ab und tingelte durch die Bundesstaaten. Mein Geld floss nur dahin. Ich verkaufte meinen Sportwagen und fuhr nun mit einem rostigen Gebrauchten durch die Gegend, der schon über 20 Jahre auf den Buckel hatte. Einige Jahrmärkte hatte ich bereits durch. Ohne Erfolg. Ich zwang mich, etwas zu essen. Dennoch verlor ich immer mehr Gewicht. Früher hatte ich fast 92 Kilo bei 1,92 m gewogen. Heute waren es nur noch 65 Kilo.

      * * *

      Die Wochen vergingen. Der Winter war längst dem nahenden Sommer gewichen. Meine Bank hatte mich telefonisch angerufen, dass sie mein Penthouse nun der Zwangsvollstreckung unterworfen hätten. Nun war ich obdachlos und besaß nur noch das, was sich in meinem Wagen befand. Das rote Kleid mit den Blutflecken hatte ich mitgenommen.

      Wieder hatte ich einen Jahrmarkt entdeckt. Er kampierte am Ende des Ortes. Wie lange ich das noch durchhalten würde, wusste ich nicht. Meine Kraft würde mich bald verlassen. Gegen Abend schlenderte ich über den Rummel. Alles war wie auf den vorherigen Märkten gewesen. Es war laut, die Menschen schrien, amüsierten sich. Doch ich erkannte kein bekanntes Gesicht.

      In diesem Moment jedoch fühlte ich wieder diese merkwürdige Kälte und plötzlich war da dieser furchtbare Geruch, der mich an den schlechten Atem der alten Hexe erinnerte. Für einen kurzen Moment dachte ich, Jerina zu sehen. Eine junge Frau huschte da hinten vorbei. War sie es?

      Ich schleppte mich langsam nach hinten, vorbei an den Wohnwagen, hinein in die Dunkelheit. Von weitem sah ich ein Lagerfeuer. Menschen saßen dort, sie sangen, sie grölten. Als sie mich bemerkten, wurden sie ganz still und blickten mich durchdringend an. So, als würden sie einen Geist sehen. Vielleicht war ich das auch schon.

      Ich stand vor ihnen. In meiner Hand hatte ich das Kleid und ihre Blicke waren zornig aber auch ängstlich. Eine Mischung aus Wut und Furcht. Ich hatte keine Ahnung, wieso, aber sie erkannten mich und ich wusste, ich bin hier richtig.

      »Ich muss mit Jerina sprechen! Bitte

      Ein alter, stämmiger Mann stand auf. Seine Haare waren bereits vergraut, doch seine Augen waren so voller Schwärze, wie ich es zuvor nur bei der Alten gesehen hatte.

      »Du hast hier nichts verloren. Verschwinde!« Seine Stimme klang bitter und so voller Wut. Einer unaussprechlichen Wut.

      »Bitte ich flehe Euch an. Ich muss Jerina sprechen!«

      Andere Männer standen nun auf. Sie kamen bedrohlich näher. Ich wich keinen Schritt zurück. Wie hätte ich auch.

      Keiner wollte mit mir sprechen. Ich flehte sie erneut an. Ihre Fäuste flogen in mein Gesicht. Als ich Minutenspäter (oder waren schon Stunden vergangen?) wieder aufwachte, lag ich blutverschmiert im Dreck. Das rote Kleid lag neben mir.

      Alle meine Knochen schmerzten. Ich konnte kaum aufstehen und versuchte mich zurück zu meinem Auto zu zehren. Vor dem Wagen stand plötzlich ein junges Zigeunerkind, das mich anlächelte. Sie war vielleicht 10 oder 12 Jahre alt.

      »Du willst Jerina sprechen«, fragte sie mich und kicherte wie die alte Frau.

      »Ja ...«, hauchte ich.

      »Du kommst zu spät. Es gibt keine Jerina mehr ...«, wieder kicherte sie.

      »Bitte ...«, flehte ich das kleine Kind an.

      »... Du suchst Jerina? Die Jerina ... Die junge Frau, die so fröhlich an ein Versprechen glaubte und dafür alles gab