C.-A. Rebaf

Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch


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in einem Gasofen heiß glühend gemacht wurden und mit einem speziellen Kran, der in mit einem Greifer in das Kuppelloch fasste hoch gehoben und mit einem ohrenbetäubenden Knall in ein riesiges Wasserbecken zum Aushärten geworfen wurden. Ein russischer Vorgesetzter hatte ihm diese Technik im Lager am Ural gezeigt. Reinhard war neugierig! Der Nachteil dieser Technik war allerdings, dass dieser Panzerturm wie ein riesige Glocke wirkte: Auftreffenden Geschosse verursachten bei den Panzerinsassen im Inneren schrille und laute Geräusche, die sogar die Trommelfelle platzen ließen. Eine verwundbare Stelle hatte das eiserne Ungetüm dennoch: Der Übergang der drehbaren Kuppel zum Fahrgestell war die Achillesferse. Traf eine Granate zielgenau in diesen Spalt, so war das Ungetüm erledigt.

       Das fahrbare Untergestell wurde aus 35 mm Blechen von Frauen zusammengeschweißt. Zunächst wurden die Bleche auch den Boden gelegt, eine Schablone drüber und dann wurde von den Frauen mit dem Schweißbrenner die notwendigen Formen ausgeschnitten. Anschließend wurden diese zu einer Bodenwanne zusammengeschweißt. Dabei blieb alles roh, kein Verputzen der Schweißnähte wie bei den deutschen Gegenstücken, die allerdings in technischer Hinsicht und vor allem in ihren Fahreigenschaften den T34 unterlegen waren. Die Russen produzierten mit gnadenloser Rationalisierung. Keine Schönheiten, alles in Masse zum Abschießen an der Front. Die Menge machte es. Nicht die Qualität. Die Norm musste erfüllt werden!

       Reinhard wusste nicht einmal, ob die Motoren dieser Ungetüme auch in seiner Fabrik hergestellt wurden. Vielleicht waren diese aus Cincinnati oder Detroit und wurden von den Amerikanern über Wladiwostok mit der transsibirischen Eisenbahn an den Ural gebracht?

       Er berichtete auch ein Erlebnis in einem Dorf auf dem Vormarsch nach Stalingrad, als er noch Soldat war, wo zwei drei mutige Kameraden einen T54 knackten. Der Panzer war mitten im Dorf auf der zentralen Straßenkreuzung positioniert und es gab deswegen kein Durchkommen. Die Mutigen nutzen den ihnen bekannten toten Winkel der Sehschlitze des Panzers und schlichen sich an das Ungetüm heran, schoben eine Sprengladung in das Kanonenrohr, gingen in Deckung und mit einem riesigen Knall flog der Deckel des Turms durch die Druckwelle auf. Sofort warfen sie Handgranaten in den Turm und das Ungetüm war erledigt. Das grausame Handwerk des Krieges in den weiten russischen Feldern.

       Reinhard überlebte in der Gefangenschaft durch seine Emsigkeit. Aus Metallabfällen fertigte er sich Schnitzwerkzeuge und begann die Holzbearbeitung, die er später, sehr viel später mit Präzisionswerkzeugen aus dem Lech Tal als Hobby nach seiner Pensionierung betrieb. Er schnitzte damals Schachspiele und verkaufte sie an die Russen im Lager. Das brachte ihm Überlebenspunkte. Seine Spezialität war ein Schachspiel mit unterschiedlichen Figurentypen für Weiß und Schwarz. Weiß war der Bauernstaat: die Bauern waren Schafhirten, die Läufer Schnitter, die Sense wetzend, die Türme Windmühlen, Mehl malend. Die Springer waren Pferde und Dame mit König das Gutsherrenpaar: Sie mit einer Garbe Ähren im Arm und er mit einem mittelalterlichen Dreispitz auf dem Kopf.

       Schwarz war der Ritterstaat, mit Pagen als Bauern, bewehrten Türmen, Pferden mit Lanzenträgern als Springer, Läufer als gerüstete Ritter mit Helm und heruntergeklappten Visier und der geharnischte König mit seiner spitzhütigen Dame.

       Beim Thema 'Schachspielen in Russland' soll noch kurz auf eine weitere Anekdote verwiesen werden, die im Sagen-Pool der Familie kursiert: Auch im Gefangenenlager gab es eine Art Lazarett. Reinhard wurde eines Tages dorthin gebracht. Hatte er wieder einen Malaria-Anfall? Zuständig im medizinischen Sinne war ein ebenfalls gefangener deutscher Stabsarzt. Nachdem es dem Patienten etwas besser ging und ein Arzt jetzt im Lager mehr Zeit hatte, als in den vorhergehenden Schlachten, spielten er und Reinhard Schach mit den gerade fertig geschnitzten Figuren. Beide waren gleichwertige Gegner und das machte das Spiel spannend. Für den Arzt herrschte aber noch eine weitere Attraktion auf ganz anderer, sexueller Ebene: Er machte nach einer Weile aus seinen homophilen Neigungen kein Geheimnis mehr und ließ ihnen freien Lauf. Reinhard fand die amourösen Avancen neudeutsch 'uncool' und lehnte sie barsch ab. Ab nächsten Tag war er von seiner Malaria genesen.

       Ein solches Schachspiel hat Reinhard dann in späten Jahren noch einmal reproduziert, zum 40en Geburtstag seines Sohnes. Es steht jetzt neben meinem 'gebretterten' Schreibtisch.

       Die Russen fanden damals großen Gefallen an Reinhards Schachspielschnitzkünsten und sein Absatz mit den kunstvollen Figuren war gut. Leider hatte er nicht unendlich viel Zeit für die Herstellung, denn die Norm hatte Vorrang.

       Brot war die Gegenwährung, Brot in Form von Leibern oder aber auch in Form von Brotsamen, die in der Küche beim Schneiden der Tausenden von Broten für die Gefangenen abfielen und in Tüten gesammelt wurden. Hat ihm seine Schnitzkunst das Leben gerettet?

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