Stephan Lake

Layla


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drehte sich um und fixierte den Kerl auf der unteren Pritsche.

      Der Kerl hielt die Augen geschlossen.

      Snydr lächelte.

       Amadeus.

      Endlich.

      Endlich.

      Die obere Pritsche frei. Für ihn. Den Neuen.

      Snydr warf das Wäschepaket darauf. Die Eisenfedern quietschten.

      Der Kerl hielt immer noch die Augen geschlossen. Aber er schlief nicht, da war Snydr sicher. Die Hände hinter dem kahlgeschorenen Kopf verschränkt, Beine angewinkelt, geschnürte Schuhe auf dem Laken? Der Kerl wusste von ihm. Wusste von einem neuen Zellengenossen, den er heute bekommen würde. Er war vorbereitet. Seit Stunden vermutlich. Der Kerl kannte die Regeln. Selbstverständlich. Viele Jahre Erfahrung. Seit seiner Jugend mehr drinnen als draußen. Er kannte die Regeln. Wusste, die erste Begegnung mit dem Neuen klärte die Rangfolge und entschied, wer Hammer war und wer Amboss.

      Was der Kerl nicht wusste: wer der Neue war. Dass Snydr kein Gewöhnlicher war. Keiner, der seine Zeit absaß und dann rauskam bevor er wieder einfuhr.

      Der Kerl wusste nicht, warum Snydr wirklich hier war. Wusste nicht, dass Snydr ihn kannte.

      Ihn jahrelang gesucht hatte.

      Jahrzehntelang.

      Dass der pensionierte Kripomann Georg Michael Snydr von seinen Taten wusste.

      Von allen seinen Taten.

       Amadeus.

      Snydr ließ ihn nicht länger warten. Er stieß seinen Fuß gegen den Pfosten.

      Der Kerl öffnete die Augen.

      „Was?“

      Leise. Ohne sich zu bewegen. Ohne die geringste Andeutung von Besorgnis.

      Eines seiner Augen war blau. Fast wie der Himmel draußen. Das andere war grün. Sehr selten, ein blaues Auge, ein grünes Auge. Sehr ungewöhnlich. Snydr war überrascht. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Dazu das Tattoo. Geschlängelt. Wie die Wurzeln eines Baumes. Von der Mitte des Schädels über die Stirn um das blaue Auge herum und über die Wange mit den Aknenarben bis hinunter zum Hals. Wo es unter dem verschwitzten Shirt verschwand. Das gleiche Tattoo auf der anderen Seite. Vom Schädel über die Stirn um das grüne Auge herum und über die Wange zum Hals und unter das Shirt. Fette, schwarze, billige Tinte. Knasttinte.

      Snydr lächelte. Lächelte und schwieg.

      „Ich hab gefragt, Was?“

      Lauter. Immer noch ohne eine Bewegung. Selbst seine Lippen rührten sich nicht.

      Der Kerl machte alles richtig. Keine Angst zeigen, sondern Angst verbreiten. Einschüchtern. Dem Neuen zeigen, Ich bin der Boss.

      Was bei Snydr nicht funktionierte. Snydr hatte keine Angst. Nicht vor einem kahlen Schädel und nicht vor schwarzer Tinte und nicht vor einem gezischten Wasss.

      Nicht vor einem Kerl, von dem er wusste, dass er ein Mörder war.

      Snydr lächelte.

      Der glücklichste Tag in seinem Leben.

      „Ich bin gekommen, um dich zu töten, Amadeus.“

      Jetzt drehte der Kerl den Kopf. Seine Augen suchten in Snydrs Gesicht.

      „Was sagste?“

      Snydr lächelte.

      „Zu wem sagste Amadeus?“

      „Zu dir natürlich. Amadeus.“

      Der Kerl stand auf. Langsam. Kraftvoll. Selbstbewusst. Schaute auf Snydr herab.

      Snydr blieb stehen. Schaute hoch. Lächelte. Er war völlig gelassen. Und warum nicht. Snydr war achtundsechzig Jahre alt, und er war am Ziel. Was danach kam, spielte keine Rolle mehr.

      Amadeus.

      Gleich.

      Snydr steckte die Hand in die Hosentasche.

      Er spürte die Klinge.

      Snydr lächelte.

       Jetzt, Amadeus.

      Der Kerl verschränkte die Arme. Muskeln wölbten sich. Adern traten hervor. „Okay, du Wichser, jetz hör du zu. Du bis hier bei mir zuhaus. My home. My rules. Hier sind mein Regeln. Nur mein. My fucking rules. You got it? Du tus, was ich sag. Erstes, du hörs auf, mich so zu nennen. Amadeus. What a shitty name. Shitty name, Amadeus. Ich heiß Nevada. Cat Nevada. I’m a Marine. United States Marine Corps. Got it, you sucker? Huh?“ Der Kerl grinste. „Du darfs jetz Yessir sagen. Yessir, Nevada, Sir.“

      Snydr guckte.

       Nevada?

       Marine Corps?

       Yessir?

      Sein Lächeln versank.

       Oh, nein. Nein. Nein. Nein.

      2

      „Elijah, warum hast du die noch nicht zurückgerufen?“

      Elijah Leblanc, seit diesem Morgen neuer Leiter der Operativen Fallanalyse beim BKA und nicht wirklich froh darüber, sah zu Barbara hoch.

      „Wen?“

      Seine Sekretärin stand auf der anderen Seite des Schreibtischs, die Brille nach oben in ihr graues Haar geschoben. Das Perlenkettchen um ihren Hals schaukelte vor ihrer Brust hin und her, weil sie sich mit beiden Händen abstützen musste. Der Rücken.

      „Wen, oh Elijah, wen. Diese Anwältin. Sie hat schon wieder angerufen. Vor einer Minute. Das dritte Mal heute Morgen. Drei Mal, Elijah. Kannst du die denn bitte jetzt mal endlich zurückrufen? Damit ich meine Arbeit machen kann?“

      Elijah streckte den Arm aus.

      „Was willst du jetzt?“

      „Na, die Telefonnummer. Damit ich endlich zurückrufen kann.“

      „Vor dir auf dem Haufen dort. Habe ich dir nach dem ersten Anruf schon hingelegt.“

      Elijah guckte auf seinen Tisch voller Papiere. „Wo?“

      „Weiß ich doch-“ Barbara stieß sich mit einem Seufzen vom Tisch ab und marschierte um ihn herum und hob Papiere hoch und Akten und schob den leeren Kaffeebecher mit FBI darauf zur Seite und hob mehr Akten hoch und mehr Papiere und seufzte wieder, marschierte hinaus ins Vorzimmer und kam zurück.

      „Gut, dass ich mir alles zweimal aufschreibe. Hier.“

      „Du bist die Beste.“ Elijah nahm den Zettel. „Die ruft aus Trier an?“

      „Keine Ahnung. Hat sie nicht gesagt.“

      „Die Vorwahl. 0651. Das ist Trier.“

      „Na, dann Trier halt. Bitte, Elijah, ruf da an. Endlich. Ja?“

      „Ich rufe an, Barbara.“

      Was Elijah tat, als Barbara wieder draußen war.

      Er sagte seinen Namen und BKA und, „Eine Frau Vianne hat-“

      „Ja, Doktor Vianne erwartet bereits Ihren Anruf. Ich stelle Sie durch. Sie bleiben dran, ja? Moment.“

      Er hörte drei Takte einer Musik, die er nicht kannte, Violinen, irgendetwas Klassisches, und dachte noch, Warum sollte ich nicht dranbleiben, da sagte eine kräftige, weibliche Stimme, „Vianne.“

      „Leblanc, BKA. Ich bin noch dran.“

      „Herr Leblanc, ja ... Sie sind noch dran? Was ...?“

      „Sie haben angerufen, Frau Vianne?“

      „Ja,