Stephan Lake

Layla


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ist das?“

      „Sie kennen Herrn Snydr.“

      „Nein.“

      „Meine Information ist, Sie kennen Herrn Snydr. Georg Michael Snydr?“

      „Frau Vianne, wer ist das? Und warum ist er für das BKA wichtig?“

      „Herr Snydr ist nicht für das BKA wichtig.“

      Elijah wartete.

      „Sondern für Sie, Herr Leblanc. Herr Snydr ist mein Mandant. Er möchte, dass Sie ihn besuchen. Noch heute.“

      „Möchte?“

      „Verlangt.“

      Elijah sagte, „Besuchen wo?“

      „Hier in Trier. JVA.“

      „Und warum sollte ich das tun?“

      „Ich kann Ihnen keine Ratschläge erteilen, Herr Leblanc. Ich bin hier nur ein ... sagen wir: Bote. Die Überbringerin schlechter Nachrichten.“

      „Und damit meinen Sie: Überbingerin schlechter Nachrichten an mich?“

      „Herr Snydr hat mich angewiesen, Ihnen mitzuteilen, dass er ein Schriftstück verfasst hat. Dieses Schriftstück liegt mir vor. Darin geht es um Sie. Sollten Sie ihn nicht besuchen, noch heute, bin ich angewiesen, das Schriftstück an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Auch heute.“

      Elijah schüttelte den Kopf. Ein Schriftstück über ihn an die Behörden? Was sollte das?

      Er sagte, „An die zuständigen Behörden. Welche Behörden wären denn zuständig?“

      „Die Staatsanwaltschaft natürlich.“

      Elijah guckte auf die Uhr an seinem Bildschirm. Kurz vor neun. Für zehn Uhr hatte er die Dienstbesprechung angesetzt. Seine erste als neuer Leiter der OFA.

       Die Staatsanwaltschaft natürlich.

      Es gab Schlimmeres, als die erste Dienstbesprechung zu verpassen.

      „Und um was es geht, das dürfen Sie mir nicht sagen? Oder sollen Sie mir nicht sagen.“

      „Nicht im Detail.“

      Elijah wartete. „Aber im Groben? Frau Vianne, ich brauche hier schon etwas von Ihnen, um die Fahrt zu machen. Mein Wagen ist alt, ich möchte ihm jeden unnützen Kilometer ersparen.“

      „Ich soll Ihnen eine Einzelheit sagen. Ein Datum.“

      „Ein Datum. Na, dann mal los.“

      „19. März 1983.“

      Sie sagte, „Sind Sie noch dran, Herr Leblanc?“

      3

      „Na, keine Schule heute?“

      Elijah blieb stehen. Er guckte auf den Mann hinter dem Gartenzaun, wechselte seine Sporttasche in die andere Hand und schüttelte den Kopf.

      „Nur alle zwei Wochen is Samstag Schule. Heute nicht, Herr Lamberty. Nächsten Samstag wieder.“

      „Aber du gehs noch zur Schule, gell?“

      „Sicher geh ich.“

      „Nit wie die andern, die sich nur rumtreiben.“

      „Ich geh zur Schule.“

      „Du solltest dich von denen fernhalten. Besonders von dem Tschaikowsky. Von dem hört man Sachen. Keine guten. Und von dem Großen, Schweren, der immer bei dem is auch nit.“

      Elijah war still.

      Herr Lamberty stützte sich schwer auf die Schaufel und nickte. „Wenn heute keine Schule is, dann hättest du ja Zeit. Oder?“

      „Zeit? Wofür?“

      „Am Montag krieg ich Bäume, zweiundzwanzig Stück. Ich will hier dichtmachen“ – Herr Lamberty deutete mit der Hand den Zaun entlang – „damit uns nit jeder in unser Wohnzimmer gucken kann. Tannen sind dafür am besten. Immergrün, also auch im Winter. Ich hab noch zwanzig Löcher. Zwanzig. Der Boden is ziemlich hart, weißte?“ Als Elijah nicht antwortete, „Ich geb dir für jedes Loch zwei Mark, Elijah. Zwei Mark und ne Limo. Wat meinste?“

      „Ich kann nicht zwanzig Limo trinken, Herr Lamberty. Da bekomm ich Bauchweh.“ Über Elijahs Gesicht flog ein Lächeln.

      „Wie? Nee, eine Limo, eine insgesamt. Aber für jedes Loch zwei Mark.“

      Herr Lamberty hatte eine Glatze und einen dicken Bauch und trug die braune Polyesterweste, die er jeden Tag trug. Sommer, Winter, kalt, warm, Regen, Sonnenschein, Elijah hatte ihn nie anders gesehen als in seiner braunen Polyesterweste. Fünfzig war er vielleicht oder sechzig oder vierzig, jedenfalls über dreißig. Elijah konnte das Alter von Erwachsenen nicht gut schätzen. Aber er sah alt aus und nicht gesund. Seine Frau hatte auch einen dicken Bauch, die Frau Lamberty, aber viele Haare und eine Brille. Beide waren echt nett. Sie waren keine von denen. Nur Elijahs Humor verstanden sie nicht.

      Zwanzig Löcher. Der Herr Lamberty könnte einen Infarkt von zwanzig Löchern bekommen. Von zehn. Er rauchte viel. Auch jetzt. Rauchen und Übergewicht und dann dieses Alter, jeder wusste das. Kam im Fernsehen und im Radio, überall, ständig, und Aerobic machte Herr Lamberty bestimmt auch nicht.

      Elijah sagte, „Wie tief und wie breit?“

      „Na ja, ‘n Meter etwa. Tief. Einer breit. Die Bäum sind schon größer und die Wurzeln dann auch, aber der Boden hier is ja richtig hacht. Gewachsener Boden, weißte? Auf jeden Fall muss ich Mutterboden dazu schütten. Obendrauf. Kommt heut Nachmittag. Also ein auf ein Meter, so ein auf ein, ungefähr. Vielleicht wat weniger. Ich mess nit nach. Oder haste wat vor? Fußball oder so?“

      Herr Lamberty nickte auf die Sporttasche.

      Elijah schüttelte den Kopf.

      Er überlegte. Ein auf ein Meter. Ein Kubikmeter. Mal zwanzig. Zwanzig Kubik Erde.

      Zwanzig mal zwei Mark. Vierzig Mark. Und ne Limo.

      Er hatte keine Schule, und er spielte kein Fußball, aber er hatte tatsächlich etwas vor. Wenn er die Wohnung bekam, und seine Chancen standen gut, hat Herr Adams gesagt, dann hatte er es geschafft. Der Herr Adams war okay, der wollte ihm helfen. Elijah musste aber den Termin einhalten, er musste pünktlich sein, auf jeden Fall. Zwanzig Löcher, das dauerte zu lange.

      „Zehn Löcher heute, zehn morgen.“

      Elijah beobachtete, wie Herr Lamberty auf die Kippe zwischen seinen gelben Fingern guckte und sie dann hinter sich in seinen Garten schnippte. Eine geübte Bewegung.

      „Gut. Zehn heute. Wann?“

      Elijah stellte die Tasche ab und zog seine Jacke aus. „Jetzt.“

      Da wusste er noch nicht, dass er die zweiten zehn Löcher niemals graben würde.

      4

      Leiter der Operativen Fallanalyse beim BKA Elijah Leblanc saß in seinem nicht mehr ganz neuen Geländewagen, als über das Tuckern des Achtzylinders hinweg Whitesnake einen Anruf meldete. I don‘t know, where I’m goin‘, but I sure know-

      Er guckte von der Straße weg auf die Nummer und drückte die Taste. „Hi Jo.“

      „Hi Baby. Wo bist du?“

      „Eifel, in der Nähe von-“ Elijah sah das Schild. „Gerade Abfahrt Daun vorbei.“

      „Du hast deine erste Dienstbesprechung als unser neuer Chef, statt deiner kommt aber Wibke rein und fragt nach Kaffee und Schnittchen und fängt an zu reden. Und du fährst in die Eifel. Was gibts in der Eifel, Baby?“

      Sie waren noch in der allerersten Phase als Paar, und Elijah war von einem Kosenamen für